Missionsmuseen im Umbruch Eine Frage der Anschlussfähigkeit

SANKT AUGUSTIN · Kolonialer Ballast oder Arche Noah der Globalisierung: Die Zukunft von Missionsmuseen wie dem in Sankt Augustin hängt auch davon ab, inwieweit sich sich modernisieren lassen.

 Dieses Grabmal eines bedeutenden Herero-Chiefs aus dem 19. Jahrhundert gehört zur Sammlung der Vereinten Evangelischen Mission in Wuppertal. Das dortige Haus gilt als vorbildliches Missionsmuseum.

Dieses Grabmal eines bedeutenden Herero-Chiefs aus dem 19. Jahrhundert gehört zur Sammlung der Vereinten Evangelischen Mission in Wuppertal. Das dortige Haus gilt als vorbildliches Missionsmuseum.

Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb

Missionsmuseum – das Wort ist nicht gerade ein Synonym für Modernität. Und häufig kommen die Häuser auch etwas altbacken daher. Doch wie kann ihnen der Schritt zu einem modernen Museum gelingen, auch um ihre Daseinsberechtigung zu erhalten? „Partnerschaft ist die Triebfeder moderner Wissenschaft“, sagt Karoline Noack, Professorin für Altamerikanistik und Ethnologie an der Uni Bonn.

Sie bezieht sich auf die Zusammenarbeit mit dem „Haus Völker und Kulturen“(HVK) in Sankt Augustin, dem Museum der Steyler Missionare. Dort können Bonner Studenten beispielsweise erste Erfahrungen in der Ausstellungspraxis machen, einem möglichen späteren Berufsfeld. Dabei denkt Noack aber auch an das Rautenstrauch-Joest-Museum für Völkerkunde in Köln.

Der Leiter des Missionsmuseums, Jerzy Skrabania, im Hauptamt Professor für Kirchengeschichte an der Ordenshochschule gleich nebenan, sieht die Zukunft skeptischer. Die Dauerausstellung auf 1400 Quadratmetern mit einem Teil von insgesamt 10 000 Zeugnissen aus Missionsgebieten in Afrika, in Südostasien von China bis Indonesien und Neuguinea, ist ein Zuschussbetrieb, den der Orden sich nicht viel länger leisten könne. Die Besucherzahlen, keine 2000 im Jahr waren es zuletzt, lassen zu wünschen übrig.

Keine Chance gegen die Ausstellungen anderer Museen

Wohin demnächst mit den Kunst- und Kult-, aber auch Gebrauchsgegenständen, Holzfiguren, Masken oder Musikinstrumenten? Das ist für Skrabania jetzt die entscheidende Frage. Er weiß: Die derzeitige Präsentation der Objekte in Tisch- und Wandvitrinen aus den 1990er Jahren ohne unterstützende Audio- und Videotechnik und moderne Raumgestaltung („Szenografie“) kann heutige Erwartungen kaum erfüllen, zumal im Vergleich mit den „Erlebniswelten“ anderer Ausstellungen in der Bonner Region.

Die trüben Aussichten für das HVK sind kein Einzelfall. Das zeigt ein soeben erschienener Tagungsband über die Lage von rund 80 missionsgeschichtlichen Sammlungen im deutschsprachigen Raum. Die meisten gehören katholischen Orden, die durchweg an personeller und finanzieller Auszehrung leiden. Sammlungen von protestantischer Seite, von der Rheinischen Missionsgesellschaft (seit 1828) und der Bethel-Mission (ab 1886), sind inzwischen im Museum auf der Hardt in Wuppertal zentralisiert.

Das Überleben der Missions-museen ist letztlich aber weniger eine Frage der Organisation als vielmehr der Anschlussfähigkeit ans Hier und Jetzt. Darauf waren sie ursprünglich immer aus, etwa als Werbung für die Mission Arm in Arm mit der Kolonialpolitik des Kaiserreiches (1871-1918).

Die Bonner Ausstellungskuratorin Kathrin Michel empfiehlt jetzt im Anschluss an internationale Experten wie Bénédicte Savoy vom Collège de France, „auch die Geschichte zu zeigen, wie die Objekte ihren Weg in die Sammlung fanden.“ Bloße Herkunftsangaben reichen dafür nicht. Genauere ethnologische, missions- oder kunstgeschichtliche und politische Hintergründe können die Neugier auf die Objekte verstärken, wenn nicht überhaupt erst wecken.

Der „Nickneger“ wurde durch eine Blechdose ersetzt

So klang bei den Gründungsvätern des HVK vor gut 50 Jahren durchaus noch koloniales Denken an: Eine Sammlung aus Neuguinea sollte die Kulturmission der Ordensleute ausdrücken, „die sich in der ehemals deutschen Kolonie um das Wohl und Wehe der Eingeborenen bemühen“. Die Volkswagen-Stiftung stellte für den Ankauf 100 000 D-Mark zur Verfügung, Millionen für den Museumsbau übernahm zur Hälfte die Bundesregierung im nahen Bonn.

Die Geldgeber hofften damals, die Neugründung könne insbesondere „Fachwissenschaftlern dienlich sein“. Diese Zusammenhänge arbeitet Pater Skrabania gegenwärtig in Sankt Augustin in historischen Beiträgen auf – freilich ohne die nötige Unterstützung, um die Erkenntnisse auch museumsdidaktisch veranschaulichen zu können.

Museen, auch missionsgeschichtliche, müssen mit der Zeit gehen. Wie das auch ganz einfach gelingen kann, zeigt das Wuppertaler Museum etwa mit Sammelbüchsen: Mit einem „Nickneger“, der sich für den Einwurf bedankt, den allerdings in den 1970er Jahren ein Nilpferd ablöste, welches inzwischen durch eine neutrale, postkoloniale Blechdose ersetzt wurde.

Buchtipp: Missionsgeschichtliche Sammlungen heute. Hg. vom LVR Köln, LWL Münster. Franz Schmitt Verlag, Siegburg.154 S., 19,90 Euro

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