Ernst Moritz Arndt in Bonn Ein schwieriger Namenspatron

BONN · Die Uni Greifswald hat Ernst Moritz Arndt aus ihrem Titel getilgt. Auch in Bonn hat der Schriftsteller Spuren hinterlassen. Hier sieht man das Thema allerdings wesentlich gelassener.

 Eine Skulptur des Dichters Ernst Moritz Arndt vor dem Hauptgebäude der Universität Greifswald.

Eine Skulptur des Dichters Ernst Moritz Arndt vor dem Hauptgebäude der Universität Greifswald.

Foto: picture alliance / Stefan Sauer/

Dieser knorrige alte Herr, der da bronzen am Alten Zoll steht und unter anderem dem Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium (EMA) seit 1938 seinen Namen gibt, hat Unerhörtes geschrieben wie: Die Franzosen zu hassen, sei „Religion des deutschen Volkes“. Der „Franzmann“ sei nur „stark durch Lügenkünste“. Und die jüdischen Mitbürger seien eine „giftige Judenhumanität“: Sie passten nicht ins Staatengefüge, „weil ich den germanischen Stamm so sehr als möglich von fremdartigen Bestandteilen rein zu erhalten wünsche“. Das verfasste der Publizist vor 200 Jahren, als auch andere Dichter der Befreiung in Rassenhass abglitten.

Ernst Moritz Arndt, ein gebürtiger Norddeutscher, gehört seit rund 200 Jahren zu Bonn. Er wurde hier an der neugegründeten Universität 1818 fast 50-Jähriger Geschichtsprofessor, später sogar Rektor. Wie andere Prominente ist er auf dem Alten Friedhof beigesetzt, im Schatten der mächtigen, wohl von ihm selbst gepflanzten „Arndt-Eiche“. An ihn erinnern nicht nur das Denkmal am Alten Zoll und das Gymnasium. Auch seine Villa in der Nähe des Koblenzer Tores, heute Teil des Stadtmuseums, und eine Straße in Beuel machen Arndt in der Gegenwart präsent.

Wen stört's, wenn heute doch kaum noch jemand etwas von Arndt weiß? Die Uni Greifswald immerhin, an der Arndt zuerst lehrte, sorgte kürzlich für Aufsehen: Mitte Januar tilgte sie in ihrem Namen den Namenspatron, weil der „internationale Studierende und Wissenschaftler“ nur abschrecke. Einen Hauptgrund für die Namenslöschung sieht die Hochschule in Arndts deutschem Nationalismus und Franzosenhass angesichts der napoleonischen Kriege und Fremdherrschaft in Europa.

Berühmt wurde er etwa mit dem Lied „Des Deutschen Vaterland“ (1813). Dazu erklärte der Vorsitzende der Ernst-Moritz-Arndt-Gesellschaft, die die historische Erinnerung an ihren Namensgeber pflegen will, vor ein paar Jahren unumwunden: „Niemand kann bestreiten, dass manche Gedanken, Thesen, Äußerungen und Sprachformeln Arndts weder dem heutigen Zeitgeist noch allgemeinen humanistischen Vorstellungen entsprechen.“ Arndt habe seine Hetze mit besonderer Verve betrieben, meinen einige Wissenschaftler. Mancher nennt ihn „Hassprediger“. Seine Rassentheorie habe direkt in die völkische Nazi-Ideologie geführt.

Öffentliches Vergessen oder Erinnern ist, wie der Historiker Christian Meier sagt, allemal ein Politikum. Im Falle Arndt wird das ganz besonders deutlich: Die Greifswalder Bundestags-Abgeordnete und Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt sich angesichts der Namenstilgung „einigermaßen fassungslos“, ebenso Landtagsabgeordnete von CDU, AfD und der Linken. Denn Arndt war nicht nur Nationalist und Antisemit.

Mit einer historisch-kritischen „Geschichte der Leibeigenschaft in Pommern“ trug er zu deren Abschaffung bei. Die Erinnerung daran schwang gewiss mit, als die „Nationale Front“ der DDR von 1955 bis 1975 eine Medaille mit Arndts Namen („für Leistungen im Kampf um die Sicherung des Friedens“) verlieh. Außerdem war Arndt Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49, die erstmals eine demokratische Verfassung für ganz Deutschland entwarf. Angesichts solcher historischer Verdienste kritisiert der renommierte Politikprofessor Götz Aly die Greifswalder Entscheidung als „Geschichts-Exorzismus“, als quasi-religiöse Teufelsaustreibung außerhalb akademischer Seriosität.

Der Bonner EMA-Schulleiter Thomas Harth sagt: „Wir scheuen die Debatte nicht, auch wenn sich die Diskussion um den Namensgeber regelmäßig wiederholt.“ Im Gegenteil: Das EMA nutze den Namen zur intensiven Auseinandersetzung, wobei es in der aktuellen Auseinandersetzung gar keine neuen Erkenntnisse gebe. In der Bonner Schullandschaft sei „das EMA“ seit langem eine Marke und unverzichtbar.

„EMA steht dabei für eine weltoffene Schule mit Schülern aus über 40 Nationen, mit musischem und MINT-Profil, international vernetzt, sozial engagiert und Kooperationsschule der Universität Bonn.“ Harth teile die Meinung von Stadtarchivar Norbert Schloßmacher, dass man allein durch Ablegen von Namen Geschichte nicht bewältigen und unangenehme Kapitel nicht entsorgen könne. Beim EMA dürfe das übrigens ohnehin nur die Stadt als Träger veranlassen.

Tatsächlich erhielt das Gymnasium (ebenso wie die Straße in Beuel und nicht zuletzt die Greifswalder Hochschule) den Namen Arndts in der Zeit des National-sozialismus. Auch viele andere Städte gaben damals dem Nationalhelden die Ehre. Demgegenüber ist das Bonner Denkmal historisch weniger belastet. Es wurde 1865, fünf Jahre nach Arndts Tod, aufgestellt und trägt seinen Namen ohne irgendeinen Beitext.

Das Arndt-Haus schließlich kam nach dem Tod seiner Frau als Stiftung in die Stadt. Heute dient es, wie die Leiterin des Stadtmuseums Ingrid Bodsch erläutert, in bester Rhein-Lage als Schauplatz ganz unterschiedlicher Kultur-veranstaltungen – nur nicht als Kultstätte für den ehemaligen Hausherrn.

Der Streit um ein Ja oder Nein zur Namenstilgung setzt allseits voraus, dass man aus der Vergangenheit Lehren ziehen könne. Das sei aber nur möglich, „wenn wir auch die Fehler in der Erinnerung mit uns tragen“, sagte einmal der südafrikanische Freiheitskämpfer und Staatspräsident Nelson Mandela. Dieser war deshalb dagegen, Denkmäler und andere Memorabilien für den britischen Kolonialisten Cecil Rhodes als unzeit-gemäß aus der Öffentlichkeit zu entfernen.

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