Walter Frenz und die Uni Bonn Ein Plagiatsdrama in drei Akten

BONN · Seit 2011 streiten ein Professor und seine Doktorandin darüber, wer bei wem abgeschrieben hat. Das Thema kocht nun wegen einer seltsamen Pressemitteilung wieder hoch.

 Wissenschaftliche Texte sind oft Handarbeit und Plagiate oft erst auf den zweiten Blick zu erkennen.

Wissenschaftliche Texte sind oft Handarbeit und Plagiate oft erst auf den zweiten Blick zu erkennen.

Foto: picture alliance / dpa

Vor fünf Jahren scheiterte eine Bonner Doktorprüfung wegen Plagiats der Bewerberin bei ihrem Aachener Betreuer. Oder war es doch umgekehrt? Denn: Jetzt erklärte eine Pressemeldung der Technischen Hochschule in Aachen den Doktorvater für unschuldig – fälschlicherweise, wie der Bonner Fachbereich Jura klarstellt.

Aber von vorne: Seit Ende Juni hieß es auf einer offiziellen Webseite der TH Aachen: „Plagiatsverdacht gegen Prof. Frenz entkräftet“. Zu diesem Ergebnis komme die Kommission zur Aufklärung wissenschaftlichen Fehlverhaltens nach fünf Jahre langen Untersuchungen. Nicht der Doktorvater habe für ein Handbuch bei der Doktorandin abgeschrieben, sondern umgekehrt diese Dutzende Seiten ihrer Dissertation bei ihrem Lehrer.

Die Angelegenheit geht die Uni Bonn direkt an, weil die Doktorprüfung, ermöglicht durch einen Kooperationsvertrag, in Bonn stattgefunden hatte. Denn die Aachener Hochschule hat kein Promotionsrecht für Juristen. Laut der Pressemeldung der TH hat auch die Uni Bonn „eine Überprüfung aller von Prof. Frenz betreuten Dissertationen vorgenommen“ und dabei nach einem aktuellen Bescheid des Bonner Juristen-Dekans Rainer Hüttemann gegen Frenz „keine Beanstandungen betreffend die Einhaltung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis“ erhoben.

Doch stellt Hüttemann gegenüber dem General-Anzeiger klar: Seine Feststellung beziehe sich unmissverständlich nur „auf andere Promotionsverfahren“ mit Frenz, keineswegs auf alle und „nicht auf das Verfahren 2011, in dem ein Plagiatsverdacht bestand“.

Es ist der vorläufig letzte Akt in einem Drama um Ehrgeiz und Ehre auf akademischer Bühne. Wie der Aachener Uni-Kanzler Manfred Nettekoven schon 2011 erklärte, hatte alles damit angefangen, dass gewohnheitsmäßig „Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wissenschaftliche Texte erstellten, die in Handbücher von Professor Frenz eingeflossen sind“.

Aber dann kam es vor fünf Jahren zum Wendepunkt, dem zweiten Akt im Drama, als eine Mitarbeiterin eine Dissertation vorlegte, die seitenlang mit einem Buch von Frenz zum Europarecht übereinstimmte. Wegen einer Babypause hatte die Autorin ihre Doktorarbeit erst eingereicht, nachdem Frenz' Studie schon im Handel war. In einem ersten Gutachten schlug er als Doktorvater eine gute Note vor – und plädierte dann doch auf Ablehnung, nachdem ein Bonner Mitgutachter die Übereinstimmung mit dem Europa-Handbuch entdeckt hatte.

Zunächst behauptete Frenz, dass die stillschweigende Übernahme von Mitarbeitertexten „in den Rechtswissenschaften bei Hand- und Lehrbüchern übliche Praxis“ sei. Das aber kann er kaum ernst gemeint haben. Denn sonst hätte Frenz sich doch „schützend vor die Doktorandin stellen“ können statt sie fallen zu lassen, bemerkt der Bonner Uni-Dozent Gerrit Stumpf in einem juristischen Fachaufsatz. Tatsächlich erkannten die Bonner Rechtsgelehrten keine Täuschungsabsicht seitens der Bewerberin. Vielmehr gaben sie die Promotionsschrift wegen der Dubletten „zur Überarbeitung“ zurück – und kündigten gleichzeitig jede weitere Zusammenarbeit mit Frenz auf.

Mit dem Sommermärchen über den nun angeblich erteilten Freispruch von Frenz eröffneten seine Professorenkollegen in der Fachgruppe „Rohstoffe und Entsorgungstechnik“ nun nach Jahren den dritten Akt des Schauspiels um akademischen Lug und Trug im Namen der Wahrheit. TH-Rektor Ernst Schmachtenberg ließ die Pressemeldung löschen; er habe sie nie genehmigt. Aber was steckte denn dahinter?

Mit dem scheinbar amtlichen Posting wollte Frenz offenbar kritische Medienberichte von 2011 über ihn abändern oder ganz löschen lassen. Aber die entsprechenden Verlage renommierter Zeitungen machten das nicht mit. Seit dem „Google-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofes vor zwei Jahren gibt es zwar je nachdem ein „Recht auf Vergessenwerden“.

Aber wie der Münchener Rechtsprofessor und Plagiats-experte Volker Rieble schreibt: Jeder Wissenschaftsautor muss damit rechnen, „dass sein Werk in jeder Hinsicht diskutiert wird – auch mit Blick auf dessen Herkunft. Wissenschaft ist gefährlich.“ Aber nicht unbedingt ganz: Der TH-Rektor beabsichtigt keine disziplinarrechtliche Aufarbeitung.

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