Forschungsschiff am Brassertufer Die MS Wissenschaft hat in Bonn festgemacht

BONN · Das Ausstellungsschiff MS Wissenschaft präsentiert aktuelle Meeresforschung auf dem Rhein. An Bord herrscht aquatische Stimmung.

 Abtauchen in eine andere Welt: Beleuchtete Exponate im Ausstellungsbereich über die Tiefsee auf der „MS Wissenschaft“.

Abtauchen in eine andere Welt: Beleuchtete Exponate im Ausstellungsbereich über die Tiefsee auf der „MS Wissenschaft“.

Foto: Benjamin Westhoff

Große Fische, kleine Fische – so heißt das Exponat, dass aus einem blau ausgekleideten Becken besteht, gefüllt mit Kunststofffischen unterschiedlicher Form und Größe: Dorsche, Heringe und Schollen. Dr. Julia Hoffmann von der Universität Kiel nimmt einen der kleineren Fische aus dem Becken und legt ihn auf eine Messskala. Auf einem aufleuchtenden Bildschirm wird nun angezeigt, ob man diesen Fisch fangen dürfte oder nicht.

Hoffmann ist Expertin für Umwelt- , Ressourcen-, und ökologische Ökonomik. Ihr Spezialgebiet ist nachhaltige Fischerei – dies bedeutet, es wird nur so viel gefischt, wie nachwachsen kann. Doch Profit zählt, und wenn die großen Fische nicht mehr da sind, werden auch kleinere gefischt. Das daraus resultierende Schrumpfen der Populationen ist ein Problem, das fast alle beliebten deutschen Speisefische betrifft. Von Nachhaltigkeit keine Spur.

Das Becken gehört zur aktuellen Ausstellung „Meere und Ozeane. Entdecken. Nutzen. Schützen.“ der MS Wissenschaft. Das Ausstellungsschiff des Bundesministeriums für Bildung und Forschung zeigt im Wissenschaftsjahr 2016/17 die Arbeit der Meeresforschung und geht in insgesamt 42 Städten vor Anker. Bonn ist in diesem Jahr Startpunkt der Tour.

800 Bonner kamen im vergangenen Jahr

„Bonn ist eine sehr bildungs- und wissenschaftsorientierte Stadt“, sagte Wilfried Kraus vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zum Auftakt. „Ich bin sehr froh, dass wir das Schiff noch einmal hier haben“, sagte Martin Schumacher, Wissenschaftsdezernent der Stadt Bonn. Im vergangenen Jahr hatten rund 800 Bonner einen Blick unter Wasser geworfen.

Nachhaltige Fischerei ist nur eines von vielen Themen, die auf der MS Wissenschaft zu erfahren sind. Auch die zunehmende Verschmutzung der Meere durch Plastik sowie die Rolle der Meeresströme für unser Klima haben Platz auf dem Ausstellungsschiff. Außerdem bekommen die Besucher einen Einblick in die Tiefsee und Polarmeere und sehen die Fischerei im Licht von Kultur und Religion. Das Thema des Wissenschaftsjahres 2016/17 lautet „Meere und Ozeane“ und soll nach Markus Weißkopf, Geschäftsführer von „Wissenschaft im Dialog“, gerade junge Menschen die Umweltproblematik, aber auch die Schönheit und Größe der Weltmeere nahebringen.

Dass die Ausstellung auf einem Schiff stattfindet, könnte passender nicht sein. Schon beim Betreten des Schiffes taucht man buchstäblich ins Wasser ein. Die nach unten führende Treppe geleitet die Besucher in einen dämmrigen Raum, der vor allem von drei Farben dominiert wird: Mit Hellblau geht es an Küsten und Hochsee, Weiß führt die Besucher ins Eismeer, und Dunkelblau lässt sie abtauchen, hinab in die Tiefsee. Dazu Meeresrauschen und Möwenschreie. Die mittels Geräuschen und Filmen erzeugte Stimmung ist aquatisch.

Per VR-Brille zum Korallen-Tauchgang

In einem Ausstellungskasten hängen Jacke und Stiefel für eine Polarexpeditionen, über die Wände flackern filmische Erfahrungsberichte von Forschern. Beleuchtete Lebewesen der Tiefsee, eingelegt in Alkohol, erzeugen in dem abgedunkelten Raum eine gruselige Atmosphäre, daneben liegen Manganknollen.

Ein paar Meter weiter lädt eine Virtual-Reality-Brille zu einem Tauchgang und der hautnahen Erkundung eines Korallenriffes ein. Daneben stehen mehrere Touchscreens zur Verfügung. „Am meisten lernt man, wenn man Spaß hat“, sagt Weißkopf. Gleichzeitig soll die Ausstellung auch zum Nachdenken anregen. Denn: „Meere sind Klimamaschinen“, erklärt Kraus. Wichtige Meeresbewegungen wie der Golfstrom und der Humboldtstrom sind verantwortlich für die milden Temperaturen Europas, sowie die kalten oder trockenen Küsten Südamerikas.

Die Bedeutung der Ströme, ebenso wie die Plastikproblematik und Überfischung der Gewässer müssen im Bewusstsein der Bevölkerung ankommen, denn auch und gerade als Verbraucher habe man Einfluss. „Nachhaltig wird es nur, wenn wir unser eigenes Verhalten ändern“, so Kraus. Auch die Gewinnung von Rohstoffen, sowie nachhaltige Energieerzeugung werden auf der MS Wissenschaft thematisiert.

Abgebildet ist der aktuelle Forschungsstand

Sämtliche Mitmach-Stationen der Ausstellung basieren auf dem aktuellen Stand der Forschung und sind von Wissenschaftlern konzipiert und aktualisiert worden. „Das ist etwas ganz besonderes“, sagt Weißkopf. Zur Vorstellung der einzelnen Exponate sind Wissenschaftler aus Kiel, Hamburg und Florenz an den Rhein gereist.

Die Beiträge der mobilen Exposition stammen von rund 20 Forschungseinrichtungen und wissenschaftlichen Instituten wie beispielsweise dem Frauenhofer-Institut oder dem Max Planck-Institut. Mehr als 40 Städte hat die MS Wissenschaft vergangenes Jahr im Norden Deutschlands besucht. Dieses Jahr ist Bonn der Startpunkt für eine weitere Reise in den südlichen Teil, mit 41 folgenden Stationen in Deutschland und Österreich. Im Oktober wird das ehemalige Binnenschiff schließlich in Straubing ein letztes Mal anlegen.

Die MS Wissenschaft liegt noch bis Donnerstag, 27. April, am Brassertufer vor Anker. Die Ausstellung ist von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

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