Forschung in Wachtberg Datenfusion gegen Datenkonfusion

BONN · Im Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie in Wachtberg untersuchen Experten Kombinationsmethoden für Sensordaten. Das klingt kompliziert, ist aber schon heute aus dem Alltag kaum noch wegzudenken.

 Moderne Technik liefert einen steten Wust von Daten, etwa aus Akustiksensoren. Das FKIE in Wachtberg erforscht, wie sich da Ordnung hineinbringen lässt.

Moderne Technik liefert einen steten Wust von Daten, etwa aus Akustiksensoren. Das FKIE in Wachtberg erforscht, wie sich da Ordnung hineinbringen lässt.

Foto: FKIE

Was eine Amöbe kann, sollte ein Computer eigentlich ebenfalls mühelos hinbekommen. Eigentlich. Doch zumindest bei der Verarbeitung von Sinneseindrücken beziehungsweise sensorischen Impulsen ist es für die scheinbar übermächtige Technik gar nicht so einfach, mit Kleinstlebewesen mitzuhalten - vor allem, wenn verschiedene Informationen kombiniert werden und daraus ein Abbild der wahrgenommenen Welt entstehen soll. Gleichzeitig wird diese "Sensordatenfusion" immer wichtiger, nicht nur in der Robotik, sondern auch in Sicherheits- und Logistik-Systemen.

Etliche Wissenschaftler beschäftigen sich mit derartigen Fragestellungen. Auch Wolfgang Koch vom Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie (FKIE) in Wachtberg, der vor drei Wochen zum außerordentlichen Professor an der Uni Bonn ernannt wurde. An der Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und Anwendungsbezug arbeitet er an zahlreichen Projekten mit, beschäftigt sich mit der Drohnenabwehr ebenso wie mit autonomem Fahren - und mit dem Aufspüren von Gefahrstoffen in Menschenmengen.

"Genau genommen modellieren wir in der Sensordatenfusion etwas, was jedes Lebewesen bereits automatisch macht", erklärt der 55-Jährige, der die FKIE-Abteilung für Sensordaten und Informationsfusion seit 2002 leitet. "Ein Mensch verknüpft ja kontinuierlich die Informationen, die ihm Augen, Ohren, Nase, Zunge und Haut mitteilen. Wir versuchen, diese Prozesse zu verstehen und so gut es geht zu adaptieren, um im weitesten Sinne kognitive Maschinen zu bauen."

Dabei stehen auch militärische Anwendungen im Fokus, wie Koch unumwunden zugibt. "Vieles, was wir heutzutage im Alltag benutzen, hat in diesem Bereich seinen Anfang genommen", betont er. "Der Vorläufer des Internets, das Arpanet, entstand im Auftrag der US-Luftwaffe, ebenso wie zum Beispiel das GPS oder auch moderne OP-Roboter. Gleiches gilt für die Sensordatenfusion."

Die ist heutzutage aus dem Alltag kaum noch wegzudenken - und wird von Jahr zu Jahr wichtiger. "Jedes Fahrassistenzsystem, jedes Navigationsgerät und jedes Smartphone ist darauf angewiesen, ebenso wie all das, was gerne als “Internet der Dinge„ beschrieben wird", sagt Koch. "Das Problem ist auch längst nicht mehr, an Daten zu gelangen - sondern vielmehr, die richtigen auszuwählen und sie dann effizient zu verarbeiten. Wenn das nämlich nicht gelingt, kommt es zur Datenkonfusion."

Demzufolge sieht Koch das größte Zukunftspotenzial auch bei den Algorithmen. "Die Sensoren lassen sich zwar immer noch verbessern, aber mit Ausnahme der chemischen und biochemischen Sensorik sind da eigentlich keine großen Durchbrüche mehr zu erwarten", behauptet er. "Ich würde daher auch sagen, dass wir inzwischen im Zeitalter der Mathematik angekommen sind. Für uns geht es um die Auswertung der Daten-ströme. Wie stellen Sie zum Beispiel sicher, dass die Informationen nicht kompromittiert worden sind und dass die richtigen Werte dann auch an die richtigen Stellen weitergegeben werden? Oder wie beschreiben Sie unscharfe Informationen, die beim menschlichen Auge ja zum Beispiel durch den blinden Fleck entstehen und vom Gehirn komplettiert werden?"

Filterung und Verknüpfung von Daten geht somit Hand in Hand. Wichtig ist dabei, dass die Quelle der Informationen eindeutig identifizierbar ist und dass man nach Möglichkeit gleich ganze Messreihen zur Verfügung hat. "Raum und Zeit sind immer der Kniff bei der Datenfusion", sagt Koch und verweist etwa auf ein Detektorsystem, das er und sein Team zum Aufspüren von radioaktiven Materialien in großen Menschenmengen entwickelt haben.

"Stellen Sie sich vor, jemand kommt mit einem Gefahrstoff in den Kölner Hauptbahnhof - dann bringt es Ihnen wenig, wenn an einer einzelnen Stelle ein Alarm ausgelöst wird. Sie müssen ja wissen, wo die Person hingeht, und Sie müssen sie identifizieren können. Also brauchen Sie eine Vielzahl von Messgeräten, die eine Route des Stoffes liefern, die wiederum mit Kameraaufnahmen abgeglichen werden kann." Ähnliches gelte für die Detektion von Drohnen in einem gesperrten Gebiet. "Auch da brauchen Sie kontinuierliche Signale unterschiedlicher Art, also Bild, Ton, Radar. Ein einzelner Datensatz hilft Ihnen in der Regel nicht weiter." Aber gemeinsam sind sie stark.

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