Klinik für Neurologie und Alterspsychiatrie in Bonn Brückenschlag im Dienste der Patienten

BONN · Am Universitätsklinikum Bonn ist die erste kombinierte Klinik für Neurologie und Alterspsychiatrie gegründet worden. Das soll aber nur der erste Schritt sein, denn die Uniklinik hat viel vor.

Inhaltlich sind sie schon längst zwei Seiten der selben Medaille, jetzt wachsen Neurologie und Psychiatrie auch institutionell zusammen: Am Universitätsklinikum Bonn öffnet Anfang März die deutschlandweit erste kombinierte Klinik für Neurodegenerative Erkrankungen und Gerontopsychiatrie, in der sich Ärzte beider Fachrichtungen mit Demenz in all ihren Varianten beschäftigen – Depressionen, Phobien und anderen Problemen. Im Mittelpunkt sollen dabei vor allem die Einschränkungen älterer Patienten stehen – nicht umsonst bildet die seit Jahren erfolgreiche Gedächtnisambulanz, in der die Interdisziplinarität bereits gelebt wird, das Kernstück der neuen Einrichtung.

„Es gibt gerade in diesem Bereich unglaublich viele Überlappungen“, betont Professor Michael Heneka, der zusammen mit seiner Kollegin Anja Schneider die Klinik leitet. „Alzheimer oder andere Diagnosen können schnell Psychosen, Ängste oder etwa ein Suchtverhalten auslösen; oft gehen die Krankheitsbilder Hand in Hand. Daher ist es essenziell, Brücken zu schlagen, denn nur so können wir unseren Patienten die bestmögliche Versorgung bieten.“

„Inzwischen wissen wir, dass zum Beispiel auch eine Depression organische Ursachen haben kann“, sagt Schneider. „Und häufig treten bei Altersdepressionen auch Gedächtnisdefizite auf. Umgekehrt gibt es bei vielen neurodegenerativen Erkrankungen im Frühstadium depressive Symptome. Deswegen ist es sinnvoll, wenn bei einer Therapie beide Fachbereiche zusammenarbeiten. Mit der neuen Klinik haben wir endlich die dafür nötigen Räumlichkeiten. Neben den Ambulanzen, die es zum Teil ja schon gibt, haben wir jetzt auch die Möglichkeit einer stationären Behandlung.“

Disput um Alzheimer hat sich entspannt

Die neue Klinik verfügt über 15 Betten in einer gerontopsychiatrischen Tagesklinik, insgesamt 34 Betten in einer offenen und einer geschlossenen Station sowie 10 Betten auf einer Spezialstation für neurodegenerative Erkrankungen. Angesichts der genannten engen Verzahnung von Neurologie und Psychiatrie ist die Zusammenarbeit im klinischen Alltag nur logisch – wäre da nicht der Disput um Alzheimer. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Ländern sehen sich in Deutschland Vertreter beider Fachrichtungen für diese Krankheit zuständig und stehen mitunter in einer Art Konkurrenzsituation um die Deutungshoheit.

Doch gerade in den letzten Jahren hat sich dies entspannt. Und in Bonn hat die Kooperation ohnehin eine lange Tradition, betont Heneka, „nicht nur durch die neuro-logisch-psychiatrische Zusammenarbeit in der Gedächtnis-ambulanz, sondern auch durch die enge Verzahnung mit dem Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen“. Die neue Klinik soll dies auf eine neue Ebene heben und damit die Ärzte auf die in Zukunft erwartete größere Zahl an Patienten vorbereiten.

„Uns steht aufgrund der ständig steigenden Lebenserwartung ein Tsunami an Alzheimer- und Demenzkranken bevor“, prognostiziert Heneka. „Gerade deshalb konzentrieren wir uns bei unserer Arbeit auch auf die älteren Patienten. Sie alle haben ein Recht darauf, dass wir ihnen mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln helfen. Durch die Verbindung zum DZNE haben wir aber die große Chance, sowohl Grundlagen- als auch klinische Forschung durchführen zu können.“ Dies erlaube es, zum Beispiel mit experimentellen Therapieformen zu arbeiten, wenn der jeweilige Patient dafür geeignet sei.

Angebot für Menschen mit Migrationshintergrund

„In der Neurologie haben wir zum Beispiel neue Erkenntnisse darüber gewonnen, wie das Immunsystem Einfluss auf Alzheimer nimmt. Wir planen nun, dieses Wissen in klinische Studien zu überführen, um vielleicht dadurch bessere Behandlungsmethoden oder sogar ein Heilmittel zu finden.“ Versprechen könne er da natürlich nichts, aber die Hoffnung sei da, sagt Heneka.

Gleichzeitig betonen die Mediziner, dass die Klinik nur der erste Schritt sein kann. „Wir haben noch einiges vor“, sagt Schneider. „So sind wir gerade dabei, unser Angebot für Menschen mit Migrationshintergrund auszubauen“. Unter anderem würden bald Demenztests in arabischer Sprache vorliegen.

„Und letztendlich müssen wir diagnostisches und therapeutisches Angebot auch für andere Abteilungen zugänglich machen. Denn auch dort werden vermehrt Patienten behandelt werden, die möglicherweise an einer Demenzerkrankung leiden oder nach einer Operation Beeinträchtigungen spüren, seien es Gedächtnisstörungen oder gar einen akuten Verwirrtheitszustand, den Delir. Unser Ziel ist es daher, auch die behandelnden Ärzte aus diesen Fachbereichen zu informieren und zu sensibilisieren.“ Das, so sagen Heneka und Schneider einstimmig, seien sie den Patienten einfach schuldig.

Terminvereinbarungen für die Klinik für Neurodegenerative Erkrankungen und Gerontopsychiatrie, die Anfang März ihren Betrieb im neuen NPP-Gebäude (Neurologie, Psychiatrie, Psychosomatik) aufnimmt, sind ab jetzt für die Gerontopsychiatrie inklusive Demenzerkrankungen (Telefon 0228/287-15715, E-Mail: ruth.reinfeldt @ukbonn.de) sowie für Neurodegenerative Erkrankungen (Telefon 0228/287-13091, E-Mail: anke.kraemer @ukbonn.de) möglich.

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