Kein üblicher Beruf Bonner Radioastronom ist immer unterwegs

Bonn · Bernd Klein hat keinen üblichen Beruf. Auf der Jagd nach dem Unbekannten im All reist der Radioastronom um die Welt. Ansonsten forscht und lehrt er am Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie und an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Es blitzt und blinkt im Büro von Bernd Klein. Im Regal steht sein Doktorhut. Darauf stehen unter anderem ein Teleskop und eine blitzende Radaranlage. Drumherum blinken kleine LED-Lichter auf. Klein sitzt in seinem Schreibtischstuhl. Er trägt ein graues Karohemd, darüber eine Strickjacke. Bernd Klein ist Abteilungsleiter für „Digitale Signalverarbeitung“ und „Submillimeter-Technologie“ am Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie, kurz MPIfR. Außerdem ist er Professor an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg (H-BRS). Dort lehrt er im Winter-semester das Modul „Elektrotechnik“, in dem er von seiner Arbeit mit astronomischen Instrumenten erzählt.

An der Wand in seinem Büro hängt ein Bild von ihm – mit einem Riesenkaninchen im Arm. „Deutsche Riesen nennt man sie, meine liebsten Haustiere“ sagt er. Zu Hause steht eine große Stall-anlage, in der die Kaninchen wohnen könnten. Die Anlage ist aber zurzeit leer, denn durch seine Arbeit ist er zu viel unterwegs. Allein dieses Jahr war er bereits zweimal am APEX-Teleskop in Chile, inzwischen ist er unterwegs zu dem Flugzeugobservatorium SOFIA in Neuseeland.

SOFIA ist eine umgebaute Boeing 747 mit einem Radioteleskop im Rumpf. An Bord ist das Fern-Infrarot-Spektrometer GREAT, mit dem astronomische Beobachtungen hochauflösend dargestellt werden können. SOFIA ist ein Gemeinschaftsprojekt der NASA und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Der GREAT-Empfänger entstand durch die Zusammenarbeit des MPIfR, der Universität zu Köln und dem DLR-Institut für Optische Sensorsysteme in Berlin. Mit diesem Empfänger an Bord sind seit dem Jahr 2011 inzwischen mehr als 150 erfolgreiche Forschungsflüge durchgeführt worden.

Technische Entwicklung von upGREAT übernommen

Im Oktober 2018 hat Bernd Klein die technische Weiterentwicklung von upGREAT übernommen, dem verbesserten Nachfolgeempfänger von GREAT. „Teleskop ist nicht gleich Teleskop“, sagt Klein. „Die Beobachtungsfrequenzen unterscheiden sich erheblich“. Ein Problem für bodengebundene Observatorien ist: Der Wasserdampf in der Atmosphäre stört die Beobachtung bei hohen Frequenzen. SOFIA aber fliegt in 13 bis 14 Kilometern Höhe und kann so dieses Hindernis überwinden.

So gelang es dem Forscherteam um Rolf Güsten vom MPIfR 2018, das älteste Molekül des Universums zu entdecken: Das Heliumhydrid-Ion HeH+ war das erste Molekül, welches nach dem Urknall vor knapp 14 Milliarden Jahren im noch jungen Universum entstand. 1925 wurde das Molekül im Labor nachgewiesen, doch es gelang bislang nicht, HeH+ im Weltall zu belegen. Die Entdeckung ist deshalb eine Sensation. „Das Molekül erzählt uns vom Anfang unseres Universums.“ so Klein. Er war an Bord, als das Heliumhydrid-Ion zum ersten Mal beobachtet wurde. „Das Faszinierende an meinem Beruf ist die Gewissheit, dass man etwas tut, was vorher noch nie jemand getan hat“, sagt er. Vor Kurzem erschienen die Ergebnisse in der Zeitschrift Nature.

Nach der großen Entdeckung plant Klein bereits seine nächste Reise, diesmal nach Neuseeland. Auf seinem Schreibtisch klappt er ein großes Stück Papier auf. Es ist der Flugplan für SOFIA. Darauf sind alle Flüge verzeichnet – sie tragen Namen wie „BRUTUS“ oder „BADEN“. Wenn SOFIA am 3. Juni von Neuseeland aus wieder abhebt (diesmal mit upGREAT und dem 4GREAT Empfänger an Bord), wird der erste Flug „CHESTER“ heißen. Klein wird an Bord mit einer Mannschaft von etwa 20 Personen arbeiten. Zu ihnen gehören Piloten, Teleskopoperateure, Astronomen und Instrumentenbediener wie Bernd Klein. Er ist für den Empfänger zuständig und stellt sicher, dass alles funktioniert. Bis zum 28. Juni sind zwölf bis 14 Flüge geplant, bei acht davon wird Klein dabei sein.

Nicht viel Freizeit

Da bleibt nicht viel Freizeit. Klein sieht das aber gar nicht als Problem; er sieht seine Arbeit nicht als Arbeit. „Als Wissenschaftler arbeiten wir nicht“, sagt er: „Wir leben unsere Faszination. Vor 14 Jahren schrieb er seine Doktorarbeit über „Pulsare“: Das sind rotierende Neutronensterne, ein Endstadium massenreicher Sterne. „Unsere Tochter sagte “Pulsar„, bevor sie “Papa„ sagen konnte“, berichtet er und muss dabei schmunzeln. Auch zu Hause geht es meistens um Astronomie. Aber dort ist er eher selten. Als sein Stall noch voll mit Deutschen Riesen war, baute er eine „Hasi-Cam“. So konnte er auch auf Forschungsreisen nach seinen Kaninchen schauen. „Für mich bedeutet Urlaub, mal daheim zu sein“, sagt Klein. Wenn der Bonner SC spielt, geht er gern ins Stadion. „Dann vergesse ich für 90 Minuten mal die Astrophysik.“

Aber sobald es dunkel wird, setzt sich Bernd Klein oft wieder an den PC und schaut sich die aktuellen Beobachtungen der Teleskope an. Seine Neugier für die Astronomie findet auch zu Hause kein Ende. Er beugt sich vor, seine Stimme ist ruhig, als er sagt: „Wenn wir uns den Sternenhimmel ansehen, sehen wir nur einen Bruchteil dessen, was existiert. Uns Radioastronomen interessiert das, was wir nicht sehen können.“

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