Seltenes Naturschauspiel Bonner Forscher untersucht frisch geschlüpften Dumbo-Oktopus

Bonn · Die Tiere sind extrem selten und kommen nur in der Tiefsee vor. Ein Fund aus dem Jahr 2005 bringt nun erstaunliche Erkenntnisse zum Leben der Dumbo-Oktopusse.

Der Dumbo-Schlüpfling kurz nach dem Verlassen der Eikapsel, die gut zwei Zentimeter lang ist.

Der Dumbo-Schlüpfling kurz nach dem Verlassen der Eikapsel, die gut zwei Zentimeter lang ist.

Foto: SHANK/NOAA OFFICE OF EXPLORATION AND RESEARCH

Forscher der Universität Bonn befassen sich seit vielen Jahren mit speziellen Meeresbewohnern. Nun hat einer von ihnen eine außergewöhnliche Entdeckung aus der Tiefsee untersucht: Dort lebt der sogenannte Dumbo-Oktopus, über den es bisher nur sehr spärliche Erkenntnisse gibt.

Wie über so viele Bewohner des Meeresbodens, ist auch über Vertreter der Gattung Grimpotheutis bislang wenig bekannt. Es handelt sich dabei um Tiefseekraken, die wegen ihrer markanten, elefantenohrartigen Flossen nach dem Trickfilmhelden Dumbo benannt wurden. Bereits im Jahr 2005 gelang es dem Biologen Dr. Timothy Shank von der Wood Hole Oceanographic Institution auf einer Expedition im Nordatlantik, einen solchen Oktopus bei der Geburt zu beobachten und das Tier für weitere Analysen zu konservieren. „Es war das erste Mal, dass ein solcher Tiefsee-Oktopus direkt beim Schlüpfen beobachtet wurde“, sagt Dr. Elizabeth Shea vom Delaware Museum of Natural History. Mit beiden Wissenschaftlern haben die Forscher der Uni Bonn zusammengearbeitet.

Dr. Alexander Ziegler, Leiter der Arbeitsgruppe für 3D-bildgebende Verfahren in der Morphologie der Tiere am Institut für Evolutionsbiologie und Ökologie der Uni Bonn, präsentiert nun im Fachjournal „Current Biology“ gemeinsam mit den genannten Kollegen und dem des Universitätsklinikum Münster die daraus entstandenen neue Erkenntnisse zum frühen Leben dieser Kopffüßer: Die jungen Grimpotheutis aus der Ordnung der Cirrentragenden Kraken sind bereits in ihrer wenige Zentimeter großen Eikapsel auf sich allein gestellt.

Das Überraschende: Während zahlreiche Arten von Kraken vor allem flacherer Gewässer dafür bekannt sind, ihr oftmals verstecktes Gelege monatelang und mit großem Aufwand zu beschützen, sauber zu halten und ihm sauerstoffreiches Wasser zuzufächeln, scheinen die Weibchen der Gattung Grimpotheutis die Eier im Geäst von Kaltwasserkorallen abzulegen und sich anschließend zu entfernen.

An einer solchen Koralle klebend, wurde das nun untersuchte Exemplar im Jahr 2005 von einem Tauchroboter aus 2000 Metern Tiefe an Bord des US-Forschungsschiffes Ronald H. Brown gebracht, wo es schlüpfte und sofort zu schwimmen anfing – Shank hielt dies damals auf Video fest. „Wie das Video von Dr. Shank zeigt, bewegt sich der Dumbo-Oktopus sofort wie ein zehn Mal größeres erwachsenes Tier“, sagt der Bonner Forscher Ziegler.

Später wurde am Universitätsklinikum Münster mittels Magnetresonanztomographie (MRT) ein Abbild der inneren Organe des Oktopus generiert, Ziegler erstellte daraus dann ein dreidimensionales Modell. Die Forscher bemerkten, dass die frischgeschlüpften Tiere einen großen Dottersack besitzen, dass aber ihr Nervensystem und die inneren Organe bereits denen der erwachsenen, meist 20 bis 30 Zentimetern langen Grimpotheutis gleichen. Warum die Brutpflege bei der vorliegenden (noch nicht bestimmten) Art so wenig Bedeutung hat, ist derzeit noch nicht bekannt.

Ziegler forscht schon länger zu Dumbo-Oktopussen – von einer Forschungsfahrt im Nordpazifik im Sommer 2016 brachte er etwa neben Hunderten weiterer Proben einen Vertreter mit nach Endenich, um ihn wie das 2005 gefilmte Exemplar im 3D-Modell zu begutachten (der GA berichtete).

Der nun veröffentlichte Fund hebt jedoch einmal mehr die Bedeutung der – wie die Dumbo-Oktopusse – weltweit verbreiteten Kaltwasserkorallen für Ökosysteme der Tiefsee hervor. In ihrer Veröffentlichung machen die Forscher daher auch darauf aufmerksam, dass Rohstoffschürfung und die Grundschleppnetzfischerei eine Gefahr für Tiefseekorallen und mit ihnen lebende, oft unerforschte Lebewesen darstellen. Weitere Erkenntnisse über den Dumbo-Oktopus könnten daher von wirksamem Schutz der Meere abhängen.

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