Menschen an der Uni Bonn Bernd Krupp verteilt die Post an der Uni Bonn

BONN · Bernd Krupp hat jeden Tag aufs Neue Lust, für die Uni Bonn Post auszufahren. Der Grund: Er kommt viel rum und trifft viele freundliche Menschen.

Es wäre falsch zu behaupten, Bernd Krupp hätte einen aufregenden Job. Oder dass seine Tätigkeit in irgendeiner Form spektakulär wäre. Ganz im Gegenteil: Bernd Krupp, 55, Turnschuhe, Jeans, blau-weiß gemustertes Hemd, Haarkranz, fährt hauptsächlich Post durch die Stadt, von Uni-Gebäude zu Uni-Gebäude. Aber er tut das mit einer gewissen Leidenschaft, vor allem, weil er vor acht Jahren zur richtigen Zeit am richtigen Ort war – und Glück hatte.

Der gelernte Maschinenschlosser war irgendwann in seinem Berufsleben zum Straßenbauer geworden – und hätte man ihn nicht gefragt, ob er aushilfsweise einen Fahrerjob an der Uni übernehmen wolle, er stünde wohl noch heute am Asphaltmischer. „Doch der arme Kollege, den ich vertreten hab', hatte Krebs. Sein Pech war mein Glück, und ich hatte den Job“, sagt Krupp. Seine Gesundheit wird es ihm im Alter hoffentlich danken.

„Ich komme viel rum und sehe viele freundliche Menschen, das ist sehr schön“, sagt Krupp, während er mit rund 30 Sachen eines der vielen Gebäude der Hochschule ansteuert, die er an einem Arbeitstag so abarbeitet. Nicht dass das Elektroauto grundsätzlich langsam wäre, doch Krupp, der auch Schöffe am Landgericht ist, bewegt den Streetscooter, den sonst vor allem die Post zur Briefzustellung benutzt und auch selbst herstellen lässt, gern etwas gemächlicher durch Bonn. Immerhin ist er „schon ein paar Mal fotografiert worden“ – doch wer für seine Knöllchen in der 30er-Zone nur 15 Euro zahlt, kann keinen ausgeprägten Bleifuß haben.

Es soll aber auch gar nicht der Eindruck entstehen, dass Bernd Krupp einen lauen Job hätte. Sein Tag ist eng getaktet, vor allem seitdem die Uni nur noch vier statt acht Mitarbeiter auf der Poststelle beschäftigt: In fünf unterschiedlichen Touren fährt er ab 7 Uhr morgens Briefe und Pakete von der Uni-Poststelle im Hauptgebäude zu rund 70 Gebäuden, die über die ganze Stadt verteilt sind. Während er unterwegs ist, bereiten zwei Mitarbeiter in der Poststelle die näch-sten Touren vor, frankieren und sortieren Briefe oder bearbeiten Pakete – damit Krupp wieder beladen und durchstarten kann.

"Eigene Gesetze" für den Post-Fahrer

Rund 60 Kilometer kommen so täglich zusammen – im Stadtverkehr und auf den Flächen der Uni, auf denen Krupp auch über breitere Gehwege und entgegen einiger Einbahnstraßen fahren darf. „Für mich gelten eigene Gesetze“ sagt er und lacht.

Doch was nach Outlaw klingt, hat natürlich praktische Gründe: Krupp fährt bis zur Eingangstür der Gebäude, steigt aus, entlädt Post, gibt sie ab, nimmt andere entgegen, verstaut sie, steigt ein, fährt wenige 100 Meter, und das Ganze beginnt von vorn. 30 Schlüssel und drei elektronische Tür- und Schrankenöffner sind stets an Bord, damit er überall durch- und reinkommt. Würde er nur offizielle Straßen benutzen dürfen, wäre das zeitlich gar nicht machbar, da viel mehr Laufarbeit notwendig wäre.

Auf dem neuen Campus in Poppelsdorf – „ein Filetstück der Uni“, wie der Postfahrer sagt – wird es dann plötzlich doch noch gefährlich. Nicht für Krupp, sondern für die Studenten, die in der Sonne über die Wege schlendern – und den von hinten nahenden Krupp in seinem kleinen und vor allem sehr leisen Elektromobil nicht auf dem Schirm haben. „Man hört mich einfach nicht“, sagt Krupp. Gerade Fahrradfahrer erschrecken oft beim Blick zurück – Krupp muss in solchen Situationen wachsam sein, insbesondere in den dunklen Morgenstunden.

In seinem Wagen, den das Jubiläumslogo der Uni ziert, ist es hingegen erstaunlich laut. Das dezente Surren des Elektromotors wird vom Radio und vor allem den Fahrgeräuschen, die aufgrund der geringen Dämmung des Kunststoffmobils ins Innere dringen, locker übertönt. 35 000 Euro hat die Uni für den Scooter im Herbst 2017 bezahlt. Für den kommenden Winter wird aber ein neues Fahrzeug gestellt – in der kalten Jahreszeit wurde es mit der Reichweite schon mal knapp, denn Krupp will schließlich nicht frieren. Da aber die Heizung und die Kälte Strom ziehen und die Reichweite sinken lassen, wird der Wagen gegen ein Modell mit mehr Power ausgetauscht.

Fachsimpeln unter Schalke-Fans

Plötzlich klingelt das Handy. Krupps Mutter ist dran. Der rheinische Slang dringt dank Freisprechanlage über die Boxen ins Auto: „Hörens, Bernd ...“. Doch Bernd hört nur kurz zu und beendet dann das Gespräch. Wie seine Mutter ist er Rheinländer durch und durch. Und noch viel mehr ist er Rheinbacher. Das Elternhaus in Wormersdorf hat er nie verlassen, sondern seine Eltern, die Krupp und seiner Lebensgefährtin das Haus überlassen haben. „55 Jahre immer dieselbe Adresse“, sagt Krupp stolz. „Und das wird sich auch nicht mehr ändern.“

Dafür fährt er schließlich im Beruf von Adresse zu Adresse: Institut für Anorganische Chemie, Poppelsdorfer Schloss, Limes-Institut, AVZ I bis III – er kennt sie alle. Hin und wieder ist auch mal Zeit für ein Schwätzchen. Eine Lieblingsstation hat Krupp zwar nicht, aber in einem Gebäude wartet sein Lieblingskollege, der genau wie er Schalke-Fan ist. Da wird dann auch mal eine Viertelstunde gefachsimpelt – Ehrensache unter Dauerkarteninhabern.

Bernd Krupp hat es sich gemütlich gemacht in seinem Leben. „Ich gehe jeden Tag mit guter Laune zur Arbeit“, sagt er. Und nachdem um 15 Uhr die letzte Tour gefahren ist, steht um 16 Uhr zu Hause das Essen auf dem Tisch. „Auch wenn ich finanziell Abstriche machen musste im Vergleich zu früher, ist der Job ein kleines Paradies für mich“, sagt Krupp.

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