Interview an der Universität Bonn „Es gibt ein massives Problem mit Graffiti“

Bonn · Wenn sich an der Universität Bonn Asbest in der Wand findet oder ein Fluchtweg zugestellt ist, greift Ansgar Leitzke ein. Der Veranstaltungsmeister ist Leiter für „Zentrale Serviceaufgaben“ der Uni. Moritz Rosenkranz sprach mit ihm.

 Herr der Uni-Gebäude: Ansgar Leitzke an seinem Lieblingsplatz, einem der vier Uni-Türme.

Herr der Uni-Gebäude: Ansgar Leitzke an seinem Lieblingsplatz, einem der vier Uni-Türme.

Foto: Volker Lannert

Herr Leitzke, wenn Sie den allgemeinen Zustand der Uni-Gebäude bewerten müssten, zu welchem Resultat würden Sie kommen?

Ansgar Leitzke: Das ist schwer. Es ist ja bekannt, was wir insgesamt für einen Sanierungsstau haben (rund eine Milliarde Euro, Anm. d. Red.). Die Gebäude, die wir aktiv bewirtschaften, sind zwar benutzbar, aber wir kennen auch die Probleme. Wir haben etwa Schadstoffbelastungen, mit denen wir umgehen müssen. Da wir keine Neubauten, sondern viele denkmalgeschützte Gebäude nutzen, die dazu noch über die Stadt verteilt sind, ist eine Gesamteinschätzung kaum möglich. Einige sind in den letzten Jahren beseitigt worden, etwa das AVZ-III-Gebäude in der Römerstraße.

Dennoch passieren immer wieder unvorhergesehene Dinge ...

Leitzke: So wie die Asbest-Thematik, die wir jetzt wieder auf dem Tablett haben. In Wandputzen und in Fußböden sind im September Asbestfasern gefunden worden. Das hat auch die Experten kalt erwischt.

Überall?

Leitzke: Ja. Das liegt daran, dass bis 1993 noch Asbest verarbeitet wurde. Das Material ist völlig ungefährlich, so lange es fest verbaut ist. Sobald Sie aber ein Loch bohren, sieht die Sache schon anders aus, weil durch den Staub, der dabei erzeugt wird, Asbestfasern freigesetzt werden können.

Das heißt, jeder der ein Bild aufhängen möchte, ist in Gefahr?

Leitzke: Zumindest ist es möglich. Wir gehen mit diesem Risiko sehr offen um und stimmen uns bei den Maßnahmen eng mit den Abteilungen für Arbeitsschutz und Bauwesen sowie mit dem Bau- und Liegenschaftsbetrieb ab. Es wurden alle Nutzer informiert und wir schulen etwa die Hausmeister und alle, die Tätigkeiten ausüben wie etwa eine Tafel oder ein Bild aufhängen. Parallel finden derzeit überall Beprobungen statt. Und wenn dabei Asbest gefunden wird, wird erst einmal saniert. Bei größeren Arbeiten ziehen wir Fachunternehmen hinzu. Das erhöht natürlich die Kosten, aber was wollen Sie da machen? Das Problem haben viele Menschen sicher auch zu Hause, nur dass dort nicht das Arbeitsschutzgesetz angewendet werden muss.

Aber einen Nagel haut doch auch ein wissenschaftlicher Mitarbeiter mal in die Wand. Wie gehen Sie denn ganz konkret mit der Problematik um?

Leitzke: Die Universität hat zunächst mal einen generellen Stopp verhängt, also dafür gesorgt, dass niemand mehr Löcher in die Wände macht, bis wir wissen, was zu tun ist. Derzeit entwickelt die Universitätsverwaltung Standardverfahren, um die Problematik mit möglichst wenig Aufwand in den Griff zu bekommen. Wenn man ein solches Problem so früh entdeckt wie wir, gibt es eben noch keine bewährten Verfahren, auf die man zurückgreifen kann, sondern man muss diese aus anderen Zusammenhängen adaptieren.

Wenn ich nun schon mehrere Jahre hier studiere, da denke ich mir doch: Hier wurde ja auch vorher schon gebohrt. Muss ich mir Sorgen machen?

Leitzke: Nein. Solange die Wände zu bleiben, ist das kein Problem. Wenn ein Loch gebohrt wird, ist es vor allem für den ein Problem, der bohrt. Ansonsten ist es schwer, Ursache und Wirkung zusammenzubringen, weil Asbest vor allem langfristige Auswirkungen hat. Die Nutzer der Gebäude sind schon deshalb nicht in Gefahr, weil hier ja nicht ständig Löcher gebohrt werden. In einzelnen Fällen veranlassen wir auch Messungen der Raumluft, um Gefährdungen zu erkennen. Bisher waren alle Ergebnisse negativ, also die Raumluft war nicht belastet.

Also alles halb so wild?

Leitzke: Das ist ein generelles Problem. Wir haben eine ganze Generation von Gebäuden, bei denen wir heute mit Schadstoffen aus früheren Zeiten umgehen müssen. Wir müssen damit vernünftig umgehen. Grund zur Panik besteht nicht.

An den Uni-Gebäuden ist selten ein Graffito länger zu sehen. Was steckt dahinter?

Leitzke: Es gibt ein massives Problem mit Graffiti. Da haben unsere Hausmeister aber eine ganz hervorragende Strategie entwickelt, denn sie beseitigen die immer sofort und sind einfach schneller als die Sprayer. So kommt keiner auf die Idee, sich daneben auch noch zu verewigen, und der Spaßfaktor geht verloren.

Trotz schneller Eingreiftruppe: Graffiti-Entfernung ist mühselig ...

Leitzke: Wir haben da ein eigenes Gerät. Das sieht aus wie ein Industriestaubsauger und heißt „Goliath“. Der saugt aber nicht, sondern pustet mit verschiedenen Materialien. So wird die Farbe von den Oberflächen abgerieben.

Es gibt unterschiedliche Materialien für unterschiedliche Oberflächen?

Leitzke: Es gibt zum Beispiel Walnussschalenstücke. Die sind nicht so hart wie Sand. Wenn Sie also eine Metalloberfläche sandstrahlen, ist die zerkratzt. Die Walnuss holt die Farbe aber runter, ohne die Oberfläche zu zerkratzen.

Schrubben gegen Graffiti ist also etwas für Amateure?

Leitzke: Die meisten Mittel sind einfach zu aggressiv. Aber es ist auch mit unseren Methoden ein ewiger Kampf. Das wichtigste ist, dass die Graffiti nicht lange stehenbleiben.

Während Graffiti ja hin und wieder noch einen künstlerischen Anspruch verfolgen, sind Toilettenanlagen oft von Schmierereien betroffen. Wie gehen Sie damit um?

Leitzke: Da haben wir uns entschlossen, dass wir bei einer Sanierung hochwertige Materialien verwenden, die auch schnell und effektiv gereinigt werden können. Je schneller und hochwertiger man da baut, etwa mit vielen Glasflächen, und je schneller man säubert, um so länger bleibt es auch in Schuss.

Sie sind letztlich also auch für die Aufenthaltsqualität zuständig ...

Leitzke: Exakt. Manchmal finden wir auch Hörsäle derart verdreckt vor, dass wir uns fragen, wer denn da drin war. Da haben wir dann einfach mal zwei Wochen nicht aufgeräumt, sodass jeder merkt, wie es dann aussieht, etwa vor dem Poppelsdorfer Schloss oder im Hörsaal 10.

Hin und wieder hört man auch Kritik, die Uni sei ein Veranstaltungsverhinderer ...

Leitzke: Das ist mein Lieblingsthema! Vor allem beim Thema Brandschutz setzen wir ja nur um, was uns auferlegt wird. Unsere Hausmeister überwachen da beispielsweise, ob Fluchtwege versperrt werden, Stühle im Flur stehen oder Plakate dort aufgehängt werden, wo es nicht zulässig ist. Die Hausmeister sind dann leider oft die Buhmänner.

Und wie ist es bei den Veranstaltungen?

Leitzke: Wir sind keine Veranstaltungsverhinderer. Es muss allerdings jede Veranstaltung bei uns angefragt werden, vom Seminar über die Buchvorstellung bis zur Fachschaftsparty. Dann wird geprüft, was stattfindet und ob der Raum geeignet ist. Früher haben viele einfach gemacht was sie wollten und sind vielleicht, ohne es zu wissen, ein Sicherheitsrisiko eingegangen, weil etwa der zweite Rettungsweg fehlte. Unser Ziel ist es, sichere Veranstaltungen zu gewährleisten. Wenn wir feststellen, dass das nicht an einem bestimmten Ort geht, haben wir immer Alternativen gefunden. Das Abbrennen eines Feuerwerks muss eben nicht neben dem Chemischen Institut stattfinden. Es gibt aber nur zwei, drei solcher Fälle unter 800 im Jahr. Man muss bedenken: Der Betreiber, also die Uni, ist immer in der Haftung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Mit der Lizenz zum Durchkämpfen
Judo-Olympionikin und Mathe-Professorin Laura Vargas Koch Mit der Lizenz zum Durchkämpfen
Zum Thema
Aus dem Ressort