Wettbewerb im Gas-Geschäft Wende im Streit um Russen-Gas

Brüssel · Der russische Konzern Gazprom geht auf die EU zu. Sind die Vorwürfe wegen Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln jetzt vom Tisch?

 Streit um Gasleitungen: Die Ost-Länder der EU beobachten genau, was Moskau und Brüssel vereinbaren. FOTO: DPA

Streit um Gasleitungen: Die Ost-Länder der EU beobachten genau, was Moskau und Brüssel vereinbaren. FOTO: DPA

Foto: picture alliance / Jens Büttner/

Es ist ein überraschendes Friedensangebot, das der Brüsseler EU-Kommission in dieser Woche auf den Tisch flatterte. Seit fünf Jahren ermittelt die europäische Behörde gegen den staatlichen russischen Konzern Gazprom wegen Verstoßes gegen die europäischen Wettbewerbsregeln. Im April 2015 eröffnete die zuständige EU-Kommissarin Margrethe Vestager ein offizielles Verfahren. „Ich habe Bedenken, dass Gazprom die Kartellvorschriften der EU verletzt“, begründete sie ihren Schritt damals. Am Dienstag dieser Woche dann die Wende: Aus Moskau sei ein Kompromissvorschlag zur Beilegung des Streits eingetroffen, bestätige eine Kommissionssprecherin. Man hoffe auf „eine gütliche Einigung“ in naher Zukunft. Es geht im Wesentlichen um zwei Vorwürfe: Zum einen verlangte Gazprom jahrelang von den osteuropäischen EU-Mitgliedern deutlich höhere Preise als beispielsweise vom deutlich weiter entfernten Deutschland. Die Unterschiede sollen zeitweise bis zu 30 Prozent betragen haben.

Um dieses Geschäftsgebaren nicht zu unterlaufen, hatte das Unternehmen darüber hinaus den Weiterverkauf des russischen Gases innerhalb der EU verboten. Dieses Verhalten konnte Brüssel nicht hinnehmen. Sollte das Kompromissangebot aus Moskau akzeptabel sein, könnte Vestager ihre Untersuchung einstellen, sofern die europäische Konkurrenz keine Einwände erhebt. Ob die Offerte aus Russland dazu aber ausreicht, konnte zwischen den Feiertagen noch niemand aus der Kommission sagen.

Der Vorgang betrifft zwar die Geschäftspolitik des russischen Konzerns aus der Zeit vor 2012, die Verurteilung zu einer Milliardenstrafe hätte das Verhältnis beider Länder aber in der heutigen, politisch höchst sensiblen Phase getroffen. Schließlich bleibt die EU immer noch auf Gas aus dem Osten angewiesen – zu einem Drittel deckt Gazprom den europäischen Bedarf, in einigen Mitgliedstaaten beträgt die Abhängigkeit sogar deutlich über 80 Prozent. Hinzu kam der erkennbare Versuch Moskaus, mit unterschiedlichen Preisen einen Keil zwischen die Mitgliedstaaten zu treiben. Präsident Wladimir Putin, ein enger Freund von Gazprom-Chef Alexej Miller, hat mehrfach den Rohstoff als außenpolitisches Druckmittel benutzt.

Da die Union gerade erst die Sanktionen gegen Moskau wegen des Krieges in der Ostukraine um sechs Monate verlängerte, wäre eine Verurteilung von Gazprom eine weitere Eskalationsstufe dieses Konflikts gewesen. Allerdings hat sich die Situation für den Lieferanten des Russen-Gases auch deutlich verändert. Gazprom kann inzwischen schon froh sein, wenn das Unternehmen seine derzeitigen Marktanteile in Europa halten kann. Denn die Gemeinschaft bastelt an einer Energie-Union, um die Abhängigkeit zu verringern. Besonders aufmerksam verfolgen die Ost-Länder deshalb alles, was Moskau und Brüssel in Sachen Gas-Lieferungen auskungeln – und konnten ebenfalls in dieser Woche einen wichtigen Sieg verbuchen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stoppte einen vor allem von Polen heftig attackierten Beschluss der EU-Kommission. Diese hatte dem russischen Staatsunternehmen gestattet, seine Lieferungen durch die Opal-Pipeline deutlich zu erhöhen.

Diese Rohrleitung ist ein Abzweiger der Nord-Stream-Pipeline durch die Ostsee nach Deutschland und Tschechien. Warschau kritisiert die Umgehung des eigenen Landes sowohl durch diese bestehenden Röhren wie auch durch die Erweiterung zur Nord-Stream-II-Pipeline, die sich noch im Bau befindet. Das gesamte Netz würde dazu führen, dass Moskau sein Gas an der Ukraine und Polen vorbei leiten kann, den Ländern entgingen nicht nur horrende Transfer-Einnahmen für das Durchpumpen, sie wären auch künftig entweder von Russland oder Deutschland abhängig. Der EuGH hat nun erst einmal dafür gesorgt, dass Russland die Opal-Abzweigung nicht nutzen darf, um mit seinem Gas im Osten der EU weitere Konkurrenten aus dem Feld zu schlagen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort