In einer fremden Stadt zu einem freien Parkplatz

Mit Galileo wird ein eigenes europäisches Navigationssystem entwickelt - Start im Jahr 2008 mit 30 Satelliten - Projekt von EU und Weltraumbehörde ESA - Andreas Schmitz-Peiffer aus Bonn ist Projektleiter

Andreas Schmitz-Peiffer ist Absolvent des Hardtberg-Gymnasiums in Bonn, Abiturjahrgang 1975. Im Anschluss an das Studium der Meteorologie in Kiel promovierte er zu einem Thema der Fernerkundung des Ozeans mit Laser und Satelliten. Seit 14 Jahren ist er in der Luft- und Raumfahrt in Ottobrunn bei München tätig. Vor zwei Jahren begann er in der Firma Astrium mit an der Entwicklung des europäischen Satellitennavigationssystems Galileo zu arbeiten. Astrium ist eine Tochterfirma der EADS (European Aeronautic Defence and Space Company). Mit ihm sprach Alexander Rott.

Klasse: Welchem Zweck dient das europäische Navigationssystem Galileo?

Andreas Schmitz-Peiffer: Bisher sind wir in Europa bei der Navigation von Fahrzeugen, aber auch Schiffen auf das satellitengestützte Global Positioning System (GPS) der Amerikaner angewiesen. GPS ist ursprünglich für das amerikanische Militär entwickelt worden. Seit einigen Jahren hat man den großen wirtschaftlichen Nutzen von GPS erkannt und ein bisher nur dem Militär vorbehaltenes Signal der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. In Krisenzeiten können die USA die Auflösung dieses Signals aber jederzeit verschlechtern. Mit Galileo wollen die Europäer nun ein eigenes, unabhängiges, zivil geführtes Navigationssystem aufbauen, das sowohl der Öffentlichkeit als auch für hoheitliche Aufgaben zur Verfügung steht. Es soll mindestens genauso gut werden wie GPS, das ja auch immer weiter verbessert wird.

Klasse: Wie funktioniert das europäische Galileo?

Schmitz-Peiffer: Zur Navigation werden von der Erde aus jeweils drei bis vier Satelliten angepeilt. Vereinfacht muss man sich das so vorstellen, dass sich auf den Satelliten hochgenaue Uhren befinden. Aus der Laufzeit der Peilung vom Navigationsempfänger am Boden zum Satelliten wird die Entfernung berechnet. Mit Hilfe von drei Satelliten ist bereits eine dreidimensionale Positionsbestimmung möglich. Die Messung zum vierten Satelliten gleicht Uhrenfehler aus.

Klasse: Wann wird Galileo betriebsbereit sein?

Schmitz-Peiffer: Im Jahr 2008 soll Galileo mit 30 Satelliten starten. Zurzeit sind wir in der Spezifikationsphase, in der das Design der Satelliten und die technischen Details festgelegt werden, bevor die Bauphase beginnt.

Klasse: Welche Firmen arbeiten mit an Galileo, und wie wird es finanziert?

Schmitz-Peiffer: Außer unserer Firma sind viele andere große und kleine europäische Firmen an Galileo beteiligt, zum Beispiel die italienische Alenia oder Alcatel aus Frankreich. Es handelt sich hierbei um ein gemeinsames Programm der Europäischen Union und der europäischen Weltraumbehörde ESA, an dem sich die einzelnen Mitgliedsländer mit verschieden großen Finanzbeiträgen beteiligen. Bis vor kurzem gab es hierbei Meinungsverschiedenheiten zwischen der deutschen und der italienischen Regierung. Da die Deutschen in die EU und ESA zusammen am meisten einzahlen, wollten sie die Projektführung übernehmen, die auch die Italiener für sich beanspruchten. Inzwischen haben sich Deutschland und Italien geeinigt, so dass es nach Absprache mit den anderen Firmen nun endlich losgehen kann. Das Programm soll von Deutschland geführt werden, die Satelliten sollen in Italien zusammengebaut werden.

Klasse: Was ist Ihre konkrete Aufgabe bei diesem Projekt?

Schmitz-Peiffer: Ich bin Projektleiter eines europäisch zusammengesetzten Teams. Wir untersuchen die Verbesserung der Navigation in Großstädten durch bodengestützte Sensoren. In Ballungsräumen besteht das Problem, dass die Verbindung von einem Navigationsempfänger zu den Satelliten immer wieder durch die Abschattung hoher Häuser gestört wird. Wir untersuchen Navigationsverfahren, die einige Zeit auch ohne Satellitenkontakt auskommen. Hierbei werden zum Beispiel im Auto Verknüpfungen zwischen der absoluten Positionsbestimmung durch Galileo/GPS, mit relativen Positionen durch vorhandenen Fahrzeugsensoren (zum Beispiel Radsensoren) sowie digitalen Karten hergestellt. Auf diese Weise können wir zum Beispiel den Autofahrer in einer ihm fremden Stadt zu einem freien Parkplatz in einem Parkhaus führen und dabei sogar die aktuelle Verkehrslage berücksichtigen.

Klasse: Wie kamen Sie vom Meteorologiestudium zur Satellitennavigation?

Schmitz-Peiffer: Über die Meteorologie und die Promotion im Bereich Fernerkundung kam ich zu den Satelliten. Nach meiner Promotion arbeitete ich zunächst beim Forschungszentrum für Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffenhofen. Dort konnte ich über ein Projekt Kontakte zur Industrie knüpfen und wechselte dann zunächst zu MBB (Messerschmitt-Bölkow-Blohm), wo ich zehn Jahre lang mit der Instrumentierung von Erdbeobachtungssatelliten befasst war. Die aufkommende Idee eines eigenen europäischen Navigationssystems, mein Interesse für Navigation und Kartographie sowie der Wunsch, ein neues Gebiet kennen zu lernen, führte mich dann zu den Navigationssatelliten und meiner jetzigen Tätigkeit bei Astrium.

Klasse: Haben Sie noch eine besondere persönliche Erfahrung, die Sie unseren Lesern weitergeben wollen?

Schmitz-Peiffer: Ja, gerne. In der Oberstufe hatten wir einen Physiklehrer, der uns über jede Physikstunde und jeden Versuch zu Hause ein ausführliches Protokoll schreiben ließ. Ich habe damals nicht so recht verstanden, wozu das gut sein sollte. Heute weiß ich, dass dies die Grundlage des wissenschaftlichen Arbeitens ist, die für neue Entwicklungen einfach unerlässlich ist. Ich kann daher jedem Schüler, der später einmal ein Studium aufnehmen möchte, nur raten, sich frühzeitig mit der Methodik wissenschaftlichen Arbeitens vertraut zu machen. Sehr gute Sprachkenntnisse in Englisch sind ganz wichtig, denn Englisch ist die Fachsprache in unseren europäischen Projekten. Auch eine zweite Sprache wie Französisch, Italienisch oder Spanisch ist von großem Vorteil, bringt sie doch Menschen verschiedener Länder einander näher.

Hardtberg-Gymnasium, Klasse 10b

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