Spaziergang über die Internationale Automobilausstellung Von maskulinen Autos zu neuem Denken

Die Internationale Automobilausstellung in Frankfurt bewegt sich in diesem Jahr zwischen der Faszination für röhrende Motoren und der Umstellung auf neue Antriebstechniken.

 VW-Entwicklungsvorstand Frank Welsch präsentiert das SUV-Modell „T-Roc R-Line“.

VW-Entwicklungsvorstand Frank Welsch präsentiert das SUV-Modell „T-Roc R-Line“.

Foto: dpa

Die, die „Benzin im Blut“ haben, kommen immer noch auf ihre Kosten bei dieser IAA. Ja, es ist ein bisschen seriöser geworden. Die Mädels, die mit viel nackter Haut den neuen Autos noch einen Blickfang hinzufügen sollen, gibt es nicht mehr. Aber Automodelle, wie die GTI-Reihe von VW, die im Designersprech „maskuliner“ geworden seien und, so Vertriebschef Jürgen Stackmann, jetzt „noch mehr Energie auf den Straßen verfügbar“ machen, die gibt es schon. Und draußen auf der „Agora“, wo selbstfahrende Autos zeigen, was schon möglich ist beim autonomen Fahren, stehen nebenan die Flitzer von McLaren aus der „Sports“-, „Super“- und „Ultimate“-Serie und verkörpern die alte Welt der röhrenden Motoren. Die britische Sportwagenschmiede ist erstmals seit Langem wieder auf der IAA. Dass solche Autos Sehnsucht erzeugen können, wird allenfalls für den nachvollziehbar, der in Halle 3 die beiden Rollstuhlfahrer vor dem Stand von Lamborghini stehen sieht.

Journalisten ohne Fragen an die Autohersteller

Zur Lebenslüge einer IAA gehört seit ehedem, dass die ersten beiden Tage mit „Pressekonferenzen“ gefüllt sind. Mercedes und VW haben dafür nur 15 Minuten eingeplant, Opel laut ausgedrucktem Zeitplan nur zehn. BMW gönnt den Journalisten immerhin 45 Minuten. Doch es sind keine Pressekonferenzen. Fragen können nicht gestellt werden nach den aufwendigen Präsentationen mit durchgestylter Licht- und Tontechnik. Vielfach haben die Kollegen wohl auch keine Fragen. Viele gerieren sich als Claqueure, klatschen Beifall, wenn ein neues Auto auf die Bühne fährt – für andere Kollegen nur ein Zeichen unkritischen Umgangs mit der Branche.

Aber vielleicht sind ja auch nicht alle, die mit dem „Presse“-Schild um den Hals rumlaufen, wirklich Journalisten. Wer sieht, wie vor allem chinesische Kollegen in die Autos kriechen und im Fußraum irgendwelche Details fotografieren, assoziiert immer noch, dass die so gewonnene Information in der chinesischen Autobranche nachgebaut wird.

Rund 10 000 Journalisten haben sich akkreditiert, jeder zweite kommt aus dem Ausland, mehr als 400 aus China. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) als Veranstalter freut sich darüber. „Keine andere Messe hat eine größere internationale Medienpräsenz“, sagt VDA-Präsident Matthias Wissmann.

BMW präsentiert Elektroauto

Und es gibt ja auch was zu berichten: VW hat nicht nur den neuen Polo in Normal- und GTI-Version mitgebracht, sondern auch den T-Roc, ein SUV unterhalb des Tiguan, zwei Zentimeter kürzer als der Golf. Für demnächst ist darunter noch ein angeblicher Geländewagen als Stadtauto angekündigt. Auch Skoda („Karoc“) und Seat („Arona“) kommen mit kleinen SUVs – alles Autos, die den Geschmack des Marktes treffen.

BMW präsentiert eine stärkere Version des kleinen Elektrofahrzeugs i3 und hofft auf mehr Nachfrage als bisher. Der Kundschaft den Mund wässrig machen und Tesla Paroli bieten wollen die Bayern mit einem elektrischen Grand Coupé: Der „i-Vision Dynamics“ sei in vier Sekunden auf 100, habe 600 Kilometer Reichweite, heißt es bei BMW. Aber die Angabe stimmt vermutlich nicht, wenn die 600 Kilometer mit der Höchstgeschwindigkeit von 200 Stundenkilometer zurückgelegt werden. Wann der Wagen gebaut wird, steht noch nicht fest.

Mercedes will bis 2022 die gesamte Mercedes-Benz-Flotte elektrifiziert haben, versprach Dieter Zetsche, der Vorstandsvorsitzende des Konzerns und Markenchef von Mercedes.

Den Kleinwagen Smart will Daimler schon ab 2020 ausschließlich als Elektroauto anbieten, ihm also die Benzin- und Dieselmotoren auspflanzen. Aber das bitte doch nicht als Verbot für alle Autos, mahnte Zetsche: „Eine dieser Technologien von jetzt auf gleich zu verbieten, wäre aus heutiger Sicht ein klimapolitisches Eigentor.“ Technisch interessant, weil verschiedene elektrische Antriebsquellen kombiniert werden, ist der GLC F-Cell. In ihm erzeugt eine Brennstoffzelle den Fahrstrom. Er kann aber über eine Batterie nachgeladen werden, wenn keine Wasserstoff-Tankstelle erreichbar ist.

VW, Daimler und BMW kündigen Investition in E-Mobilität an

Elektromobilität ist überhaupt das große Thema dieser 67. IAA. VW will seine Offensive mit Elektromodellen 2020 beginnen, in der Golfklasse, natürlich auch mit einem SUV und ebenso mit einem bullyähnlichen Bus. Das Golfäquivalent, der ID, ist in Frankfurt zu sehen: „Der ID wird in etwa so viel kosten wie ein ähnlich ausgestatteter Golf Diesel“, versprach Markenvorstand Herbert Diess. Bis zum Jahr 2023 wolle Volkswagen sechs Milliarden Euro in die Elektromobilität investieren.

Ähnlich Daimler und BMW. Den angekündigten 80 E-Autos von VW stellte der BMW-Vorstand sein Programm entgegen: „Die BMW-Group wird bis 2025 25 elektrifizierte Modelle auf die Straße bringen, davon zwölf rein elektrisch“, kündigte Vorstandschef Harald Krüger an.

Nur BMW ließ bei seiner Selbstdarstellung schon von der Form her neues Denken erkennen. Nicht Autos dominierten zunächst die Bühne, sondern der Talk eines Politik-Journalisten mit dem Vorstandsvorsitzenden Harald Krüger über Dieselmanipulationen („Wir nicht!“), Kartellabsprachen („Vorwürfe haben uns überrascht!“) und die Dieselgipfel.

Und dann geht es zur nächsten Halle, mit sinkender Laufgeschwindigkeit. Weil Menschen den Schritt verlangsamen oder gar stehen bleiben, weil sie auf ihr Smartphone schauen. Die regulären Wege sind überfüllt. Man kennt das von der Straße: Mit dem Auto, das Freiheit verheißt, im Stau.

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