"Umwelt- und Wechselprämie" Alte Diesel sollen weg: VW bietet Rabatte fürs Verschrotten

Wolfsburg · Abwrackprogramm statt Hardware-Nachrüstung: Um Fahrverboten zu entgehen, legt Volkswagen Nachlässe bei Verschrottung alter Diesel wieder auf - bundesweit, nicht nur in den 14 besonders betroffenen Städten. Nach Expertenmeinung gibt es allerdings einen Haken.

 Und plant bundesweit die Verschrottung alter Diesel gegen Umtauschprämien.

Und plant bundesweit die Verschrottung alter Diesel gegen Umtauschprämien.

Foto: Patrick Pleul

Im Kampf gegen drohende Fahrverbote will Volkswagen ab sofort bundesweit alte Diesel mit den Abgasnormen Euro 1 bis 4 gegen Rabatte zurücknehmen und verschrotten.

Zurückgenommen würden Modelle beliebiger Hersteller, der Kauf eines Neuwagens oder eines jungen Gebrauchtfahrzeugs werde im Gegenzug mit einem Preisnachlass unterstützt, teilte VW mit. VW hatte wie andere Autobauer bereits im vergangenen Jahr im Rahmen des Dieselgipfels vom August 2017 eine sogenannte Umweltprämie angeboten.

Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer urteilte, ein Teil der Nachlässe bei der Verschrottung alter Diesel dürfte mit bisherigen Rabatten verrechnet werden. Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, kritisierte ein "irres Verständnis von Langlebigkeit".

Resch sprach angesichts der geplanten Rabatte von "Einwegautos", die nur noch für die Geltungsdauer einer Abgasnorm hielten. Im Falle einer beschädigten Bremse wäre völlig klar, dass nur repariert würde, sagte er. Anders im Fall Diesel: "Hier soll ein neues Auto gekauft werden." Resch erneuerte seine Forderung nach einer Hardware-Nachrüstung für die Abgasreinigung alter Diesel. Auch Dudenhöffer mahnte, ökologisch besser sei aus seiner Sicht eine bundesweite Hardware-Nachrüstlösung.

Volkswagen gab bekannt, die Höhe des Preisnachlasses sei abhängig vom gewählten Modell der Konzernmarken Audi, Seat, Skoda und VW - bis zu 10.000 Euro sind möglich. In den 14 Städten mit besonders belasteter Luft sollten die Besitzer von Diesel-Autos der Normen Euro 4 und Euro 5 Rabatte erhalten, die zusätzlich zum Restwert gewährt würden. VW selbst spricht von einer "Umwelt- und Wechselprämie". Ein Sprecher sagte, die Händler hätten auch künftig Spielraum, die vom Listenpreis abgezogenen Nachlässe mit anderen Rabatten zu kombinieren.

Damit leiste Volkswagen einen "signifikanten Beitrag" zur Verbesserung der Luftqualität, sagte Konzern-Vertriebschef Christian Dahlheim. Im kürzlich vorgestellten Diesel-Konzept der Bundesregierung sind Umtauschaktionen und Hardware-Nachrüstungen für Euro-5-Diesel als Möglichkeit vorgesehen, um die Luft in Städten mit hoher Schadstoffbelastung zu verbessern. Auto-Branchenexperte Stefan Bratzel kritisierte, das fehlende Gesamtkonzept der Bundesregierung räche sich nun, dies werde zu Unmut führen.

Dudenhöffer schloss nicht aus, dass ein Teil der VW-Nachlässe mit bisherigen Rabatten verrechnet und "Verkaufs-Förderungsprogramme" beschnitten werden. Als Standard-Rabatt beim Neuwagenkauf seien Nachlässe von 12 bis 15 Prozent üblich. Bei der bislang letzten sogenannten "Umtauschprämie" für schmutzige Diesel seien die übrigen Rabatte allerdings im Großen und Ganzen weiter angeboten worden.

Nach VW-Angaben wurden mit der Umweltprämie von August 2017 bis Juni 2018 konzernweit über 210.000 alte Diesel von der Straße geholt und verschrottet. Die konsequente Erneuerung der Fahrzeugflotte sei ein schneller und effizienter Weg zu einer besseren Luftqualität.

Die Volkswagen-Kernmarke VW Pkw bietet modellabhängige Nachlässe zwischen 1500 und 8000 Euro - bei der Verschrottung eines Euro-1- bis Euro-4-Dieselfahrzeugs. Darüber hinaus werde eine "Wechselprämie" zwischen 500 und 700 Euro bei Inzahlungnahme eines Euro-4- oder Euro-5-Diesels zuzüglich zum Restwert in den 14 von der Bundesregierung festgelegten Städten bezahlt. Audi bietet einen Preisnachlass zwischen 3000 und 10.000 Euro, die VW-Sparte der leichten Nutzfahrzeuge bis zu 8000 Euro.

Dudenhöffer sprach im Zusammenhang mit der Aktion auch von einem "Konjunkturprogramm" für die Industrie - Volkswagen versuche den Verkaufsrückgang aufzufangen. Ohnehin sinkt der Dieselanteil an den verkauften Neuwagen seit langem, darüber hinaus brachen die weltweiten Auslieferungen des VW-Konzerns im September wegen der Einführung des neuen Abgas-Prüfverfahrens WLTP spürbar ein. Bratzel sagte zu den Preisnachlässen: "Das hilft denen, die ohnehin einen Neuwagen kaufen wollten und es sich leisten können."

Zuvor hatte Daimler Details zu Preisnachlässen für Dieselfahrzeuge aller Marken mit der Abgasnorm Euro 1 bis 4 sowie Euro 5 in den "Schwerpunktregionen" genannt. Sie bewegen sich zwischen 3000 und 10.000 Euro je nach Modell. Nach Angaben eines Sprechers wird bundesweit seit August 2017 beim Kauf eines Neufahrzeugs zusätzlich ein sogenannter "Wertausgleich" von 2000 Euro für Euro-1- bis Euro-3-Fahrzeuge gewährt - wenn diese verschrottet werden. Dazu kämen die Rabatte. Bundesweit bietet Mercedes-Benz einen Rabatt von 2000 Euro für Diesel der Abgasnormen Euro 1 bis 4.

BMW will in den 14 besonders stickoxidbelasteten Regionen Dieselfahrern bis zu 6000 Euro Rabatt beim Kauf eines Neuwagens gewähren, wenn sie einen Diesel bis Euro 5 damit ersetzen. Bundesweit gibt es weiterhin 2000 Euro. Ausländische Hersteller setzen vorwiegend auf bundesweite Programme.

Renault bietet beim Kauf der teuersten Neuwagen bis zu 10.000 Euro Rabatt, wenn ein Diesel bis zur Norm Euro 5 in Zahlung gegeben wird. Bei Ford sind bis zu 8000 Euro zu holen, bei Fiat bis zu 6000 Euro. Die Marken der Opel-Mutter PSA - dazu zählen neben den Rüsselsheimern auch Peugeot und Citroen - bieten derzeit keine spezifische Prämie für den Eintausch alter Diesel an.

Die verkehrspolitische Sprecherin der Linken, Ingrid Remmers, sprach mit Blick auf die Preisnachlässe von einer Farce: "Wir brauchen keine weiteren Kaufanreize für Diesel-Fahrzeuge, sondern flächendeckende Hardware-Nachrüstungen."

Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte dem "Handelsblatt": "Ökologisch ist es Schwachsinn, Autos zu verschrotten statt zu reparieren." Dies sei ein Anreiz für die Industrie, neue Verbrenner zu verkaufen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) setzt dagegen auf Kaufanreize - es gehe um 1,4 Millionen Autos und ein Volumen von 7 Milliarden Euro, sagte er.

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