Zukunftsstrategie bei VW VW wieder in der Defensive

Washington · Ausgerechnet zum Auftakt der Auto-Show in Detroit, wo Volkswagen den Neustart probt, verhaftet das FBI in Florida wegen des Diesel-Skandals einen VW-Manager. Chrysler investiert in der Heimat.

Die Dramaturgie war nicht zu übersehen. In den teuren TV-Werbepausen der Film-Preis-Verleihung „Golden Globes“ war Volkswagen am Sonntagabend in Amerika unangefochten die Nr. 1 unter den großen Autobauern. In Detroit auf der prestigeträchtigen Auto-Show präsentierte der vom Dieselskandal geplagte deutsche Mobilitätsriese gestern einen aufgehübschten Tiguan und warb mit dem Slogan „Wir wollen Amerikas Liebe für VW wieder entfachen“ für Nachsicht und Vertrauensvorschuss. Da kommen solche Nachrichten natürlich zur Unzeit:

Oliver Schmidt, 2014 und 2015 in den USA federführend als Manager für die Umsetzung staatlicher Umweltvorschriften zuständig, wurde am Wochenende von der Bundespolizei FBI in Florida wegen des Verdachts der Verschwörung und des Betruges verhaftet und sollte noch am Montag nur wenige Meter vom Schauplatz der Automesse in Detroit dem Haftrichter vorgeführt werden.

Dem Vorgang liegen entsprechende Klagen der Bundesstaaten New York und Massachusetts zugrunde. Weder die US-Justiz noch Volkswagen wollten den spektakulären Fall gestern auf Anfrage kommentieren. Er gilt als Rückschlag für die Bemühungen, den milliardenschweren Betrugsskandal um rund 550 000 in den USA manipulierte Dieselfahrzeuge noch vor Antritt des neuen Präsidenten Donald Trump beizulegen.

Wie die „New York Times“ schreibt, soll Schmidt eine Schlüsselrolle bei der Vertuschung des Betruges gespielt haben. Kernpunkt: Zu einem Zeitpunkt, als die US-Behörden längst den begründeten Verdacht hegten, dass VW absichtsvoll eine Software in die Motoren eingebaut hatte, um im Testversuch niedrigere Stickoxid-Werte zu erzielen und die strengen US-Umweltvorschriften zu unterlaufen, soll der kahlköpfige Auto-Manager von „technischen Problemen“ geredet haben, die lösbar seien.

Konkret: Wie diese Zeitung bereits vor einigen Monaten aus Kreisen der kalifornischen Umweltbehörde Carb erfuhr, soll Schmidt bereits im Mai 2014 (also rund 17 Monate vor Bekanntwerden des Dieselskandals) den damaligen VW-Amerika-Chef Michael Horn per E-Mail von einer Studie des „International Council on Clean Transportation (ICCT)“ unterrichtet haben, wonach Hunderttausende VW-Autos in Amerika gegen die Abgas-Vorschriften verstoßen. Schmidt schrieb sachdienlicherweise sogar die möglichen Strafen pro Auto dazu: jeweils bis zu 43 000 Dollar.

Mit Schmidt ist bereits der zweite VW-Funktionär in die Fänge der US-Justiz geraten. In Kalifornien hatte sich der frühere VW-Manager James Liang für schuldig erklärt, in betrügerischer Absicht gegen Umweltauflagen verstoßen zu haben. Liang stellte sich den Behörden als Kronzeuge zur Verfügung. Er darf bei der in diesen Tagen erwarteten Urteilsverkündung eine geringere Strafe erwarten.

Im Lichte der Festnahme Schmidts erscheint die Nicht-Teilnahme von VW-Boss Matthias Müller am großen Branchen-Treff in Detroit im Nachhinein als Vorsichtsmaßnahme. An seiner statt hielt Markenvorstand Herbert Diess die Stellung. Auf die Frage, ob er eine Festnahme fürchte, sagte er bei einem Pressetreff. „Auf jeden Fall bin ich hier.“

Ob die Verhaftung von Manager Schmidt Auswirkungen auf die in den letzten Zügen liegenden Verhandlungen mit dem US-Justizministerium haben, war gestern noch unklar. Wie berichtet, sieht VW eine Chance, gegen Zahlung von mindestens zwei Milliarden Dollar die dort anhängigen strafrechtlichen Ermittlungen wegen Irreführung und Betrugs aus der Welt zu schaffen. Unterdessen öffnete sich in Europa bereits die nächste Tür in Richtung Ärger. Im Auftrag von Autobesitzern und Anlegern reichte die Kanzlei Harcus Sinclair in Großbritannien eine Sammelklage ein. In mehreren Zivilverfahren in den USA hat Volkswagen bereits Entschädigungssummen ausgehandelt. So muss der Wolfsburger Konzern insgesamt 14,7 Milliarden Dollar zahlen, um Besitzern von rund 480 000 Wagen mit Zwei-Liter-Dieselmotoren ihre Autos zurückzukaufen oder sie umzurüsten.

In einem weiteren Zivilverfahren handelte VW einen Vergleich mit den Besitzern von rund 80.000 Dieselautos mit Drei-Liter-Motoren im Umfang von einer Milliarde Dollar aus. Die Einigung muss aber noch von einem Richter gebilligt werden. Für die Kosten zur Aufarbeitung des Skandals hat Volkswagen 18 Milliarden Euro zur Seite gelegt.

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