Internet der zwei Geschwindigkeiten US-Behörde kippt Netzneutralität

Washington · Die EU-Kommission will Europa weiter vor Zwei-Klassen-Netz schützen. Doch auch deutsche Unternehmen würden es am liebsten den USA gleich tun.

 Zwei Geschwindigkeiten: Die USA geben die Netzneutralität auf.

Zwei Geschwindigkeiten: Die USA geben die Netzneutralität auf.

Foto: picture alliance / Andreas Frank

In Amerika ist der Weg für das Internet der zwei Geschwindigkeiten frei. Nach einer höchst umstrittenen Entscheidung der staatlichen Aufsichtbehörde FCC gilt der Grundsatz nicht mehr, dass im Netz unabhängig von Inhalt, Absender oder Empfänger alle Daten mit gleicher Geschwindigkeit und Qualität übertragen werden müssen.

Wenn nicht Gerichte in letzter Minute einschreiten, dürfen große Netzbetreiber wie AT & T, Verizon, Charter und Comcast, die über 75 Prozent aller „Auffahrtrampen“ zum Datenhighway wachen, künftig zweispurig fahren. Sprich: eine Spur für den „normalen“ Verkehr, der gelegentlich staut. Und eine schnellere, kostenpflichtige Fahrbahn für Konzerne wie Amazon, Google oder den Streamingdienst Netflix, die mit ihren Inhalten weite Teile der Datenbrandbreite beanspruchen.

Mit ihrer 3:2-Entscheidung hat die FCC unter ihrem neuen Chef Ajit Pai die unter dem Stichwort „Netzneutralität“ bekannte Regelung aus dem Jahr 2015 zurückgenommen.

Datenkabel gelten nicht mehr als Teil der öffentlichen Grundversorgung

Die Obama-Regierung hatte damals festgezurrt, dass kein Netzanbieter legale Internetangebote unterdrücken, sperren oder in verschiedenen Geschwindigkeiten ins Netz einspeisen darf. Auch eine Überholspur, auf der Daten gegen Aufpreis schneller ans Ziel gelangen, war verboten. Die Regelung folgte dem Gedanken, dass die Datenkabel der Firmen ähnlich wie Telefonleitungen als Teile der öffentlichen Grundversorgung anzusehen sind. Und hier gilt: Telefonanbieter dürfen keine Anrufe bevorzugt durchstellen oder sie gar abblocken.

Damit ist es nun, mit ausdrücklicher Zustimmung von US-Präsident Donald Trump, vorbei. Künftig haben Breitband- und Mobilfunkanbieter freie Hand bei der Entscheidung, welche Datenpakete sie von wem in welchem Tempo transportieren. Oder ob sie Daten nicht weiterleiten. Sie müssen es nur im Kleingedruckten ihrer Verträge offen ausweisen.

Laut FCC-Chef Pai wird damit der Weg zu „mehr Innovation“ frei, hinderliche Regulierungen fielen weg. Die FCC macht sich damit mehrheitlich die Argumentation der Netzbetreiber zu eigen. Danach verursachen Google, Facebook, Amazon, Apple ein überproportional hohes Datenaufkommen, das einen teuren Ausbau der digitalen Infrastruktur (Breitbandnetze) erfordere. An diesen Mehrkosten sollen sich die Inhaltelieferanten künftig mit einer digitalen Maut beteiligen.

Verbraucherschützer und kleinere Internetfirmen sind alarmiert

Verbraucherschützer und kleinere Internetfirmen sind alarmiert. Während sich Großkonzerne die schnellere Datenautobahn leisten könnten, seien kleine Start-ups, die bislang mit ihren Ideen wie die Branchenriesen uneingeschränkten Zugang zum Netz haben, finanziell im Nachteil. „Das Zwei-Klassen-Netz wird damit eine Innovationsbremse“, sagt der frühere FCC-Chef Tom Wheeler. Die für die Demokraten in der FCC-Kommission sitzende Abgeordnete Mignon Clyburn spricht davon, dass der „Schlüssel zum Internet“ nun einer „Handvoll von Multi-Milliarden-Dollar-Unternehmen“ ausgehändigt worden sei.

Für die Endkunden, die in den USA im Vergleich zu Europa schon heute deutlich höhere Gebühren für ihre Internetanschlüsse zahlen müssten, werde die Nutzung des „World Wide Web“ noch teurer und „unerfreulicher“.

Was stellvertretend für die potenziellen Profiteure AT&T-Vize Bob Quinn dementiert: Sein Konzern werde weder als Zensor im Internet auftreten, sagte er, noch Kunden über Gebühr belasten. Tatsache sei aber, dass der Ausbau der Netzinfrastruktur enorme Kosten verursache, die „fair“ umgelegt werden müssten.

Telekom stößt mit "StreamOn" ins gleiche Horn

Diverse Bundesstaaten, Verbände, Interessengruppen, Kirchen und Internetanbieter haben angekündigt, gegen die Kehrtwende der Aufsichtsbehörde FCC vor die Gerichte zu ziehen. Sie alle fürchten, dass die ohnehin ausgeprägte Marktmacht der großen „Türsteher“ des Internets noch größer wird.

Unterdessen glauben Experten, dass der Schwenk in den USA mittelfristig auch die Debatte in Europa beeinflussen wird. Die Deutsche Telekom verstößt etwa mit dem Produkt „StreamOn“ nach Angaben der Bundesnetzagentur bereits heute gegen das Gleichbehandlungsgebot beim Daten-Transport. EU-Kommissar Andrus Ansip sah sich darum gestern zur einer Klarstellung veranlasst: „Wir werden die Netzneutralität in Europa weiter schützen.“

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