Verdacht auf Lohnbetrug und Steuerhinterziehung Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Ryanair-Manager

Koblenz · Ein Personaldienstleister hat die Geschäftspraktik der irischen Fluggesellschaft angezeigt. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft in Koblenz. Ein französisches Gericht prüft ebenfalls den Vorwurf der Schwarzarbeit.

 Ryanair-Chef Michael O'Leary bietet großen Fluggesellschaften eine Zusammenarbeit an,um Druck auf Gewerkschaften ausüben zu können. In Berlin setzte das Unternehmen kürzlich irische Mitarbeiter als Streikbrecher ein.

Ryanair-Chef Michael O'Leary bietet großen Fluggesellschaften eine Zusammenarbeit an,um Druck auf Gewerkschaften ausüben zu können. In Berlin setzte das Unternehmen kürzlich irische Mitarbeiter als Streikbrecher ein.

Foto: dpa

Von Köln nach London für unter 100 Euro? Solch billige Angebote der irischen Fluggesellschaft Ryanair werfen Fragen auf. Seit Jahren steht die Gesellschaft wegen ihrer Personalpolitik in der Kritik. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft Koblenz wegen des Verdachts der Anstiftung zum Lohnbetrug und der Lohnsteuerhinterziehung zum ersten Mal gegen Mitarbeiter der Airline. Ein Personaldienstleister hatte die Verträge, die ihm vorgelegt wurden, der Staatsanwaltschaft übergeben. In mehreren europäischen Ländern ermitteln Behörden wegen Schwarzarbeit, Sozialbetrug und ähnlichem gegen Verantwortliche der Airline. Stets geht es dabei um Verträge mit Personaldienstleistern. Ryanair weist die Vorwürfe zurück.

Personaldienstleister gibt Verträge mit Ryanair zur Staatsanwaltschaft

Dem Personaldienstleister, der sich bei der Staatsanwaltschaft gemeldet hat, habe Ryanair drei bestimmte Buchhaltungsunternehmen „vorgeschlagen“. Die Staatsanwaltschaft Koblenz bestätigte gegenüber dem GA, dass sie gegen vier Mitarbeiter der Fluggesellschaft ermittelt. In Frankreich hatte ein Gericht Ryanair schon 2014 wegen Schwarzarbeit zu rund 8,1 Millionen Euro Schadenersatz und einer Geldstrafe von 200.000 Euro verurteilt. Ein weiteres Verfahren vor dem Gericht in d’Aix-en-Provence läuft. Der Vorwurf ist jedes Mal ähnlich: Es dreht sich um die vermutete Scheinselbstständigkeit eines großen Teils der rund 3.500 Piloten. Diese sind oft nicht bei Ryanair direkt angestellt, sondern schließen Verträge mit Personaldienstleistern.

Ryanair betont in einer Stellungnahme gegenüber dem GA, das Unternehmen sei selbst nicht Gegenstand der Ermittlungen. Dort heißt es: "Ryanair unterstützt die Staatsanwaltschaft Koblenz uneingeschränkt bei ihren Nachforschungen zu einer geringen Anzahl an Vertragspiloten („Contractor Pilots“), die ihre Sozialversicherungs- / Steuerabgaben möglicherweise nicht richtig berechnet haben."

Die deutsche Pilotengewerkschaft Cockpit kritisiert die Verträge der Gesellschaft seit Langem. Im Herbst sagte sie zum Umgang mit den Mitarbeitern: „Neue Ryanairverträge sind modernes Sklaventum“. Als Gründe führt sie an, dass die Verträge nach irischem Recht geschlossen würden. Doch auch auf der grünen Insel gibt es Kündigungsschutz, den die Verträge offenbar nicht berücksichtigen. Weiterhin sagt die Pilotengewerkschaft: „Im Krankheitsfalle muss die entfallene Arbeitszeit nachgearbeitet werden, um nicht auf Gehalt zu verzichten.“ Außerdem nehme sich das Unternehmen das Recht heraus, jederzeit Zwangsurlaub ohne Bezahlung anzuordnen.

Ryanair betont, die Praktiken seien nicht "falsch" und vollständig legal. Piloten könnten bis zu "170.000 Euro pro Jahr verdienen, bei Flugzeiten von unter 18 Stunden pro Woche und mit Dienstplänen, die nach fünf Arbeitstagen vier freie Tage vorsehen. Sie genießen außerdem jährliche Lohnerhöhungen und unübertroffene Arbeitsplatzsicherheit." Lufthansa-Piloten erhalten nach zehn Berufsjahren gut 188.000 Euro jährlich.

Ryanair ist die größte Fluggesellschaft Europas

Gegenüber einem Rechercheverbund von WDR, NDR und der "Süddeutschen Zeitung" teilte Ryanair mit, man wisse nichts von Ermittlungen gegen Mitarbeiter des Unternehmens. Außerdem halte man sich an deutsche und irische Steuervorschriften. Das gleiche gelte für Sozialabgaben. Ryanair ist, gemessen an den Passagierzahlen, die größte Airline Europas. Das niederländische Portal Flughafendetails.de zählte für 2016 116,8 Millionen Passagiere bei den Iren. Die Lufthansa steht in der Statistik mit 109,7 Millionen Passagieren auf Platz zwei.

Seit mehreren Jahren ermittelt die Koblenzer Staatsanwaltschaft bereits wegen der Beschäftigungsverhältnisse bei Ryanair. Bislang richteten sich die Ermittlungen nur gegen Piloten, Personaldienstleister und Steuerbüros. Die Schadenshöhe kann die Staatsanwaltschaft noch nicht beziffern.

Schaden für Staat, Mitarbeiter und Sozialkassen kann in Millionenhöhe liegen

Die entgangenen Sozialversicherungsbeträge würden derzeit noch berechnet, teilt die Behörde gegenüber der dpa mit. Es dürfte sich aber um Millionensummen handeln, denn der von der Staatsanwaltschaft zugrunde gelegte Tatzeitraum reicht bis in das Jahr 2006 zurück, so die dpa.

Das Magazin „Die Story im Ersten“ hatte am Montag über die Vertragsbedingungen des Billigfliegers berichtet. Ein Pilot berichtete von seiner Bewerbung bei Ryanair und seinen Erfahrungen als Vertragspilot mit eigener Firma, der im Auftrag eines Dienstleister Ryanair-Maschinen flog.

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