Steigende Mieten befürchtet Scholz erntet Kritik für Reform der Grundsteuer

Berlin · Opposition und Verbände befürchten durch die Pläne von Finanzministers Olaf Scholz zur Reform der Grundsteuer steigende Mieten. Hier kommen die wichtigsten Fragen und Antworten zur Reform.

 Viel Arbeit: Bei einer Grundsteuerreform, wie sie Finanzminister Scholz vorschlägt, müsste jedes Grundstück neu bewertet werden.

Viel Arbeit: Bei einer Grundsteuerreform, wie sie Finanzminister Scholz vorschlägt, müsste jedes Grundstück neu bewertet werden.

Foto: picture alliance / dpa

Das Echo auf den Vorschlag von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) zur Reform der Grundsteuer war negativ: Immobilienverbände, Mieterbund und Oppositionsparteien – alle geißelten den Ansatz von Scholz als kaum umsetzbar, zu bürokratisch und sozial ungerecht. Frage und Antworten zur Grundsteuer.

Wofür bezahlt man die Grundsteuer?

Da die Kommunen für die Infrastruktur in einer Gemeinde sorgen, also für Straßen, Beleuchtung, Wasserversorgung, Baupläne und Ähnliches, müssen die Immobilieneigentümer und Mieter für diese Leistungen die Grundsteuer bezahlen. Sie macht rund 15 Prozent der kommunalen Einkünfte aus. Vermieter können die Grundsteuer auf die Mieter umlegen. Im Durchschnitt macht die Grundsteuer für die Mieter 19 Cent pro Quadratmeter aus. Im internationalen Vergleich ist die Grundsteuer in Deutschland gering: Das Steueraufkommen von etwa 14 Milliarden Euro pro Jahr entspricht lediglich 0,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Das ist vor allem im angelsächsischen Raum anders. In Großbritannien, Kanada oder den USA stellt die Grundsteuer eine wesentliche Einnahmequelle der öffentlichen Hand da, mit Anteilen am BIP von bis zu drei Prozent. In solchen Ländern werden mit der Grundsteuer allerdings häufig auch die Wasserversorgung, Abwasser- und Müllentsorgung sowie Schulen finanziert, für die in Deutschland eigene Gebühren oder andere Steuern erhoben werden.

Warum braucht es eine Neuregelung?

Im April hatte das Bundesverfassungsgericht die bisherige, jahrzehntelang geltende Berechnung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt. Der Grund: Die zugrunde liegenden Einheitswerte für die Grundstücke sind veraltet. In Westdeutschland wurden sie zuletzt 1964, in Ostdeutschland sogar 1935, also vor dem Zweiten Weltkrieg, festgelegt. Seitdem hat sich Vieles verändert in Deutschland: Was einst wertvoll war, ist heute wertlos – und umgekehrt. Das Gericht gab dem Gesetzgeber vor, bis Ende 2019 durch eine Reform für mehr Gleichbehandlung zu sorgen. Die Neuregelung soll bis 2025 wirksam werden.

Wie berechnet man bisher die Grundsteuer?

Bisher sind drei Faktoren für die Berechnung maßgeblich: der Einheitswert, die Steuermesszahl und der Hebesatz der Kommune. Die Steuer errechnet sich aus der Multiplikation dieser drei Faktoren. Ein Beispiel: Der Einheitswert beträgt 100 000 Euro. Für Wohnungen liegt die gesetzlich bundesweit festgelegte Steuermesszahl bei 3,5 von 1000. Daraus errechnet sich ein Betrag von 350 Euro. Diese werden mit dem Hebesatz multipliziert, ein Steuersatz, der von der Kommune festgelegt wird. Liegt dieser zum Beispiel bei 500, ergibt sich eine Grundsteuer von 1750 Euro pro Jahr, die in vierteljährlichen Raten zu zahlen ist.

Was schlägt Finanzminister Scholz vor?

Die Reform solle verfassungskonform, rechtssicher, sozial gerecht und aufkommensneutral sein, so Scholz. Er plädiert für ein wertabhängiges Reformmodell – das heißt, der individuelle Wert der Immobilie soll bei der Berechnung der Grundsteuer künftig eine stärkere Rolle spielen. Der Einheitswert soll künftig aus fünf Komponenten errechnet werden: Nettokaltmiete, Wohnfläche, Baujahr, Grundstücksfläche und regionaler Bodenrichtwert. Alle diese Werte sollen die Finanzbehörden Anfang 2020 erhalten, weil jeder Immobilienbesitzer verpflichtet werden soll, dann eine Steuererklärung mit diesen Daten abzugeben.

Welche Folgen hat das für Immobilienbesitzer?

Da die Nettokaltmiete mit einfließt in die Berechnung, wird es in attraktiven Wohnlagen mit hohen Mieten auch zu höheren Grundsteuerbelastungen kommen. Damit wird vor allem in den Großstädten gerechnet. Ein besonderer Fall ist Berlin, wo im Westteil der Stadt wegen der Einheitswerte von 1964 deutlich mehr Steuer bezahlt werden muss als im Ostteil, wo noch die Einheitswerte von 1935 gelten. Eigentümer sollen im Schnitt aber allenfalls „einen niedrigen bis mittleren zweistelligen Euro-Betrag pro Jahr“ mehr bezahlen müssen, hieß es im Finanzministerium.

Wie kommt der Vorschlag an?

Da in den Ballungsräumen mit einem Steueranstieg zu rechnen ist und dadurch die Mieten weiter steigen dürften, hagelte es Kritik von Eigentümern, Mieterbund und Oppositionsparteien. Immobilienwirtschaft, Eigentümerverband, Ökonomen sowie der Freistaat Bayern trommelten erneut für ein wertunabhängiges Modell, das die Ländermehrheit aber nicht unterstützt. Dabei würde die Grundsteuer schlicht nach der Grundstücks-, Wohn- und Nutzfläche berechnet. Nachteil wäre, dass teure Immobilien genauso besteuert würden wie günstige. Der Mieterbund machte sich für das Bodenwertmodell stark: Die Grundsteuer würde allein nach dem Wert eines Grundstücks bemessen.

Was wollen die Länder?

Die Mehrheit der Länder hatte schon 2016 ein so genanntes Kostenwertmodell favorisiert, bei dem die Herstellungskosten einer Immobilie maßgeblich sind. Es kommt dem von Scholz vorgeschlagenen Modell relativ nahe. Bis Jahresende will Scholz mit den Ländern, denen er seine Pläne am Mittwoch vorstellt, Einigkeit erzielen. Bis Eende 2019 will er das Gesetz durch Bundestag und Bundesrat bringen.

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