Kritik des Bundesverbands der Verbraucherzentralen Schieflage der Strompreise belastet Privathaushalte mehr als Unternehmen

Berlin · Während der Strompreis für private Kunden steigt, gibt es für Firmen immer mehr Ausnahmen. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen fordert einen Neustart in der Finanzierung der Energiewende und eine faire Verteilung der Kosten.

 Rund 1030 Euro gab ein Durchschnittshaushalt im vergangenen Jahr für Strom aus.

Rund 1030 Euro gab ein Durchschnittshaushalt im vergangenen Jahr für Strom aus.

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Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) beklagt eine unfaire Verteilung der Kosten für den Umstieg auf saubere Energien. "Die Verbraucher mussten 2017 doppelt so viel für Strom ausgeben wie im Jahr 2000", rechnet Verbands-Chef Klaus Müller vor. Rund 1030 Euro gab ein Durchschnittshaushalt 2017 für Elektrizität aus. Im Jahr 2000 waren es knapp 490 Euro. Damit stiegen die Energiepreise deutlich stärker an als die Lebenshaltungskosten insgesamt. "Die Haushalte sind die Zahlmeister der Energiewende", kritisiert Müller.

Gleich mehrere Faktoren sind für die Schieflage verantwortlich. So werden die energieintensiven Unternehmen von Netzentgelten für die Durchleitung des Stromes vom Kraftwerk in den Betrieb befreit. Die Zahl der so unterstützten Fabriken stieg in den vergangenen drei Jahren von 1755 auf 4513 an. Im Jahr 2014 summierte sich diese Subvention auf 358 Millionen Euro, im vergangenen Jahr schon auf 787 Millionen Euro.

Auch bei der Förderung des Ökostroms fahren die Verbraucher schlechter als die Wirtschaft. Die privaten Haushalte verbrauchen nur 25 Prozent der Elektrizität, kommen aber für 36 Prozent der EEG-Umlage für die erneuerbaren Energien auf. Schließlich belastet die Stromsteuer Privathaushalte zusätzlich. "Eine gerechte Finanzierung ist überfällig", sagt Müller daher.

Entlastung um gut sieben Milliarden Euro

Der vzbv fordert einen Neustart in der Finanzierung der Energiewende und eine faire Verteilung der Kosten. "Die Stromsteuer sollte weitgehend abgeschafft werden", fordert Müller. Außerdem müsse die Befreiung der Unternehmen von Netzentgelten aufgehoben werden. Die Ausnahmen der Industrie bei der EEG-Umlage will der vzbv aus Steuermitteln ausgleichen lassen. Außerdem ist der Verband dafür, dass Betriebe, die ihren Strom mit fossilen Brennstoffen selbst erzeugen, die volle EEG-Umlage tragen.

Alles zusammengenommen könnte den Strompreis für private Haushalte deutlich nach unten bringen. Die Durchschnittsfamilie würde nach Berechnungen des Verbands jährlich 150 Euro sparen. Zusammengerechnet ergäbe sich eine Entlastung um gut sieben Milliarden Euro. In dieser Frage arbeiten die Verbraucherzentralen schon länger auch mit dem Handelsverband zusammen. Denn diese Branche ist von der unfairen Kostenverteilung ebenso betroffen wie seine Kunden.

Von der neuen Bundesregierung wünscht sich Müller darüber hinaus auch kundenfreundliche Regeln für die Fernwärme. Anders als bei Strom oder Gas können die Verbraucher hier nicht problemlos Preise und Leistungen vergleichen und anschließend zu einem für sie passenden Anbieter wechseln. Der Ausbau der Fernwärme werde als wichtiger Baustein für eine effiziente Energieversorgung der Zukunft gesehen, erläutert der vzbv, "vor diesem Hintergrund müssen die Rechte der Verbraucher gestärkt werden." Dabei geht es um 5,5 Millionen Haushalte, die derzeit mit Fernwärme versorgt werden. Ein Problem sind lange Vertragslaufzeiten.

Der erste Vertrag läuft über zehn Jahre, danach sind fünfjährige Kontrakte die Regel. Die Anbieter seien immer noch nicht verpflichtet, ihre Preise und den von ihnen genutzten Energiemix zu veröffentlichen, kritisiert der Verband. "Wenn es im Fernwärmemarkt nicht zu mehr Wettbewerb kommt, muss eine Entgeltregulierung eingeführt werden", verlangt der vzbv.

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