Konzern-Karriere Philipp Schindler aus Düsseldorf ist Deutschlands Mr. Google

Düsseldorf · Er ist Mitglied im Vorstand bei Google und für das weltweite Werbegeschäft des IT-Konzerns zuständig. Der Rheinländer Philipp Schindler begann seine Karriere allerdings nicht in einer Garage, sondern im Kinderzimmer seines Gerresheimer Elternhauses.

 Philipp Schindler, weltweiter Sales-Chef von Google, nimmt am 19.01.2016 in München (Bayern) auf der DLD-Konferenz (Digital-Life-Design) an einer Diskussion unter dem Titel "What will you do next?" teil. Auf der Innovationskonferenz diskutieren hochkarätige Gäste drei Tage lang über Trends und Entwicklungen rund um die Digitalisierung. Foto: Matthias Balk/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit

Philipp Schindler, weltweiter Sales-Chef von Google, nimmt am 19.01.2016 in München (Bayern) auf der DLD-Konferenz (Digital-Life-Design) an einer Diskussion unter dem Titel "What will you do next?" teil. Auf der Innovationskonferenz diskutieren hochkarätige Gäste drei Tage lang über Trends und Entwicklungen rund um die Digitalisierung. Foto: Matthias Balk/dpa +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit

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Wer Philipp Schindler googelt, wird enttäuscht. Die Suchmaschine weiß wenig. Ein Profil im Berufsnetzwerk LinkedIn, ein altes Interview und eine Meldung über die Gründung eines Investmentfonds. Philipp Schindler ist der ranghöchste Deutsche beim IT-Weltkonzern und einer der einflussreichsten Manager im Silicon Valley – und einer der Stillen.

Knapp 15 Monate dauerte es, bis ein Treffen mit dem 46-Jährigen zustande kommt. Am Düsseldorfer Flughafen, Privatjet-Terminal. Er kommt ohne Entourage, ohne Sprecher. Gleich geht es weiter nach London. 1,94 Meter ist er groß, dunkler Lockenkopf, blaue Augen. „Unser Unternehmen ist exponiert genug, ich dränge nicht selbst in die Öffentlichkeit“, erklärt er die wenig aussagekräftigen Google-Treffer zu seiner Person.

Exponiert, ja, das passt wohl zu Schindlers Arbeitgeber. Google, der Gigant: 1995 in einer Garage in Menlo Park gegründet, erwirtschaftet der Mutterkonzern Alphabet heute mit 75.000 Mitarbeitern weltweit einen Umsatz von 75 Milliarden Euro (2016). Gewinn: 24 Milliarden. Der Tech-Konzern ist an der Börse knapp 580 Milliarden Euro wert, dafür könnte man die zehn größten Dax-Firmen kaufen.

Google ist die meistbesuchte Internetseite der Welt. Wer im Netz sucht, „googelt“. Der Marktanteil liegt bei 90 Prozent, das hauseigene Betriebssystem Android läuft auf neun von zehn verkauften Smartphones. Dazu Cloud-Dienste, Software, Spiele. Und seit 2016 die Videoplattform Youtube, die pro Minute 600 Stunden bewegte Bilder hochlädt. Immer, wenn es klickt, verdient Google mit. Persönliche Daten sind der Treibstoff für das Wachstum. Das Geschäftsmodell ist personalisierte Werbung, die immer treffsicherer wird, je mehr Google über seine Nutzer weiß. Drei Viertel des Umsatzes kommen aus der Werbung bei Suchanfragen oder Videos.

Mitarbeiter in 80 Nationen berichten an ihn

Werbemilliarden – dafür ist Business-Chef Philipp Schindler zuständig. 14.000 Mitarbeiter in 80 Nationen berichten an ihn. Schindlers Teams helfen Millionen kleinen und mittleren Unternehmen, ihr Geschäft zu digitalisieren, ihre Onlinewerbung zu optimieren. „Je erfolgreicher unsere Geschäftspartner in der digitalen Welt wachsen, desto besser für uns.“ Insider schätzen Schindlers Gehalt inklusive Boni auf 80 Millionen Euro. Er selbst sagt dazu nichts. Zum Vergleich: Dax-Topverdiener wie SAP-Chef Bill McDermott und Daimler-CEO Dieter Zetsche kommen auf 10 bis 15 Millionen.

Schindlers Karriere beginnt nicht in einer Garage, sondern im Kinderzimmer seines Gerresheimer Elternhauses. Der junge Philip bastelt an seinem Commodore 64, programmiert Zeile um Zeile, während andere draußen Fußball spielen. „Ich war besessen“, erinnert er sich. Nach der Schule studiert er Betriebswirtschaft an der European Business School in Oestrich-Winkel, in Hessen.

Als 26-Jähriger kommt er in das Nachwuchsprogramm bei Bertelsmann und wechselt später zu AOL, wo er zum Marketing-Chef aufsteigt. Schindler wirbt mit Boris Becker für das Internet („Bin ich schon drin?“) und flaggt das Hamburger Fußballstadion in AOL-Arena um. 2005 wirbt ihn Google ab und macht ihn zum Deutschland-Chef. 2015 gelingt ihm mit der Neustrukturierung von Alphabet/Google der Sprung in das Top-Management, als Chief Business Officer. Der Mann fürs Geschäft.

In der Branche gilt der Hobbysurfer und begeisterte Skifahrer als Prozessfreak, als „Logikmensch“. Detailverliebt und diplomatisch. Mit kindlicher Neugier erzählt der 46-Jährige im Gespräch von Algorithmen, die Videos auf Urheberrechtsverletzungen scannen, aber auch Röntgenbilder analysieren könnten. Schindler lacht, gestikuliert. Er holt sein Smartphone aus der Jeanstasche und demonstriert, wie die (Google) Fotosoftware per Sprachbefehl aus Hunderten Bildern blitzschnell die Motive mit seinem Sohn auf das Display zaubert. „Toll, oder?“

Zusätzliche Rolle als Erklärer und Lobbyist

In Europa spielt der Deutsche zusätzlich die Rolle des Erklärers und Lobbyisten. Zu viel Porzellan wurde zerbrochen. 2010 hatten Googles Streetview-Fahrzeuge unbeabsichtigt 600 Gigabyte Daten aus öffentlichen W-Lan-Netzen gezogen, der Konzern entschuldigte sich und löschte die Daten. Und immer wieder die Kritik an der Marktmacht. Die EU-Kommission brummte Google dieses Jahr eine 2,4 Milliarden-Euro-Strafe auf, weil der Konzern seinen eigenen Shoppingdienst in der Suchleiste bevorzugt. Zeitungen und Zeitschriften (auch die Rheinische Post) gehen gegen den Konzern vor, weil er Inhalte nicht adäquat vergütet.

Freund oder Feind? Kaum einer in der Wirtschaft kann sein Geschäft mehr ohne Google voranbringen. Aber die Abhängigkeit besorgt viele. Für Datenschützer ist der Konzern ein rotes Tuch. Google lebt von intimen Daten seiner Nutzer. Je mehr desto besser. Nur so kann der Konzern den werbetreibenden Kunden den perfekten Zugang zur Zielgruppe versprechen. Deshalb sind Google-Programme zunächst kostenlos wie Maps, Mail oder Android, wichtiger sind die persönlichen Daten.

Schindler kennt diese Kritik. Er selbst würde den umstrittenen Satz des früheren Google-Chefs Eric Schmidt – „wenn es irgendetwas gibt, was man nicht über Sie wissen sollte, dann sollten Sie es vielleicht gar nicht erst tun“ – auch nie sagen. Er argumentiert aus der Logik des Geschäfts. „Unser Geschäftsmodell basiert auf der Glaubwürdigkeit, dass wir Nutzerdaten bestmöglich schützen und verantwortungsvoll mit ihnen umgehen. Das Vertrauen der Nutzer ist das wichtigste Gut. Warum sollten wir das gefährden?“

Die größere Herausforderung ist für den Manager ohnehin der Wettlauf um neue Geschäftsmodelle (zumal Facebook bei der Onlinewerbung massiv aufholt). Die Vernetzung aller Lebensbereiche mit digitalen Assistenten, die per Sprache gesteuert werden, beispielsweise. In diesem Rennen ist Google nur einer von vielen.

Amazon ist mit dem Assistenten Alexa vorgeprescht, auch Apple investiert Millionen in Spracherkennung.

Privat steht für Schindler die Familie im Vordergrund: Vor 8.30 Uhr morgens nimmt Philipp Schindler nur äußerst selten Termine an, er bringt die Kinder in die Schule.

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