Zwischenbilanz zum Wirtschaftsminister Peter Altmaier enttäuscht die Wirtschaft

Berlin · Peter Altmaier (CDU) leitet seit März das Wirtschaftsressort. Er rede viel und handele zu wenig, halten ihm Kritiker vor. Eine Analyse.

 Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) steht in der Kritik.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) steht in der Kritik.

Foto: picture alliance / Wolfgang Kumm

Der Bundeswirtschaftsminister kann auf jedem Podium in Berlin und Brüssel reden, er ist nah an der Kanzlerin und umgänglich zugleich. Über seine Omnipräsenz bei öffentlichen Veranstaltungen witzelte Peter Altmaier (CDU) schon selbst: „Das ist heute meine sechste Rede in Folge.“ Auch in Fernsehtalkshows ist der eloquente Saarländer ein häufiger Gast.

Reden ist nicht Altmaiers Problem, aber das Handeln. Das zeigt sich vor allem in der Energiepolitik. Die Energiewende bleibt eine Baustelle, die Strompreise sinken kaum, der Stromnetzausbau hinkt den Plänen weit hinterher, der geplante Kohleausstieg spaltet das Land. Seit März ist Altmaier schon Bundeswirtschaftsminister, doch bis heute hat er keinen neuen Energie-Staatssekretär gefunden, bei dem die Fäden der täglichen Energiepolitik zusammenlaufen könnten. Der Minister hat zwar nach eigenen Angaben mit einer Handvoll geeigneter Kandidaten gesprochen, doch für den schwierigen Posten konnte er keinen gewinnen. Das war bei seinem Vorgänger Sigmar Gabriel (SPD) anders, der mit dem ebenso umstrittenen wie kundigen Energiewende-Vordenker Rainer Baake von Beginn an einen Akzent gesetzt hatte. Branchenkenner berichten, dass ein hochrangiger Energiemanager abgewunken habe, nachdem er Altmaier bei einem Kongress des Branchenverbands BDEW habe visionslos reden hören. „Lange hat die Bundespolitik Leitlinien und ein Zielbild für die Energiewirtschaft vorgegeben. Davon ist im Moment nichts zu sehen“, kritisiert etwa RWE-Chef Rolf Martin Schmitz. „Es ist auch nicht hilfreich, wenn es keinen Energie-Staatssekretär gibt.“ Ihn ärgert, dass Altmaier weder im Streit um die Rodung des Hambacher Forstes noch bei der Kohlekommission eindeutig Flagge für die Interessen der Industrie gezeigt habe.

"Kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem"

Auch der Bundesrechnungshof sieht ein Steuerungs- und Umsetzungsdefizit im Wirtschaftsministerium, das für die Energiewende zuständig ist. Trotz jährlicher Kosten von über 34 Milliarden Euro für Steuerzahler und Stromverbraucher würden wesentliche Ziele der Energiewende wie etwa die Senkung der Treibhausgas-Emissionen oder die Senkung des Energieverbrauchs verfehlt, kritisierte der Rechnungshof in einem Prüfbericht. „Wir haben es bei der Umsetzung der Energiewende nicht mit einem Erkenntnisproblem zu tun, sondern mit einem Umsetzungsproblem“, sagt Rechnungshof-Präsident Kay Scheller.

Auch auf anderen Politikfeldern kann Altmeier aus Sicht der Wirtschaft bisher nicht reüssieren. So habe er angekündigt, wieder mehr Ludwig Erhard in sein Haus zu holen, aber geschehen sei bisher wenig, lautet die Kritik mehrerer Wirtschaftsverbände. Der Minister denkt zwar über eine „Industriepolitische Strategie“ und eine „Charta der Sozialen Marktwirtschaft“ nach, doch beides ist bisher nur Ankündigung. „Wo ist Altmaier, wenn die SPD ihr Renten- und Arbeitsmarktpaket zu Lasten der Wirtschaft durchsetzt?“, fragt ein Insider aus der Regierung. „Warum hat das Haus bis heute keinen neuen Chefvolkswirt?“, fragt ein anderer.

Mittelstand enttäuscht

Auch der Mittelstand ist enttäuscht: Seinen Frust machte der Mittelstandsausschuss des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) in einem Papier öffentlich, das den Titel „Enttäuschung über ausbleibende Mittelstandsstrategie“ trägt. Darin heißt es, Altmaier habe sich zu Beginn seiner Amtszeit als „Minister für den Mittelstand“ bezeichnet, in der Praxis sei er aber über Ankündigungen nicht hinausgekommen. Der Mittelstand werde in Sonntagsreden gelobt, gleichzeitig explodierten die Energiekosten und die Bürokratie ufere aus, sagte der Ausschussvorsitzende Hans-Toni Junius dem „Handelsblatt“. Altmaier weiß, dass er liefern muss – prompt wurde ein fünfseitiges „wirtschaftspolitisches Aktionsprogramm“ aus seinem Ministerium bekannt. Darin fordert er eine steuerliche Entlastung der Unternehmen um 20 Milliarden Euro jährlich, zehn davon soll der komplette Wegfall des Solidaritätszuschlags bringen. Doch im Koalitionsvertrag ist festgelegt, den Soli nur für 90 Prozent der Steuerzahler ab 2021 abzuschaffen. Die restlichen zehn Prozent – darunter Mittelständler und Selbstständige – sollen ihn weiter bezahlen.

Streit um den Soli

In den Koalitionsverhandlungen mit der SPD war eine Lösung, die auch Entlastungen für Besserverdienende bedeutet hätte, nicht möglich. Der komplette Soli-Wegfall sei mit den Sozialdemokraten nicht zu machen, stellte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) klar. Solange also die große Koalition in Berlin regiert, wird Altmaiers Aktionsprogramm im Kern nicht umgesetzt. Altmaiers Papier findet aber auch Lob – etwa bei Wolfgang Steiger, Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrats. Die Unternehmenssteuern in Deutschland seien „ein Hemmschuh für Investitionen“. Doch auch Steiger ermahnt Altmaier zum Handeln: „Jetzt gilt es, sein Maßnahmenpaket auch zeitnah umzusetzen.“ Die im ersten Halbjahr 2018 erzielten staatlichen Überschüsse von über 48 Milliarden Euro seien der sprichwörtliche ‚Wink mit dem Zaunpfahl‘: „Wir können uns die von Altmaier vorgeschlagenen Steuersenkungen im Umfang von 20 Milliarden Euro problemlos leisten.“

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