KOMMENTAR Nur zum Teil überzeugend

Bonn · Warum die EZB ihre Zinspolitik nicht nur an Deutschland ausrichten kann.

Einer hat es gestern auf den Punkt gebracht: Die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank stehe wohl auf „Autopilot“. Ob die Zinsunterschiede zum Dollarraum steigen, weil Mario Draghis Kollegin Janet Yellen die Dollarzinsen schneller erhöhen will als bisher angenommen, oder ob die Inflationsrate im Euroraum und besonders in Deutschland zulegt – nichts ficht die EZB an.

Zum Teil wirkt das überzeugend, zumindest so überzeugend, wie der Euroraum überzeugend ist. Denn natürlich kann die EZB Geldpolitik nicht nur für ein Land machen, für Deutschland, wo die Inflationsrate bei 1,7 Prozent angekommen ist. Auch Irland mit seiner negativen Inflationsrate oder Belgien mit seiner über zwei Prozent hinausgehenden Teuerungsrate wollen berücksichtigt werden. Und es stimmt auch, was Draghi sagt, wenn er den Deutschen vorhält, sie seien ja nicht nur Sparer, sondern auch Kreditnehmer und Arbeitnehmer, die etwa für ihre Immobilienfinanzierung oder über einen gut laufenden Arbeitsmarkt von dem niedrigen Zins profitierten.

Doch an einem Punkt kriegt Draghi seit Amtsantritt nicht die Kurve: Seine Appelle an die Regierungen der Euroländer, Strukturreformen vor allem auf den Arbeitsmärkten umzusetzen, verklingen nahezu ungehört. Dazu fehlt angesichts der niedrigen Zinsen der finanzielle Druck. Solche Reformen bedeuten zum Beispiel geringeren Kündigungsschutz, schnellere Arbeitsgerichtsverfahren, mehr „fördern und fordern“, wie es in der deutschen „Agenda 2010“ mal hieß.

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