Krise in der Euro-Zone Neue Sorge um Portugal

Lissabon/Madrid · Berlin und Brüssel zweifeln am Reformkurs des Euro-Krisenlandes Potugal. Die Regierung in Lissabon reagiert empört auf die Vorwürfe.

Es klingt widersprüchlich: An Portugals Stränden tummeln sich dieses Jahr so viele Touristen wie noch nie – rund zehn Prozent mehr Urlauber werden bis Jahresende erwartet. Und doch geht es mit der Gesamtkonjunktur des südeuropäischen Landes, das 2011 vom Euro-Rettungsfonds aufgefangen werden musste, tendenziell bergab. Zugleich sinkt das internationale Vertrauen in die neue sozialistische Minderheitsregierung in Lissabon, welche mit der Austeritätspolitik brach und Reformen zurückdrehte. In Berlin, Brüssel und beim IWF in Washington sorgt man sich, dass das Euro-Krisenland am Atlantik auf eine neue Pleite zutreiben könnte.

Sogar der stets Zuversicht ausstrahlende Ministerpräsident António Costa musste dieser Tage einräumen, dass die heimische Wirtschaft nach 1,6 Prozent im Vorjahr in 2016 wohl kaum mehr als ein Prozent wachsen wird - ursprünglich hatte er fast das Doppelte angekündigt. Entsprechend bleiben auch die Staatseinnahmen hinter den Vorhersagen zurück. Womit es unwahrscheinlich wird, dass Portugal dieses Jahr sein versprochenes Defizitziel von 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (PIB) erreichen wird. Auch der Gesamtschuldenberg, der auf 126 Prozent des BIP geschätzt wird und nur in Griechenland und Italien höher ist, drückt. Erst im Sommer war Lissabon von der EU wegen mangelnder Spardisziplin abgemahnt worden. Deutschlands strenger Finanzminister Wolfgang Schäuble macht seit Monaten kein Hehl aus seiner Meinung, dass Portugal nach seiner erklärten Abkehr vom Sparkurs auf eine neue Krise zusteuere. Der Christdemokrat Schäuble schiebt Portugals Sozialistenregierung, die von zwei kleineren linken Parteien gestützt wird, für diese Entwicklung die Verantwortung dafür zu. Das iberische Land sei unter der früheren konservativen Regierung bei der Bewältigung der Schuldenkrise erfolgreich gewesen. Das habe sich geändert, als die neue Mitte-Links-Regierung kam, sagte Schäuble dieser Tage.

Portugals Sozialisten reagierten empört und schossen scharf zurück: „Jeder weiß, dass der deutsche Finanzminister ein Brandstifter ist, der sich den Anschein eines Feuerwehrmannes gibt“, wetterte Sozialistenchef Carlos César. Ministerpräsident Costa warf Schäuble Ignoranz vor: Die portugiesische Regierung höre nur auf jene Deutschen, „welche Portugal kennen und daher wissen, wovon sie sprechen“. Costa, der bei seinem Amtsantritt im November 2015 „das Ende der Austeritätspolitik“ verkündet hatte, weist alle Warnungen von einer neuen Krise als ideologisch motivierten „Unsinn“ und „Mythos“ zurück.

Doch Schäuble ist nicht der Einzige der vor einem Absturz der Portugiesen warnt. Der Chef des Euro-Rettungsfonds, Klaus Regling, sieht ebenfalls mit Sorge Portugals Kehrtwende: Kürzungen der Beamtengehälter wurden rückgängig gemacht, die Arbeitszeit im Öffentlichen Dienst reduziert, vier schon abgeschaffte Feiertage wieder eingeführt, Privatisierungen zurückgedreht, Steuern zusammengestrichen. „Das muss man schon mit Sorge verfolgen,“ sagte Regling. Das noch nicht stabilisierte Land setze seine Zukunft aufs Spiel. „Da gibt es ein paar Warnzeichen.“

IWF und EU, die Portugal 2011 mit einem Rettungskredit von 78 Milliarden Euro aus der Patsche halfen, fordern von Lissabon neue Sparanstrengungen, um auf Kurs zu bleiben. Der eingelegte Rückwärtsgang in der Reformpolitik, schreibt der IWF in seinem jüngsten Lagebericht, „erzeuge Unsicherheit, die zur Abschwächung der Investitionen beizutragen scheint“. Angesichts sinkender Staatseinnahmen will Portugal nun wieder an der Steuerschraube drehen – dieses Mal in die andere Richtung: In 2017 sollen zunächst Sondersteuern steigen, zum Beispiel für Tabak, Bier, Süßigkeiten, Immobilien und Autos.

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