Ökonom aus Köln Mehr Investitionen in Deutschland gefordert

Bonn · Der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung hat Verständnis für Frankreichs Kritik am deutschen Leistungsbilanzüberschuss. Was der Bundesfinanzminister besser machen könnte, verrät er im GA-Interview.

 Professor Achim Wambach.

Professor Achim Wambach.

Foto: dpa

Mehr empirische Forschung sei nötig, um zu verstehen, wie die Globalisierung allen zugute kommen kann, sagt der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung, Achim Wambach. Mit ihm sprach Ulla Thiede.

Diese Woche kam die Meldung:neuer Außenhandelsrekord der Deutschen. Bejubeln Sie das oder sehen Sie das ähnlich kritisch wie die Franzosen?

Achim Wambach: Bejubeln ist für mich der falsche Begriff. Deutschland hat sehr kompetitive Produkte, das ist sehr gut. Aber der Leistungsbilanzüberschuss ist ein Problem. Überschuss heißt, wir exportieren mehr als wir importieren, aber wir legen auch mehr Kapital im Ausland an. Das ist die Rückseite derselben Medaille. Das liegt daran, dass wir mehr sparen als investieren.

Was sollen wir tun? Der Bundesfinanzminister sieht keinen Handlungsbedarf.

Wambach: Die öffentliche Hand muss mehr investieren, aber auch die Privatwirtschaft. Wenn man unsere Schulen oder öffentlichen Anlagen sieht, erkennt man, dass es Bedarf gibt. Im Dienstleistungsbereich – der macht knapp 70 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus – können Regelungen gelockert werden. Diese Regelungen machen es ausländischen Unternehmen schwer, nach Deutschland zu liefern. Seien es die Meisterordnungen, die Honorarordnungen, Versicherungsthemen – ich kann beispielsweise nicht einfach zu einem französischen Steuerberater gehen. Für Unternehmen ist es offenbar attraktiver, im Ausland zu investieren.

Sollten wir Steuern senken?

Wambach: Es gibt gute Gründe, Steuern und Abgaben zu senken. Die kalte Progression und das gute Wirtschaftswachstum haben die Staatseinnahmen in den vergangenen Jahren stark ansteigen lassen. Das sollte man den Steuerzahlern irgendwann wieder zurückgeben.

Und an welche Steuern würden Sie herangehen?

Wambach: Die kalte Progression sollte abgeschafft werden, weil immer mehr Menschen in den Spitzensteuersatz hineinwachsen. Das passt mit einer progressiven Besteuerung nicht zusammen. Auch der Solidarzuschlag ist so viele Jahre nach der Wiedervereinigung nicht mehr zu begründen. Die Mehrwertsteuer zu senken, empfehle ich eher nicht. Sie ist auch im EU-Vergleich nicht so hoch.

Funktioniert der EU-Stabilitätspakt?

Wambach: Er zeigt zumindest eine Wirkung. Länder, die eine Verschuldung über drei Prozent haben, unterliegen einem enormen Druck, sie abzubauen. Aber die Budgetkontrolle zu stärken ist jetzt die Aufgabe. Eine unabhängige Institution, die vor die EU-Kommission geschaltet wird und den Pakt überwacht, wäre gut. Die Einrichtung des neuen Europäischen Fiskalrats geht in die richtige Richtung, das Potenzial ist jedoch noch nicht ausgeschöpft.

Ist die Drei-Prozent-Grenze sakrosankt?

Wambach: Gerade in einer Krise gibt es gute Gründe dafür, das Haushaltsdefizit auch über die Drei-Prozent-Grenze heben zu dürfen. Aber für diese Fälle gelten auch Ausnahmeregeln beim Stabilitätspakt,

Wie können wir also Frankreich helfen, die wirtschaftlichen Probleme zu lösen?

Wambach: Frankreich muss sich in erster Linie selber helfen. Verantwortlich für die Arbeitslosigkeit in Frankreich ist die französische Regierung. Andererseits profitieren wir von einem starken Frankreich, denn es ist unser zweitgrößter Exportpartner nach den USA. Ich verstehe insofern die Kritik der Franzosen am deutschen Leistungsbilanzüberschuss. Wenn wir viel verkaufen, führt es tendenziell dazu, dass der Euro stärker ansteigt. Hätten wir die D-Mark, wäre die Währung der Franzosen sicher schwächer bewertet.

Wie beurteilen Sie die anderen Ideen des neuen Präsidenten Emmanuel Macron bezüglich der EU?

Wambach: Der Vorschlag, gemeinsame Verschuldungspakete zu schnüren, also Eurobonds, ist unausgegoren. Wir bräuchten dann auch eine unabhängige Instanz, die über die Ausgaben der Staaten entscheidet. Deshalb der andere Vorschlag von Macron, einen europäischen Wirtschafts- und Finanzminister zu ernennen. Das Problem ist, dass diesem Amt das demokratische Mandat fehlt. Das EU-Parlament funktioniert noch nicht wie ein nationales Parlament.

Bekommen wir jetzt einen Steuersenkungswettbewerb, weil unsere wichtigsten Partnern die Unternehmenssteuern senken wollen?

Wambach: Niedrige Steuern kommen den Unternehmen und deshalb dem Wirtschaftswachstum zugute. Übrigens: Wer sich in Europa mit niedrigen Steuern ansiedeln möchte, findet seine Steuersätze. Irland etwa ist ein Niedrigsteuerland. Aber gerade die großen Länder benötigen auch die Einnahmen der Unternehmenssteuer. Insofern muss man abwarten, was die USA unter Donald Trump und Großbritannien von ihren Plänen wirklich umsetzen werden.

Wie wichtig ist das Freihandelsabkommen TTIP?

Wambach: Der Außenhandel hat extrem stark zum Wohlstand beigetragen. Wenn wir es hinbekommen, ein Wirtschaftsabkommen zwischen den zwei großen Wirtschaftsblöcken EU und USA zu schließen, das Regeln und Standards definiert, dann setzt das die Standards auch über diese Region hinaus. Wir können hier mit im Fahrersitz sitzen, sonst machen die Vereinigten Staaten lauter regionale Abkommen und wir müssen uns dann deren Regeln anschließen. Es ist ein Fehler der Briten, wenn sie glauben, alleine ginge es Großbritannien besser. Ich denke, dass die Verhandlungen über TTIP entgegen Trumps früheren Ankündigungen wieder aufgenommen werden.

Haben Sie Verständnis für die Sorgen der TTIP-Gegner?

Wambach: Bemerkenswert ist, dass es Gegner auf der politischen Rechten und auf der Linken gibt. In Frankreich kommt die Gegnerschaft aus beiden politischen Lagern, in den USA ist sie vor allem bei den Trump-Anhängern angesiedelt. Sie sehen sich als Verlierer der Globalisierung, weil bei ihnen in den letzten Jahrzehnten viele Fabriken geschlossen wurden. Das Problem der USA: Sie importieren viel aus China, aber verkaufen dorthin sehr wenig. Das ist bei uns anders: Deutsche Maschinen sind bei den Chinesen sehr gefragt.

Was ist zu tun?

Wambach: Wirtschaftswachstum hilft, damit auch die, die durch die Globalisierung unter Druck geraten, schnell neue Möglichkeiten finden. Wir müssen uns allerdings auch auf empirischer Ebene noch stärker engagieren um festzustellen, wo und wie Globalisierung genau wirkt. Die Daten zeigen, dass der Strukturwandel stärker durch Technologie getrieben ist als durch den Außenhandel. Der ist aber eine klarer definierte Ursache, warum sich viel Kritik auf die Globalisierung konzentriert. Gegen die Digitalisierung kann man schwer vorgehen. Wir gehen beim ZEW der Frage nach: Wie wirkt Globalisierung in der Region? Was sind die Schalthebel beim Strukturwandel? Wenn wir das besser verstehen, können wir auch Maßnahmen ergreifen, damit alle profitieren.

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