Weltwirtschaftsforum in Davos Mays unsanfte Landung in der Realität

Davos · Während Großbritanniens Premierministerin für ein offenes Miteinander wirbt, ziehen Banken Jobs aus London ab.

 „Wir verlassen die EU und wenden uns gleichzeitig der Welt zu“: Premierministerin Theresa May am Donnerstag in Davos.

„Wir verlassen die EU und wenden uns gleichzeitig der Welt zu“: Premierministerin Theresa May am Donnerstag in Davos.

Foto: dpa

Unsanfte Landung für Großbritanniens Premierministerin Theresa May: Mehrere Banken kündigten jetzt an, Arbeitsplätze auf den Kontinent zu verlagern. Währenddessen versuchte May, der Wirtschaftselite in Davos den geplanten Austritt aus der Europäischen Union zu erklären. Großbritannien werde eine neue globale „Führungsrolle für freie Märkte und freien Handel“ übernehmen, sagte May.

May versucht derzeit, das Beste aus der Situation zu machen. Sie war gegen den Brexit, will ihn als Regierungschefin nun aber umsetzen. Dabei grätschen ihr die Unternehmen dazwischen, die sie in der großen Halle des Kongresszentrums von Davos am Donnerstag direkt ansprach.

Noch während des Weltwirtschaftsforums erklärte Axel Weber, Verwaltungsratspräsident der Bank UBS, etwa 1000 Arbeitsplätze von den britischen Insel in die EU zu verlagern. Rund 20 Prozent des Handelsgeschäfts des Instituts HSBC werde vermutlich in Paris angesiedelt, sagte dessen Chef Stuart Gulliver. Barclays-Chef Jes Staley deutete Ähnliches an. „Wir werden wohl bestimmte Aktivitäten verschieben müssen“, sagte Staley in einem BBC-Interview am Donnerstag. Inga Beale, die Chefin der Versicherung Lloyds hatte am Mittwoch in Davos betont, dass man eine neue Tochtergesellschaft innerhalb der EU gründen werde. Die konservative britische Premierministerin erläuterte, dass ihr Land im Welthandel alleine erfolgreicher sein könne, als wenn man innerhalb der EU bleibe. Um wenigstens einige Vergünstigungen für den Handel mit Europa zu erhalten, strebt sie „ambitionierte Freihandelsabkommen“ mit der EU und anderen Staaten an. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble signalisierte, dass man in den kommenden Verhandlungen das Beste tun werde, um die gegenseitigen Beziehungen so eng wie möglich zu halten. Er warnte Großbritannien jedoch davor, sich über niedrigere Unternehmensteuern Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.

„Wir verlassen die EU und wenden uns gleichzeitig der Welt zu,“ sagte May. Sie kündigte ein „ehrgeiziges Programm für ein besseres Großbritannien“ an. „Das Vereinigte Königreich soll der beste Platz für Investitionen werden.“ Mit einer neuen Industriestrategie will sie erfolgreiche Unternehmen fördern.

Gleichzeitig mahnte sie die Wirtschaft, ihre Geschäfte in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen und faire Steuern zu zahlen. „Die Gewinne der Wirtschaft müssen allen zugutekommen,“ so May. „Freier Handel und Globalisierung dienen allen Bürgern,“ postulierte sie.

So versuchte sie, eine Brücke zwischen den Befürwortern des Brexits und den Interessen der weltmarktorientierten Firmen zu konstruieren. Beim Volksentscheid hätten sich ihre Mitbürger dafür entschieden, wieder „Kontrolle über die britische Politik zu erlangen“, um gleichzeitig „ein globaleres und internationales Großbritannien zu bekommen“. Ob diese Interpretation zutrifft, erscheint fraglich. Haben doch viele Briten gerade gegen die Einwanderung aus osteuropäischen Staaten gestimmt.

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