Aktienanlage für Privatkunden Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt im langjährigen Schnitt

FRANKFURT/MAIN · Nach acht Jahren ständig steigender Kurse gilt die Bewertung von Aktien immer noch niedriger als die von Immobilien und Staatsanleihen.

 Blick in den Frankfurter Börsensaal: Aktien werden anfällig für Korrekturen.

Blick in den Frankfurter Börsensaal: Aktien werden anfällig für Korrekturen.

Foto: dpa

Irgendwann wird auch diese Marke fallen: die 13 000 Punkte beim Deutschen Aktienindex (Dax). Einige Male schon hat das führende deutsche Börsenbarometer, Indikator für den Marktwert der 30 größten deutschen börsennotierten Unternehmen, kurz davor kehrt gemacht, zuletzt am vergangenen Dienstag bei 12 951,54 Zählern. Gewinnmitnahmen, fallende Ölpreise, eine schrumpfende Industrieproduktion in Amerika, auch Äußerungen über harte Preiskämpfe aus Unternehmen wurden als Grund genannt. Das mag alles sein. Aber vor allem treibt Anleger die Frage um, Aktien könnten mittlerweile zu teuer sein. Das ist nach acht Jahren nahezu unaufhörlichen Steigens, von knapp 4000 auf nun knapp 13 000 Punkte, sicher keine dumme Frage. Allein in diesem Jahr hat der Dax im ersten Halbjahr rund zwölf Prozent zugelegt.

Aktien hätten ihr „fundamental gerechtfertigtes Potenzial ausgereizt“, sagt Marktanalystin Claudia Windt von der Helaba. „Sie dürften anfällig für Korrekturen bleiben.“ Michael Bissinger von der DZ Bank stimmt in der Kurseinschätzung überein, spricht von einer „inzwischen hohen Bewertung“ an den Aktienmärkten. In der Schlussfolgerung aber weicht er ab: Das zweistellige Gewinnwachstum der Unternehmen „sollte die Aktienmärkte weiter nach oben tragen“. Ähnlich Chris-Oliver Schickentanz, der Anlagestratege für die private Kundschaft der Commerzbank: Ja, es sei schon viel passiert in diesem Jahr, nochmals zwölf Prozent im zweiten Halbjahr seien wohl nicht drin, aber drei, vier Prozent schon.

Man muss die Frage, ob Aktien teuer sind oder nicht, schließlich selbst entscheiden. Zwei relativ leicht zugängliche Kennziffern bieten sich an: das Kurs-Gewinn-Verhältnis („KGV“) und die Dividendenrendite. So wie Immobilien etwa mit dem Mehrfachen ihres jährlichen Mieterertrages gehandelt werden, werden Aktien mit einem Mehrfachen ihres Gewinns pro Aktie bewertet. Für die 30 Dax-Aktien betrug das Kurs-Gewinn-Verhältnis im Jahr 2000 (vor dem „Crash“) knapp 30, vor sechs Jahren etwa neun, jetzt sind es knapp 14. Das entspricht dem historischen Durchschnitt. Im historischen Vergleich sind die führenden Aktien also nicht billig, aber auch nicht teuer.

Teure Eigentumswohnungen

Man kann das auch mit anderen Märkten vergleichen: Eigentumswohnungen in gefragten Gegenden werden derzeit häufig mit dem gut 30-fachen des jährlichen Mietertrages angeboten. Auch die 40-fache Jahresmiete als Kaufpreis kommt vor. Bundesanleihen mit einer Restlaufzeit von zehn Jahren werfen derzeit eine Rendite von 0,24 Prozent ab. Das „Renten-KGV“ bekommt, wer 100 durch die Rendite teilt. Das Renten-KGV einer zehnjährigen „Bund“ liegt also derzeit bei knapp 417. Immobilien in guter Lage und vor allem sichere Staatsanleihen sind also deutlich, im Falle der Anleihen sogar extrem teurer als Aktien.

Freilich muss man das Aktien-KGV auch im Zusammenhang mit dem betroffenen Unternehmen sehen: Ein niedriges KGV zeigt nicht nur an, dass eine Aktie im historischen Vergleich billig ist. Das KGV kann auch niedrig sein, weil der Markt dem Unternehmen nichts mehr zutraut, weil also ein hoher Gewinn des Vorjahres in Relation zu aktuell miesen Gewinnaussichten gesetzt wird. Bei den Versorgern RWE und Eon war das lange der Fall, als sie im Zuge der Anti-Atom- und Erneuerbare-Energien-Politik ihre historische Funktion als sichere „Witwen- und Waisen-Papiere“ verloren und wegen der sinkenden Strompreise statt kontinuierlicher Gewinne Verluste in Milliardenhöhe produzierten.

Knifflige Dividendenrendite

Ähnlich knifflig kann die zweite Messgröße sein, die Dividendenrendite. Um sie zu berechnen, wird die Dividende durch den aktuellen Aktienkurs geteilt und dann mit 100 multipliziert. Diese Kennziffer liegt für die 30 Dax-Werte derzeit bei 2,65 Prozent. Das Niveau sollte nicht groß bedroht sein. Denn Analysten erwarten für die Unternehmensgewinne dieses Jahr ein zweistelliges Plus. Und die Dividenden, die im Frühjahr 2018 für das Jahr 2017 ausgeschüttet werden, sollten deshalb um zehn Prozent angehoben werden. Die 2017 ausgeschüttete Dividendensumme der 30 Dax-Unternehmen hatte mit 31,6 Milliarden Euro ein Rekordhoch erreicht und 6,5 Prozent höher gelegen als 2016. Wichtiger als die aktuelle Rendite ist die Frage, ob die Dividende auch nachhaltig zahlbar ist, ob sie also auch ausgeschüttet wird, wenn es mal nicht ganz so gut läuft. Ein Hinweis: Hohe Ausschüttungsquoten, wenn also rund 70 Prozent des Gewinns als Dividende fließen, klingen gut, gelten aber als Unsicherheitsfaktor, weil schnelle Dividendenkürzungen drohen. Unternehmen bemühen sich zwar um Dividendenkontinuität, greifen gelegentlich auch in die Substanz, um eine Dividende auszuschütten. Das sollte einem Aktionär mit unternehmerischem Denken aber eigentlich nicht schmecken.

In solchen Situationen dürfte die Dividendenrendite sehr hoch sein – ein Kaufsignal ist sie aber nicht. Denn dann steht die zuletzt gezahlte Dividende im Verhältnis zum aktuellen Kurs. In dem zeigen sich aber schon die eingetrübten Aussichten. Er steht also tief, was die Dividendenrendite automatisch steigert. Die Dividendenrendite, sagt Marc Tüngler, der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz „ist als einzelne Kennzahl mit Vorsicht zu genießen“.

Fazit: Beim Aktienkauf ist im Zweifel weniger (Dividendenrendite) mehr. Gier ist ein ganz schlechter Ratgeber. Das aktuelle Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt im langjährigen Durchschnitt. Aktien sind also trotz guter Gewinn- und Dividendenprognosen nicht billig. Und das abstruse Missverhältnis zwischen dem KGV von Aktien zu Bundesanleihen, knapp 14 zu gut 400, zeigt nur die verzerrende Wirkung der Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank an. Dieses Missverhältnis spricht nicht für Aktien. Es spricht gegen Anleihen. Die sind maßlos überteuert.

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