Entschädigung für Tickets bei Flugausfall Vorstandsvorsitzender: Kunden von Air Berlin fliegen ohne Risiko

Berlin · Air Berlin ist pleite - was passiert jetzt mit gekauften Tickets? Und was geschieht, wenn man jetzt noch einen Flug bei der insolventen Airline buchen möchte? Air Berlin-Vorstandsvorsitzender Thomas Winkelmann kann Kunden beruhigen.

Herr Winkelmann, Air Berlin verkauft für die Jahreswende weiter Tickets, obwohl der beantragte Übergangskredit nur drei Monate reichen wird. Sollte man diese Tickets wirklich buchen?

Thomas Winkelmann: Ich gehe aus heutiger Sicht davon aus, dass weite Teile unseres Streckennetzes von den neuen Betreibern übernommen werden. Wer jetzt bucht, geht kein hohes Risiko ein. Sonst hätte der Übergangskredit ja keinen Sinn. Jetzt muss allerdings alles sehr schnell gehen, damit unsere Kunden Sicherheit haben.

Sie verramschen USA-Tickets inklusive Rückflug bereits ab 333 Euro. Das klingt nach Panik.

Winkelmann: Diese Preise zeigen, dass der Wettbewerbsdruck enorm ist. Ich hoffe, in den nächsten Wochen erste Einigungen über die Übernahme großer Teile des Unternehmens vorstellen zu können. Wir arbeiten rund um die Uhr, um dies möglich zu machen. Die Gespräche laufen gut, ist mein Eindruck.

Gibt es Entschädigungen, wenn ein Flug ausfällt oder werden die Forderungen Teil der Konkursmasse wie bei ausgefallenen Flügen vor dem 15. August, dem Tag der Insolvenzanmeldung?

Winkelmann: Für jetzt gebuchte Flüge gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Dies bedeutet, dass für ausfallende oder stark verspätete Flüge entsprechende Entschädigungen anfallen.

Wettbewerber sagen, die nun sehr schnelle Zerschlagung von Air Berlin sei ein mit Ihrem früheren Arbeitgeber Lufthansa abgesprochenes Komplott.

Winkelmann: Unsinn. Seit Februar habe ich öffentlich immer wieder gesagt, dass wir neue Partner brauchen. Seit Ende Mai konnten Unternehmen bei der HSBC-Bank vertrauliche Informationen über Air Berlin erhalten. Mehr als zehn Unternehmen haben da reingeschaut, jetzt sprechen wir mit mehr als drei großen börsennotierten Unternehmen über einen Verkauf.

Der Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl würde gerne das ganze Unternehmen kaufen und sieht sich ausgebootet.

Winkelmann: Herr Wöhrl hat bis heute kein substanzielles Angebot abgegeben. Er hat sich auch nicht gemeldet, als wir auf Partnersuche gingen.

Die Idee, Air Berlin komplett zu retten, klingt logisch. Immerhin war dies Ihre eigene Strategie bis zur Insolvenzankündigung und nach der Insolvenz sind die hohen Schulden weg.

Winkelmann: Herr Wöhrl ist willkommen, uns ein seriöses, durchfinanziertes Angebot für eine Komplettübernahme zu machen.

Und jetzt wird Ihr früherer Arbeitgeber Lufthansa der strahlende Sieger?

Winkelmann: Wir wollen so viele Arbeitsplätze wie möglich erhalten – auch darum ist uns das ja öffentlich verkündete Interesse von Lufthansa sehr willkommen. Die Namen der anderen Interessenten werden Sie mir dagegen nicht entlocken, weil wir Vertraulichkeit vereinbart haben.

Aber Lufthansa könnte ab Düsseldorf ein Fast-Monopol aufbauen, wenn große Teile von Air Berlin geschluckt werden?

Winkelmann: Richtig ist, dass Düsseldorf das Kronjuwel von Air Berlin ist, weil in der Region sehr viele Menschen leben, weil wir hier viele Geschäftsreisende Kunden der Air Berlin sind und weil Air Berlin selber über viele sehr attraktive Flugrechte (Slots) verfügt. Aber an den Aufbau eines neuen Monopols denkt hier keiner. Die Zeiten von Monopolen sind überall vorbei. Jeder Bieter hat Interesse an attraktiven Strecken von und nach Düsseldorf.

Und Easyjet wird Nummer Zwei in Düsseldorf?

Winkelmann: Kein Kommentar.

Glauben Sie, dass Lufthansa und deren Ableger Eurowings das Langstreckennetz von Air Berlin in Düsseldorf weiter betreiben werden?

Winkelmann: Ich kann da nur allgemein antworten: Eine Langstreckenverbindung einer Airline muss sich eigenständig rechnen – und Air Berlin hat da sicher einige attraktive Strecken im Angebot wie beispielsweise New York, Miami oder Fort Myers. Gleichzeitig lohnt sich der Betrieb von Langstrecken mehr, wenn ich mit der Kurzstrecke Passagiere zuführe.

Wann kündigen Sie die ersten Mitarbeiter in der Verwaltung, weil da ja viele Jobs wegfallen?

Winkelmann: Die Frage von Kündigungen stellt sich nicht. Noch hat das Insolvenzverfahren nicht einmal offiziell angefangen. Aber wir erhalten schon jetzt viele Angebote für Kollegen von Air Berlin gerade in Berlin. Die haben einen exzellenten Ruf in der Branche und auch darüber hinaus. Gleichzeitig haben wir mit der Bundesagentur für Arbeit vereinbart, dass sie ab heute ein Beratungsbüro für unsere Kollegen bei Air Berlin öffnet.

Manchem Mitarbeiter könnte aufstoßen, dass sich der Chef sein Gehalt durch eine Bankbürgschaft in Höhe von 4,5 Millionen Euro absichern ließ, während sie um ihre Jobs bangen.

Winkelmann: Wie gesagt: Wir kämpfen um jeden der mehr als 8000 Arbeitsplätze. Wir sind auch der Bundesregierung dankbar, dass Sie uns nun helfen will, die nächste Zeit zu überbrücken. Zu meinem Vertrag nur soviel: Als Etihad Ende 2016 einen neuen Chef für Air Berlin suchte, kamen die auf mich als damals 57-jährigen zu. Als ich dann sagte, ich hätte noch einen gut dotierte Aufgabe für vier Jahre als Leiter des München-Geschäftes von Lufthansa und sei zufrieden, bot man mir einen Vier-Jahres-Vertrag.

Ich sah das als Bekenntnis zu einer langfristigen Strategie nach mehreren Führungswechseln. Also unterschrieb ich, weil ich daran glaubte, eine Sanierung von Air Berlin sei mit der neuen Strategie und neuen Partnern innerhalb der nächsten Jahre möglich.

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