Amazon-Gründer Jeff Bezos in Berlin: Raumfahrt-Visionen und Proteste

Berlin · Amazon-Chef Jeff Bezos wurde bei einer Preisverleihung in Berlin von dem Streit mit der Gewerkschaft Verdi eingeholt. Doch der reichste Mann der Welt präsentierte sich beim Axel Springer Award auch als Visionär.

Amazon-Gründer Jeff Bezos glaubt, dass sein wichtigstes Vermächtnis die Milliarden-Investitionen zur Erforschung des Weltraums sein werden.

Die von ihm finanzierte Raumfahrt-Firma Blue Origin sei "das Wichtigste, was ich mache", sagte Bezos mit Blick auf eine Zeitspanne von "ein paar hundert Jahren" bei der Verleihung des Axel Springer Awards in Berlin. Er denke, dass die Erschließung des Sonnensystems unter anderem nötig sei, um künftige Energiekrisen zu verhindern. Außerdem werde die Menschheit irgendwann die Schwerindustrie von der Erde wegverlagern.

Der 54-jährige Bezos ist Gründer und Chef des weltgrößten Online-Händlers Amazon sowie Eigentümer der "Washington Post". Seine Amazon-Beteiligung macht ihn - zumindest auf dem Papier - zum reichsten Mann der Welt mit einem Vermögen von aktuell mehr als 120 Milliarden Dollar. Springer verlieh ihm die Auszeichnung als Würdigung für visionäres Unternehmertum in der Internetwirtschaft sowie die konsequente Digitalisierungsstrategie der 140 Jahre alten US-Traditionszeitung.

Bezos wurde in Deutschland allerdings von dem Streit mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi eingeholt. Verdi fordert für die Beschäftigten in Amazons Logistikzentren schon seit Jahren einen Tarifvertrag nach den Konditionen des Einzel- und Versandhandels und organisierte vor dem Springer-Gebäude eine Protestkundgebung mit mehreren hundert Teilnehmern.

Die Gewerkschaft kritisiert, Beschäftigte könnten von den Gehältern nicht leben, während Bezos der reichste Mann der Welt sei. Außerdem sei der Arbeitsdruck zu hoch. Amazon kontert, man zahle am oberen Ende dessen, was für vergleichbare Tätigkeiten üblich sei - "an allen Standorten in Deutschland mindestens 10,52 Euro brutto pro Stunde".

Auch SPD-Chefin Andrea Nahles kritisierte die Verleihung des Preises an Bezos. Dessen "innovatives Unternehmertum" zeige sich vor allem darin, dass er mit anderen Internetplattformen "Weltmeister im Steuervermeiden" sei. Die Arbeitsbedingungen bei Amazon in Deutschland seien schlecht, ein Tarifvertrag werde verweigert. "Und das ist glaube ich nicht hinnehmbar und verdient auch keinen Preis." Verdi-Chef Frank Bsirske kritisierte, die Vergabe der Auszeichnung an Bezos habe "einen Hauch von Provokation". Amazon komme seiner gesellschaftlichen Verantwortung nicht nach. "Wir wollen keine Amerikanisierung der Arbeitsbeziehungen."

Bezos wies die Vorwürfe bei der Preisverleihung zurück. "Ich bin sehr stolz auf unsere Arbeitsbedingungen. Ich bin sehr stolz auf die Gehälter, die wir zahlen." Amazon habe in Deutschland insgesamt 16 000 Mitarbeiter. Ohne Verdi direkt zu nennen, sprach er von Kritikern, die eigene Interessen verfolgten. "Wir haben Betriebsräte und wir haben eine sehr gute Kommunikation mit unseren Mitarbeitern und wir glauben nicht, dass wir eine Gewerkschaft als Mittelsmann zwischen uns und unseren Beschäftigten brauchen." Am Ende liege die Entscheidung aber bei den Mitarbeitern.

Bezos hatte Amazon 1994 gegründet und entwickelte das Online-Buchgeschäft zum weltgrößten Einzelhändler und Anbieter von Cloud-Diensten weiter. Die "Washington Post" kaufte er in einer persönlichen Investition im Jahr 2013.

Bezos betonte, die einzige angemessene Verwendung für seinen Reichtum - "den Lottogewinn mit Amazon" - sehe er in Weltraumreisen. "Blue Origin ist teuer genug, um dieses Vermögen aufzubrauchen", sagte er zu Lachern im Publikum. Bezos bekräftigte, dass er dafür weiterhin jährlich Aktien im Wert von einer Milliarde Dollar verkaufen wolle. Bei der privaten Erkundung des Weltraums liefert sich Bezos einen Wettlauf mit dem ebenfalls milliardenschweren Tesla-Chef Elon Musk, der mit seiner Firma SpaceX zum Mars fliegen will.

Der Frage nach Attacken von US-Präsident Donald Trump, der Amazon und der ihm kritisch gegenüberstehenden "Washington Post" Steuertricks vorwirft, wich Bezos aus. Zugleich betonte er, dass er die aktuelle grundsätzliche Skepsis gegenüber Internet-Unternehmen verstehe. Die Firmen seien inzwischen so groß geworden, dass dies eine stärkere Aufsicht rechtfertige - und die Branche müsse einsehen, "dass das nicht persönlich gemeint ist". Auch wenn es für die Unternehmer selbst vielleicht schwer nachzuvollziehen sei: Für ihn selbst sei schließlich immer noch frisch in Erinnerung, wie Amazon so klein gewesen sei, dass er selber Pakete zur Post brachte.

Internet-Firmen sollten zudem ihre Nutzer nicht unterschätzen: "Wenn man ihre Daten missbraucht, finden sie das heraus." Bezos warnte zugleich, dass strengere Regeln Innovationen nicht behindern dürften. "Eine ungewollte Folge der Regulierung ist oft, dass sie dem Platzhirsch einen Vorteil verschafft." Für Amazon könnte das angesichts der aktuellen Größe sogar günstig sein - "aber ich wäre nicht glücklich darüber". Denn für die Gesellschaft sei kontinuierlicher Fortschritt wichtig.

Den undotierten Axel Springer Award erhalten nach Angaben des Medienkonzerns herausragende Persönlichkeiten, die in besonderer Weise innovativ sind, Märkte schaffen und verändern und sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellen. Vorherige Preisträger waren 2016 Facebook-Gründer Mark Zuckerberg und 2017 der britische Physiker und Informatiker Timothy Berners-Lee, der das World Wide Web erfand.

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