Kartellamt nimmt Internetwirtschaft in den Fokus Jahresbericht des Bundeskartellamts in Bonn

Bonn · Die Bonner Behörde sieht sich für das digitale Zeitalter gerüstet. Aber sie macht sich Sorgen um einen anderen Bereich.

 Entsorger kaufen Entsorger auf, beobachtet das Bundeskartellamt.

Entsorger kaufen Entsorger auf, beobachtet das Bundeskartellamt.

Foto: M. Schuppich - stock.adobe.com

Für Kartellwächter war der gestrige Mittwoch sicherlich ein guter Tag, um Bilanz zu ziehen. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes in Bonn, zeigte sich aufgeräumt, als er den Jahresbericht 2016 der Presse präsentierte. Denn die Rekordstrafe der EU-Kommission gegen Google, die diese am Dienstag bekanntgegeben hatte, ist auch ein Triumph für die Bonner Behörde, die den Brüsseler Kartellwächtern die ganze Zeit zugearbeitet hatte.

„Google ist ein Leuchtturmfall“, der belege, dass die Wettbewerbshüter nicht mehr in der „lernenden“, sondern in der „Entscheidungsphase“ seien, erklärte Mundt. Er ist überzeugt, dass das vom Kartellamt im März 2016 eröffnete Verfahren gegen Facebook wegen des Verdachts missbräuchlicher Datenverwendung noch in diesem Jahr abgeschlossen werden kann. Im Falle Googles, das über zwei Milliarden Euro Strafe zahlen soll, war die EU erst nach sieben Jahren zu einem Beschluss gekommen.

"Wichtig ist, dass wir Fälle machen."

Anfang Juni ist eine Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in Kraft getreten, das das Kartellrecht fit für das digitale Zeitalter machen soll. „Wir sind gut gerüstet für die Zukunft“, sagte Mundt. Die Rufe nach stärkerer gesetzlicher Regulierung von Internetdiensten könne er nicht verstehen: „Jede Plattform ist anders und bräuchte eine andere Regulierung. Wichtig ist, dass wir Fälle machen.“

Das heißt, das Kartellamt leitet Verfahren beim Verdacht verbotener Absprachen ein und beschließt Bußgelder „zur Abschreckung“. In den vergangenen beiden Jahren verhängte es insgesamt rund 332 Millionen Euro gegen 69 Unternehmen und 29 Privatpersonen. Betroffen waren unter anderem Automobilzulieferer, Matratzenhersteller und der Sanitärgroßhandel.

Kürzlich hat das Kartellamt eine Abteilung für Verbraucherschutz eingerichtet, die nun Wirtschaftszweige auch danach untersuchen kann, ob der Verbraucherschutz verletzt wird. In diesem Bereich betreibe man aber noch „Feldforschung“, sagte Mundt. „Wir wollen Expertise sammeln, um zielsicher sagen zu können, was da nicht in Ordnung ist.“ Ob sich seine Behörde auch den Vergleichsportalen im Internet annehmen wird, bei denen die Nutzer wissen wollten, nach welchen Kriterien sie geführt werden und ob Provisionen fließen, konnte Mundt noch nicht sagen.

In der Entsorgungsbranche gibt es eine Machtzusammenballung

Mit „großer Sorge“ beobachten die Wettbewerbshüter die Entwicklungen in der Entsorgungsbranche. Die Untersuchung der Marktbedingungen dort soll laut Mundt 2018 abgeschlossen sein. „Wir sehen Fusionen an vielen Orten. Da bekommen wir in Summe eine ganz ordentliche wirtschaftliche Machtzusammenballung.“ In welchem Volumen dies geschieht, wisse man nicht. Das liegt auch daran, dass das Kartellamt keine Handhabe hat, wenn ein Unternehmen des Zusammenschlusses weniger als fünf Millionen Euro Umsatz macht. Diese gesetzliche „Aufgreifschwelle“ gab es früher nicht. Flixbus habe durch Unternehmensübernahmen genau auf diese Weise ein „Quasi-Monopol“ erschaffen, so Mundt. Trotzdem verteidigte er die Schwelle: Heute schon überprüfe das Kartellamt jährlich Tausend Fusionen. Bevor diese Grenze eingezogen wurde, seien es doppelt so viele gewesen.

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