Wirtschaftliche Reformen Italien kommt mit seinen Schulden nicht recht vom Fleck

Rom · Italien schleppt den größten Schuldenberg in der EU mit. Warum das Land dennoch keine großen Sprünge bei wirtschaftlichen Reformen macht.

 Urlauber am Trevi-Brunnen in Rom: Der Tourismus ist eine Stütze der italienischen Wirtschaft.

Urlauber am Trevi-Brunnen in Rom: Der Tourismus ist eine Stütze der italienischen Wirtschaft.

Foto: picture alliance / Andrea Warnec

Sie nennen ihn abschätzig den „Meister aller Geldpressen“ und den großen „Zampano“ der Währungspolitik. Mario Draghi ist noch bis Ende 2019 Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) und bis dahin eine der umstrittensten Figuren des Kontinents. Für Sparer und Vertreter einer restriktiven Geldpolitik ist der 69-Jährige der Schuldige für einige Fehlentwicklungen der kontinentalen Wirtschaft. Für hoch verschuldete Länder wie Italien ist Draghi hingegen so etwas wie die Überlebensgarantie. Dass sich nun langsam das Ende der von ihm verantworteten expansiven Geldpolitik am Horizont abzeichnet, hat vor allem für Draghis Heimatland Italien Konsequenzen.

Italien profitiert vom Draghi-Kurs

Die EZB hat ihr Programm des massenhaften Ankaufs von Staatsanleihen aus EU-Ländern im April von 80 auf 60 Milliarden Euro gedrosselt. Gerätselt wird nun, wie drastisch Draghi die Anleihekäufe in der nahen Zukunft reduzieren wird. Vor allem hoch verschuldete Länder wie Italien profitieren von der Maßnahme, Draghi trägt sozusagen Teile ihrer Schuldenlast. Den jüngsten Daten der OECD zufolge wächst die gesamte Eurozone in diesem und im kommenden Jahr um 1,8 Prozent, die Inflation lag im April bei 1,9 Prozent. Das sind Daten, wie sie sich die EZB eigentlich wünschen könnte.

Europas finanzpolitische Achillesferse

Italien hingegen kommt nicht recht vom Fleck, laut OECD liegt die Wachstumsprognose bei einem Prozent. Das ist immer noch zu wenig für ein Land, das den größten Schuldenberg der EU mit sich herumschleppt. 133 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betrug die Schuldenlast zuletzt, das sind über 2250 Milliarden Euro. Dieses Minus ist Italiens, aber wegen der wirtschaftlichen Verknüpfungen auch Europas finanzpolitische Achillesferse. Gerät die drittgrößte EU-Volkswirtschaft ins Schlingern, hat das Folgen für die gesamte Gemeinschaft.

Wetten gegen den Mittelmeerstaat

Es ist deshalb beinahe schon ein Ritual, wenn die Finanzmärkte auf politische Vibrationen in Italien mit Wetten gegen den Mittelmeerstaat reagieren. Im Dezember war dies der Fall, als der damalige Premierminister Matteo Renzi in Folge einer Niederlage beim Verfassungsreferendum zurücktrat. Die Lage schien damals besonders dramatisch, weil mehrere angeschlagene italienische Banken, darunter insbesondere Monte Paschi di Siena, dringend neues Kapital zum Überleben benötigten.

Italiener bewahren eine stoische Ruhe

Vor Wochen, als Neuwahlen wegen eines inzwischen wieder geplatzten Deals für ein neues Wahlrecht nach deutschem Vorbild wahrscheinlich waren, reagierten die Märkte erneut nervös. Europa kann bereits die Uhren stellen, wenn die Italiener nun voraussichtlich im Frühjahr 2018 ein neues Parlament wählen. Auch dann wird wieder über den Kollaps der italienischen Finanzen spekuliert werden. Die einzigen, die dabei stets eine stoische Ruhe bewahren, sind die Italiener selbst.

Brisanter Mix aus Schulden und Wachstumsschwäche

Es ist ein Mix aus politischer Unsicherheit und wirtschaftlichem Himmelfahrtskommando, der die Lage Italiens so brisant macht. Die exorbitant hohen Staatsschulden müssen abgebaut werden, doch dafür ist stärkeres Wirtschaftswachstum notwendig, das in Italien wegen verkrusteter Strukturen und mangelnder Wettbewerbsfähigkeit auf sich Warten lässt. Ein Horrorszenario für das Establishment ist ein Wahlsieg der unberechenbaren 5-Sterne-Bewegung, die den Euro und die EU kritisch sieht. Von in Berlin oder Brüssel beliebten Sparpolitikern wie Ex-Premier Mario Monti haben sich die Italiener schon lange abgewendet. Deren Politik ist in Italien nicht mehrheitsfähig.

Herausforderung für die Politik

Die Herausforderung für die Politik in Rom ist, das Wachstum anzukurbeln, zu Sparen und Schulden abzubauen, strukturelle Reformen voranzutreiben und dabei den politischen Konsens bei den Italienern nicht einzubüßen. Pier Carlo Padoan, Finanzminister unter Renzi und im Kabinett des gegenwärtigen Ministerpräsidenten Paolo Gentiloni, sagt: „Wir wandeln auf einem schmalen Grat.“

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