Mehr Nebenjobs Teilzeitboom in Deutschland - Nicht immer freiwillig

Immer mehr Menschen arbeiten in Teilzeitjobs - viele freiwillig. Doch Frauen stecken aus Sicht von Ökonomen auch oft in der Teilzeitfalle fest. Zum 1. Mai dürfte das Thema hochhochen - aus aktuellem Anlass.

 Zwei Gebäudereiniger putzen in Dresden das gewölbte Glasdach des World Trade Centers.

Zwei Gebäudereiniger putzen in Dresden das gewölbte Glasdach des World Trade Centers.

Foto: Sebastian Kahnert/Illustration

Teilzeit erlebt in Deutschland einen Boom. Die Zahl der Beschäftigten in Teilzeit stieg innerhalb von 20 Jahren von 8,3 Millionen auf 15,3 Millionen im vergangenen Jahr. Die Zahl der Vollzeitbeschäftigten ist im Gegenzug seit 1996 von rund 25,9 Millionen auf 24 Millionen gesunken.

"Bei der Teilzeit gibt es durchgängig einen starken Trend nach oben", sagte Enzo Weber, Forschungsbereichsleiter des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Die Daten stammen vom IAB aus Nürnberg.

Die Linke-Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann, die anlässlich des Tages der Arbeit am 1. Mai auf die Trends aufmerksam machte, sagte der dpa: "Das vermeintliche deutsche Jobwunder bedeutet für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer prekäre und nicht existenzsichernde Beschäftigung." Aus Sicht des Arbeitgeberverbands BDA hingegen befördert Teilzeitarbeit nach einer familiären Auszeit die Rückkehr in Arbeit und stärkt Erwerbsbiografien von Frauen.

1991 gab es noch 28,9 Millionen Vollzeit- und 6,3 Millionen Teilzeitbeschäftigte. Die Teilzeitquote, der relative Anteil der Personen in Teilzeitbeschäftigung an den Erwerbstätigen, stieg seither kontinuierlich von 17,9 Prozent auf 39 Prozent 2016 an. Während die Zahl der Teilzeitbeschäftigten seit 15 Jahren kontinuierlich zunimmt, gab es bei den Vollzeitbeschäftigten nach leichten Schwankungen 2010 einen Tiefpunkt mit 22,8 Millionen. Seither nahm deren Zahl von Jahr zu Jahr zu. Unter Teilzeit erfasst das IAB, das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit, auch Teilzeitjobs mit über 20 Wochenstunden, die stark zugenommen haben.

IAB-Ökonom Weber erläuterte: "Vor allem die Frauen haben ihre Erwerbsbeteiligung über Jahre und Jahrzehnte gesteigert." Sie nähmen dabei verstärkt Teilzeit in Anspruch - mehrheitlich freiwillig. "Unfreiwillige Teilzeit gibt es auch", sagte Weber aber, "vor allem bei Frauen, die in der Teilzeitfalle hängen bleiben, wenn sie wegen der Kinder die Arbeitszeit reduziert hatten."

Die Zahl der Personen mit Nebenjob lag laut IAB im Jahr 1991 bei 900 000, bis 2016 stieg sie auf rund 3 Millionen an. 1991 gab es noch 35,2 Millionen Beschäftigte insgesamt, im vergangenen Jahr waren es 39,3 Millionen. Die Wochenarbeitszeit aller Beschäftigten sank seither von im Schnitt 35 auf 30 Stunden.

Zimmermann sagte: "Der Arbeitsmarkt hat sich in den letzten Jahrzehnten strukturell deutlich gewandelt, weg vom Normalarbeitsverhältnis in Vollzeit, hin zu in vielen Fällen nicht existenzsichernder und unfreiwilliger Teilzeit und Nebenjobs, um über die Runden zu kommen." Viele Menschen seien trotz Arbeit arm. Die Bundesregierung versage hier auf der ganzen Linie, sagte die Linken-Fraktionsvize. Nötig sei unter anderem eine Erhöhung des Mindestlohns von derzeit 8,84 auf 12 Euro. Durch den Mindestlohn waren viele Minijobs in reguläre Jobs umgewandelt worden.

Regelungen zur Teilzeitarbeit sind derzeit auch Thema strittiger Beratungen in der Koalition. Ein Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) für ein neues Recht auf befristete Teilzeit und Rückkehr auf Vollzeit liegt wegen unterschiedlicher Vorstellungen zwischen Union und SPD auf Eis. Während Nahles das neue Arbeitnehmerrecht für Unternehmen ab 15 Beschäftigten vorsieht, kam aus der Union die Forderung, die Schwelle bei 200 Beschäftigten festzulegen. Am 1. Mai (Montag) spricht Nahles bei der Hauptkundgebung zum Tag der Arbeit mit DGB-Chef Reiner Hoffmann in Gelsenkirchen.

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