Bankenrettung vor Gericht Im HRE-Prozess droht Verjährung

München · Die juristische Aufarbeitung des größten deutschen Bankenrettungsfalls wird zum Debakel.

 Georg Funke vor Gericht.

Georg Funke vor Gericht.

Foto: AFP

Dem Münchner Strafprozess um den größten deutschen Bankenrettungsfall Hypo Real Estate (HRE) droht ein unrühmliches Ende. Im schlimmsten Fall versandet das Verfahren gegen den ehemaligen HRE-Chef Georg Funke und den früheren Finanzchef Markus Fell wegen Verjährung sang- und klanglos, warnte Funke-Anwalt Wolfgang Kreuzer am Rande eines desaströsen Verhandlungstages. Grund dafür sind Datenmengen riesigen Ausmaßes, deren Sichtung eine monatelange Verzögerung auslösen könnte. Bereits im März 2018 aber würde ein Teil der Vorwürfe gegen Funke verjähren, der Rest im August 2018, erklärte der erfahrene Strafverteidiger. Dazu kommen eine Staatsanwaltschaft, die ihre Sache nicht mehr erkennbar verfolgt und eine offenbar nicht sattelfeste Richterin.

Eigentlich sollten am mittlerweile zehnten Verhandlungstag zwei Zeugen der HRE-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG vernommen werden. Ihre Aussage ist wichtig, zumal bisherige Zeugen nach übereinstimmender Einschätzung mehrerer neutraler Prozessbeobachter kaum Beweise für eine Schuld Funkes oder Fells geliefert haben. Beide sind angeklagt, die Lage ihrer Bank kurz vor deren Beinahekollaps vor rund zehn Jahren in der HRE-Bilanz und einem Zwischenbericht beschönigt und falsch dargestellt zu haben. Das Bankerduo bestreitet das und behauptet, dass die HRE lange kein Sanierungsfall gewesen sei. Erst durch fatale Äußerungen des früheren Bundesfinanzministers Peer Steinbrück sei der Immobilienfinanzierer dazu geworden.

Die Staatsanwaltschaft zitiert in ihrer Klageschrift die KPMG aber mit Mahnungen, die nach einer anderen Wahrheit klingen. „Die Liquiditätslage des Konzerns ist auf Grund der schlechten Marktlage als kritisch zu sehen“, haben KPMG-Prüfer Anfang 2008 geschrieben und dringend die Erstellung eines Liquiditätskatastrophenplans empfohlen. Es bestehe „allerhöchster Handlungsbedarf“. Erläutern konnten die beiden als Zeugen geladenen KPMG-Prüfer das aber nun im Sitzungssaal 275 des Landgerichts München nicht. Sie seien von der HRE-Nachfolgerin nicht von ihrer Schweigepflicht entbunden worden, erklärte die den Prozess führende Richterin Petra Wittmann sichtlich erbost. Die HRE habe zwar KPMG-Mitarbeiter davon entbunden, aber nicht die beiden als Zeugen vorgesehenen.

„Das stimmt nicht“, meinte dagegen ein HRE-Anwalt am Rande des Prozesses. Seine Bank habe die Vorgesetzten der beiden Zeugen von der Schweigepflicht entbunden. Das gelte automatisch auch für deren Untergebene, was die Richterin eigentlich hätte wissen müssen. Erklären konnte ihr das der HRE-Anwalt auch nicht, weil Wittmann am Telefon sehr laut geworden sei und ihn nicht zur Sprache habe kommen lassen. Nun müssen die Zeugen neu geladen werden, was aber bei der ohnehin drohenden Prozessverlängerung kaum noch ins Gewicht fällt.

Zum einen sind bei der Staatsanwaltschaft dem Vernehmen nach rund 75 Umzugskartons voll mit mutmaßlich prozessrelevanten Akten aufgetaucht, die eigentlich gesichtet werden müssen. Funke-Anwalt Kreuzer will das beantragen. Bereits getan hat er das hinsichtlich bei der HRE lagernder Daten in Terabyte-Dimension. Außerdem hat Kreuzer mittlerweile von weiteren umfangreichen Datenmengen erfahren, die die Bundesbank gespeichert hat. Die stand mit HRE zum Höhepunkt der Finanzkrise vor zehn Jahren täglich in Verbindung, um stets über die dortige Risikolage informiert zu sein.

Weil es im Prozess um die alles entscheidende Frage geht, ob die HRE richtig über ihre Lage informiert oder sie wissentlich geschönt hat, ist auch dieser Datenverkehr zwischen ihr und der Bundesbank wichtig. Auch dessen Prüfung will Kreuzer deshalb noch beantragen. Verweigert Wittmann das, produziert das für den Prozess einen Anfechtungsgrund. Lässt die Richterin aber die Prüfung zu, könnte es mit den Verjährungsfristen im März und August nächsten Jahres eng werden. Zudem hat auch ein den Prozess begleitender Sachverständiger zusätzlichen Informationsbedarf angemeldet.

Um einige Wochen bis in den Oktober 2017 hinein hat Wittmann das Verfahren bereits verlängert. Demnächst muss sie erklären, wie sie zur Prüfung der bislang nicht gesichteten Daten steht. Viel haben Funke und Fell nach Lage der Dinge aber so oder so nicht mehr zu befürchten. Weiterverhandelt wird Mitte Juli.

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