Umbau der SNCF Heikle Rosskur für die Staatsbahn in Frankreich

Paris · Privilegien der Mitarbeiter sollen fallen, Einsparungen bei der hoch verschuldeten SNCF werden nötig: Emmanuel Macrons Regierung lanciert eine Reform, die auf Gegenwind stoßen dürfte.

 Édouard Philippe, Premierminister von Frankreich,verordnete der Staatsbahn Reformen.

Édouard Philippe, Premierminister von Frankreich,verordnete der Staatsbahn Reformen.

Foto: dpa

Sie gehören zu der Bevölkerungsgruppe, die eine Regierung höchst ungern gegen sich aufbringt: Die Eisenbahner mit der Macht, den Zugverkehr im Land lahm zu legen.

Dennoch geht Frankreich nun eine Reform der Staatsbahn SNCF an, die viel Konfliktpotenzial in sich birgt. Nicht nur stieg der Schuldenberg in 20 Jahren von 20 auf 50 Milliarden Euro an, nerven Pannen die Gäste und liegen die Betriebskosten einem Regierungsbericht zufolge 30 Prozent über denen in Nachbarländern. Auch stehen Investitionen in das veraltete Schienennetz und Modernisierungsmaßnahmen an, um künftig der Konkurrenz infolge der Öffnung des Bahnverkehrs gewachsen zu sein, die die EU vorschreibt.

Die aktuelle Situation sei „alarmierend, um nicht zu sagen unhaltbar“, sagte Premierminister Édouard Philippe gestern bei der Vorstellung der geplanten Maßnahmen: „Die Franzosen, ob sie den Zug nehmen oder nicht, müssen immer mehr für einen öffentlichen Dienst bezahlen, der immer weniger gut funktioniert.“

Selbe Arbeitsbedingungen für alle Franzosen

Zu den umstrittensten Plänen gehört die Umwandlung der SNCF in eine Aktiengesellschaft mit öffentlichem Kapital und die Abschaffung des beamtenähnlichen Sonderstatus, der der Belegschaft eine Beschäftigungsgarantie, automatische Gehaltserhöhungen und rund 50 Urlaubstage pro Jahr zusichert.

Für alle neu Angestellten der SNCF gelten künftigen dieselben Arbeitsbedingungen wie für alle Franzosen, sagte Philippe. Bislang profitieren 92 Prozent der 150 000 Mitarbeiter von dem Status. Für sie soll sich allerdings nichts ändern. Heikel ist auch das Thema Spezialrente. Sie erlaubt Lokführern mit 52 Jahren und Mitarbeitern mit einer sitzenden Tätigkeit mit 57 in Pension gehen, während das reguläre Renteneintrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren liegt. Diese Regelung geht auf Zeiten zurück, als die Arbeit bei der Eisenbahn deutlich härtere physische Anstrengungen mit sich brachte. „Ich kann nicht auf der einen Seite Landwirte haben, die gar keine Rente bekommen und auf der anderen den Eisenbahner-Status nicht ändern“, sagte Präsident Emmanuel Macron am Wochenende auf der Pariser Landwirtschaftsmesse. Er sei selbst der Enkel eines Eisenbahnmitarbeiters: „Sie haben heute nicht denselben Rhythmus wie mein Großvater.“ An die Rentenprivilegien geht es allerdings erst später im Zuge einer Reform, bei der Macron die diversen Rentenkassen zusammenlegen will. Das haben in der Vergangenheit schon mehrere Regierungen versucht – die jeweils scheiterten. 1995 erlebte Frankreich eine massive Streikwelle gegen die Reformpläne der damaligen Regierung, an deren Ende Premierminister Alain Juppé zurücktrat.

Gewerkschaft reagiert mit einer Warnung

Um es nicht so weit kommen zu lassen, will die Regierung ähnlich schnell vorangehen wie bei der Umsetzung der Arbeitsmarktreform im letzten Jahr – und ebenfalls zu Verordnungen greifen, anstatt das Parlament nach langwierigen Beratungen abstimmen zu lassen.

Der Staat lege den Rahmen fest, ein gewisser Verhandlungsspielraum bleibe aber, versprach Philippe den Sozialpartnern. Es gehe weder um die Schließung wenig befahrener Strecken noch um eine Privatisierung der SNCF, trat er Ängsten entgegen.

Die Gewerkschaften reagierten dennoch mit einer Warnung: Falls die Regierung auf Dekrete zurückgreife, werde sie „die gesamte Verantwortung für einen großen Konflikt tragen“. Für Ende März ist ein erster Protesttag geplant. Dann wird sich zeigen, ob Frankreich einen heißen Frühling erlebt.

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