Frachtgeschäft Frachtdrehkreuz Frankfurt stottert

Frankfurt/Main · Passagiermaschinen machen Cargo-Fliegern zunehmend Konkurrenz. Am Flughafen Köln/Bonn gibt es allerdings keine Probleme.

 Eine Frachtmaschine der Lufthansa landet auf dem Frankfurter Flughafen.

Eine Frachtmaschine der Lufthansa landet auf dem Frankfurter Flughafen.

Foto: dpa

„Niemand fliegt freiwillig Fracht!“ Der Chef der Lufthansa Cargo, Peter Gerber, weiß, dass er ein schwieriges Geschäft betreibt. Luftfracht ist pro Kilo 50 mal so teuer wie der Tranport per Seeschiff, da braucht es schon ganz besondere Gründe, um Güter im Flugzeug um die ganze Welt zu transportieren. Das wichtigste Argument ist die Schnelligkeit, weil Just-in-Time-Fabriken und anspruchsvolle Konsumenten keine langen Wartezeiten mehr akzeptieren.

Doch in einem eigentlich positiven Umfeld sind die Lufthansa Cargo und mit ihr das Frachtdrehkreuz Frankfurt ins Stottern geraten. Die Cargo-Tochter des Kranichs leidet unter der Konkurrenz: Während das Frachtaufkommen von und nach Zentraleuropa in etwa gleich bleibt, bieten konkurrierende Fluggesellschaften immer mehr Frachtraum an. In der Folge sind die Nettoerlöse für Cargo innerhalb eines Jahres um bis zu 20 Prozent gesunken, deutlich schneller als im Passagiergeschäft.

Der Zuwachs stammt allein von zusätzlichen Passagiermaschinen, die als willkommenes Nebengeschäft Zuladungen an Bord nehmen können. Das macht die Lufthansa zwar auch, bietet aber darüber hinaus zusätzliche reine Frachtmaschinen an, die immer schwerer voll zu kriegen sind.

Auch am Flughafen Köln/Bonn ist die Entwicklung bekannt, dass Passagiermaschinen den Frachtmaschinen Konkurrenz machen, erklärt Flughafen-Sprecher Walter Römer: „Hier ist das allerdings kein Problem.“Das liege daran, dass die Kombination nur für Passagiermaschinen auf der Langstrecke rentabel sei. Für die Kurzstrecke sei das Konzept uninteressant. Da es in Frankfurt deutlich mehr Flieger auf der Langstrecke gebe, sei auch klar, dass das Problem dort größer sei. In Köln/Bonn handele es sich im Prinzip nur um Eurowings, die als Passagierflieger zum Teil auch Fracht befördern. „Aber der Anteil, den Eurowings für sich einnimmt, liegt unter einem Prozent“, führt Römer weiter aus. Köln/Bonn ist nach Frankfurt und Leipzig der drittgrößte Frachtflughafen in Deutschland.

Frankfurt steht Europweit auf Platz zwei, weltweit auf Platz zehn und damit unmittelbar hinter dem Konkurrenten Charles de Gaulle in Paris. „Von hier aus wird 'Made in Germany' in wenigen Stunden in die ganze Welt geflogen“, sagt die Flughafen-Managerin Anke Giesen. Die Exportnation Deutschland brauche den Flughafen, um seine Pharma- und Chemieprodukte oder Auto- und Maschinenteile ans Ziel zu bringen.

In der Gegenrichtung gelangen unter anderem in China montierte Handys, afrikanische Blumen und Frischwaren aus aller Welt via Frankfurt nach Europa. Der größte deutsche Fischmarkt ist ein wichtiger Bestandteil des „Perishable Centers“ für verderbliche Waren am Flughafen. Am weltweiten Luftfrachtwachstum von plus 2,4 Prozent konnte der größte deutsche Flughafen im vergangenen Jahr aber nicht teilhaben, sondern verzeichnete als einer der wenigen großen Anbieter einen Mengenrückgang, und zwar um 2,6 Prozent.

Nach einem durchwachsenen Jahr 2015 mit rückgängigen Umsätzen und einem Ebit-Gewinn nahe der Nulllinie hat sich Lufthansa Cargo ein hartes Sparprogramm auferlegt. Das geplante neue Frachtzentrum wurde auf Eis gelegt, inzwischen wird über kleinere Varianten nachgedacht. Bis zu 800 der insgesamt 4600 Arbeitsplätze sollen wegfallen, davon 500 in Deutschland. Mit bis zu 400 gestrichenen Jobs wird der größte Standort Frankfurt natürlich am härtesten getroffen. Die jährlichen Kosten sollen mittelfristig um 80 Millionen Euro sinken.

Fraport-Vorstandsfrau Giesen verlangt verlässliche Perspektiven zur Entwicklung des Frachtgeschäfts. Der Flugbetrieb in Frankfurt muss bereits ein scharfes sechsstündiges Nachtflugverbot verkraften, weitere Einschränkungen gelten in den beiden Randstunden vor Betriebsende und nach Betriebsbeginn. Weitere Lärmschutzmaßnahmen dürften nicht zu Lasten der Kapazität des Flughafens gehen, mahnt Giesen die schwarz-grüne Landesregierung in Wiesbaden und pocht dabei auf die höchstrichterlich betätigte Planfeststellung. In den Plänen steht für das Jahr 2020 eine Prognose von 701 000 Starts und Landungen – was noch einmal eine Steigerung von 50 Prozent vom derzeitigen Niveau bedeuten würde (468 000 Flugbewegungen in 2015).

Lufthansa Cargo hofft angesichts der Branchenkrise und der Digitalisierung auch von Frachtprozessen auf neue Geschäftschancen mit Privatkunden. Noch 2016 sollen Lufthansa-Kunden per Smartphone-App ein Fracht-Ticket buchen können – um etwa ihr Motorrad für einen Highway-Trip in die USA fliegen zu lassen. Bisher muss dafür ein Spediteur zwischengeschaltet werden. Auch vom Online-Handel über die Kontinente hinweg will das Unternehmen profitieren.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort