Internetwirtschaft Europa im Internet abgehängt

Brüssel · Europa rebelliert zunehmend gegen die Methoden von Google, Apple und anderer Großkonzerne der Internetwirtschaft. Heimische Anbieter fordern Schutz vor Geschäftspraktiken der US-Großkonzerne.

Europa rebelliert zunehmend gegen die Methoden von Google, Apple und anderer Großkonzerne der Internetwirtschaft. Jan Oetjen, Geschäftsführer der europaweit führenden Internetportale Web.de und Gmx mit Sitz in Karlsruhe, verlangt von der Politik mehr Schützenhilfe: „Wir fordern eine Neutralität der dominierenden Betriebssystem-Plattformen.“ Es müsse verhindert werden, dass Google und Apple mit ihren Bedingungen für App-Anbieter den Wettbewerb einschränken und ihre eigenen Anwendungen nach Belieben bevorzugen, mahnt Oetjen. So sei die Nutzung eines Android-Smartphones ohne Google-Konto nicht möglich.

Laut einer Studie, die die Denkfabrik ie.foundation mit der Unternehmensberatung Roland Berger an diesem Montag in Berlin vorstellt, sind Wettbewerber aus der EU weitgehend abgehängt. „Europa spielt derzeit fast nur als Absatzmarkt und Entwicklungsstandort für US-dominierte App-Stores eine Rolle.“ Im Fachjargon werden Unternehmen der Internetwirtschaft wie Google, Apple und Microsoft als digitale Plattformen bezeichnet. Von 176 digitalen Plattformen, die 2015 weltweit gezählt wurden, waren lediglich 27 in Europa ansässig. 82 kommen aus Asien, und 44 dieser Unternehmen haben ihren Sitz im kalifornischen Silicon Valley und Umgebung. Beim Wert lassen die größten digitalen Plattformen die größten Industrieunternehmen weit hinter sich. Demnach sind die acht größten Plattformen mit insgesamt 2288 Milliarden Euro mehr als doppelt so viel wert die acht größten Industrieunternehmen dieser Welt (953 Milliarden Euro).

Die Autoren der Studie legen einen Zehn-Punkte-Katalog vor, damit Europa wieder Anschluss bekommt. Gefordert wird unter anderem eine schnellere Reaktion der Kartellbehörden auf Missbräuche. Bemängelt wird etwa, dass es eine Schutzlücke gebe. Bei Fusionen in der Internetbranche würden die Mindestschwellen beim Umsatz regelmäßig nicht erreicht, sodass sich die Kartellbehörden gar nicht erst einschalteten. Dies müsse dringend korrigiert werden. Die EU-Kommission ermittelt zurzeit in mehreren Fällen gegen Google und Apple. So wird Google vorgeworfen, dass das Unternehmen Smartphone-Hersteller unter Druck setzt, die Google-Suchmaschine vorzuinstallieren.

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