Entschädigung Erfolge für Tuifly-Kunden nach Chaostagen

Hannover · Für Tausende Tuifly-Reisende fiel 2016 der Herbsturlaub aus. Rund eine Woche lang flog ein Großteil der Maschinen nicht, weil sich Besatzungen krank meldeten. Haben die Urlauber nun Anspruch auf Entschädigung vom Unternehmen? Erste Signale sind eher negativ.

 Eine Boeing 737-800 von Tuifly: Wegen zahlreicher Krankmeldungen musste das Flugunternehmen viele Flüge streichen.

Eine Boeing 737-800 von Tuifly: Wegen zahlreicher Krankmeldungen musste das Flugunternehmen viele Flüge streichen.

Foto: Holger Hollemann

Nach Hunderten Flugausfällen im Herbst treffen sich der Ferienflieger Tuifly und seine Kunden nun vor Gericht. Am Mittwoch gab es zwei Urteile beim Amtsgericht Hannover - bisher wurden damit nach Justiz- und Tui-Angaben vier Fälle entschieden. Kunden fordern Entschädigungszahlungen nach dem EU-Fluggastrecht. Tuifly lehnt das ab. Hintergrund ist der Verdacht eines wilden Streiks der Bord-Crews von Tuifly. Sie hatten sich reihenweise krankgemeldet, nachdem Pläne für ein Bündnis mit der Touristiksparte von Air Berlin und der arabischen Fluglinie Etihad publik wurden.

Krankheitswelle bei Tuifly - was war da los?

Am 7. Oktober 2016 musste Tuifly den Betrieb wegen massenhafter Krankmeldungen der Besatzungen fast komplett einstellen. Auch an den Tagen davor und danach gab es bis zum 9. Oktober viele Flugausfälle. Air Berlin war ebenfalls betroffen. Denn 14 Tuifly-Jets samt Personal sind seit Jahren im Streckennetz der Berliner eingeplant - und blieben an diesen Tagen ebenfalls am Boden. Allein 3000 Reiseverträge - meist auf mehrere Personen ausgestellt - musste Tui nach eigenen Angaben wegen fehlender Beförderungsmöglichkeiten kündigen. Für den heftigsten Tag, den 7. Oktober, hatte die Tochtergesellschaft des Reisekonzerns Tui von 9700 betroffenen Fluggästen berichtet.

Was ist jetzt vor Gericht in Hannover zu erwarten?

Bisher sind allein beim Amtsgericht Hannover rund 630 Zivilklagen auf Entschädigung nach Flugausfällen oder Verspätungen und etwa 70 gegen den Reiseveranstalter anhängig. Die Menschen wollen eine finanzielle Entschädigung und nicht nur den reinen Ticketpreis oder entstandene Mehrkosten erstattet bekommen. Die Zahl der Verfahren steigt immer noch - Tui liegen bisher 800 vor. Erste Entscheidungen gab es in Hannover, wo am Mittwoch einer Klage komplett und einer anderen zur Hälfte stattgegeben wurde, von einem anderen Richter aber in der Vorwoche eine andere abgelehnt worden war. Auch in Nürtingen (beim Flughafen Stuttgart) wurde eine Klage von Fluggäste abgewiesen. Neben der Klage in Hannover - dem Sitz des Unternehmens Tuifly - können Reisende auch an einem der insgesamt elf Abflugorte klagen.

Lenkt Tuifly im Streit um die Entschädigungen ein?

Bisher nicht. Das Unternehmen beruft sich nach Gerichtsangaben darauf, dass die hohe Zahl an Krankmeldungen ein wilder Streik gewesen sei. Entschädigungen lehnt das Unternehmen daher ab und argumentiert damit, dass die massenhaften Krankmeldungen ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne höherer Gewalt gewesen seien. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs sind Fluglinien bei einem Streik von Entschädigungszahlungen befreit. Reiserechtler wie Ronald Schmid vom Fluggastportal Fairplane dagegen sahen schon im Oktober Tuifly in der Pflicht. Eine Krankheitswelle sei deren Sache - außer, sie könne nachweisen, dass es sich um einen "wilden Streik" handle.

Gibt es ein Entgegenkommen hinter den Kulissen?

Dazu gibt es widersprüchliche Signale. In offiziellen Stellungnahmen lehnen Tui und Tuifly zusätzliche Schadenersatz-Zahlungen weiter ab. Wie die Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX aber aus dem Veranstalterbetrieb der Tui erfuhr, soll das Unternehmen betroffenen Kunden solche Entschädigungen im Herbst durchaus schon gewährt haben. Vom Konzern gab es dafür aber bisher keine Bestätigung.

Wer hat die besseren Karten, die Reisenden oder das Unternehmen?

Wie die Richter entscheiden, ist völlig offen. Reiserechtler glauben, dass Tui eher schlechte Karten hat, Ausgleichszahlungen nach der EU-Fluggastrechteverordnung zu verweigern. Bei einer mehr als dreistündigen Flugverspätung haben Reisende je nach Flugstrecke Anspruch auf eine Entschädigung von 250 bis 600 Euro, wenn die Fluggesellschaft die Verzögerung zu verantworten hat. Wer gar nicht fliegen kann, obwohl er pünktlich am Abfertigungsschalter war, hat Anspruch auf eine Entschädigung von bis zu 600 Euro.

Wann ist mit einer endgültigen Entscheidung zu rechnen, ob die betroffenen Urlauber entschädigt werden?

Das kann noch dauern. Gegen die Entscheidungen eines Amtsgerichtes in erster Instanz kann die unterlegene Partei Berufung einlegen, wenn der Streitwert höher als 600 Euro ist. Da vergleichsweise wenige Menschen allein in Urlaub fliegen, dürfte diese Summe in einem Großteil der Fälle überschritten sein. Ein Klägeranwalt signalisierte bereits, notfalls auch den Europäischen Gerichtshof einzuschalten.

Wie teuer könnte die Angelegenheit für Tuifly werden?

Würde das Unternehmen die Betroffenen entschädigen, käme nach Einschätzung von Reiserechtlern schnell eine Millionensumme zusammen. Erhielte etwa jeder der 9700 Fluggäste vom 7. Oktober die für Verspätungen bei kurzen Flügen geltenden 250 Euro, hätte Tuifly bereits mehr als 2,4 Millionen Euro zu zahlen. Am Dienstag nannte der Konzern eine Summe von 22 Millionen Euro für die Erstattung regulärer Reisekosten, zusätzliche Übernachtungen oder für Charter-Jets.

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