Zensur oder Schutz? Entscheidung zu digitalem Urheberrecht im EU-Parlament

Brüssel · Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments entscheidet am Mittwoch in Brüssel über eine wichtige Säule des digitalen Urheberrrechts. Welche Konsequenzen das haben wird, ist jedoch noch ungewiss.

 Urheberrechte spielen bei der Internetnutzung fast immer eine Rolle.

Urheberrechte spielen bei der Internetnutzung fast immer eine Rolle.

Foto: picture alliance / NurPhoto

Für die Kritiker ist es ein weiterer Sargnagel am freien Internet. Die Befürworter sprechen von einer Weichenstellung, um journalistische und künstlerische Arbeit im Netz zu schützen. Am Mittwoch entscheidet der Rechtsausschuss des EU-Parlamentes über ein zentrales Kapitel des digitalen Urheberrechtes. Obwohl keiner genau weiß, welche Konsequenzen das haben wird.

Für viele Internet-Nutzer ist es ein alltäglicher Vorgang: Zunächst ein Blick auf die Nachrichtenübersicht eines großen Online-Anbieters. Von dort aus klickt man sich weiter zu dem Beitrag, der interessiert. Doch das könnte sich ändern – je nachdem, wie sich die Mehrheit des Rechtsausschusses im Europäischen Parlament und zwei Wochen später auch die Mehrheit des Abgeordnetenhauses entscheidet. Auf dem Tisch liegt ein zentraler Teil des neuen digitalen Urheberrechtes, das sogenannte Leistungsschutzrecht. Wichtigster Vorschlag: Künstler, Autoren und Verlage sollen davor bewahrt werden, dass andere Bilder, Videos, Musik und Texte kostenfrei übernehmen. Doch der Streit tobt bis zuletzt heftig. Schließlich ist längst noch nicht klar, ab wann ein schützenswerter Inhalt vorliegt.

Einige befürchten, dass schon ein Link, der die Schlagzeile des hinterlegten Artikels enthält, als Leistung gelten könnte, für die jeder zahlen soll, der den Hinweis weitergibt. „Linktax“, also Linksteuer, heißt dieses Instrument, dessen Einnahmen nach den Vorstellungen der EU-Kommission an die privaten Verlage gehen sollen. Axel Voss (CDU), Europa-Abgeordneter und Berichterstatter des Parlamentes für das Thema, gibt sich allerdings unaufgeregt: „Links sind nicht betroffen.“ Sie würden nämlich noch keine schöpferische Leistung beinhalten. Das beruhigt Kritiker wie die Piratin Julia Reda, die in der Grünen-Europafraktion sitzt, keineswegs. Sie befürchtet: „Schon ein oder zwei erste Sätze aus einem Artikel könnten künftig unter das Leistungsschutzrecht fallen.“ Was lediglich zum Anreißen eines Beitrags gedacht sei, damit der User dann auf der Verlagsseite weiterliest, dürfe nicht schon als schützenswerter Inhalt gelten.

Die möglichen Folgen einer derart konsequenten Regelung treibt seit Wochen die Internet-Gemeinde um. Denn – und das ist ein weiterer Schwerpunkt der neuen Regelungen – die EU-Institutionen schlagen die Einführung eines Upload-Filters vor, der alle hochgeladenen Dateien filzt und urheberrechtlich relevante Fotos, Videos, Musikstücke oder Texte erst gar nicht zulässt. Erfahrungen damit gibt es bereits. Googles Video-Portal Youtube nutzt ein entsprechendes System zum Auffinden geschützter Daten und lässt sie erst gar nicht zu. Doch wie weit geht das? Reda sieht nicht nur große Suchmaschinen wie Google, sondern auch Facebook, Wikipedia und sogar Dating-Apps betroffen. Mehr noch: „Die im Internet so beliebten Parodien und Memes (Nachrichten- und News-Sequenzen) sind dann nicht mehr möglich.“ Voss schließt dies wiederum aus. Die Unklarheit wird längst zur Unsicherheit, aus der die Gegner eine weitere Gefahr ableiten: das Overblocking. Aus lauter Angst vor unbedachten Urheberrechtsverstößen könne es zu vorauseilendem Gehorsam, also übermäßigem Blockieren von kritischen Inhalten, kommen. Das Leistungsschutzrecht als Zensur der Online-Medien-Landschaft? Voss weist solche Ängste zurück, pocht aber darauf: „Plattformen, die urheberrechtlich geschütztes Material weltweit vertreiben, machen extreme weltweite Geschäfte. Die müssen etwas abgeben.“

Das sieht auch Peter Stefan Herbst, Chefredakteur der „Saarbrücker Zeitung“ und Sprecher einer Initiative von Chefredakteurinnen und Chefredakteuren aus Deutschland, so: „Wir beobachten mit großer Sorge, dass die Finanzierung der Arbeit der Redaktionen zunehmend infrage steht, weil kommerzielle Unternehmen Schlagzeilen, Textausschnitte oder ganze Artikel aus den digitalen Angeboten der Pressehäuser übernehmen, ohne hierfür zu zahlen.“

Allerdings spricht das bereits 2013 eingeführte deutsche Leistungsschutzrecht nicht für einen allzu großen Erfolg. Die hierzulande zuständige Verwertungsgesellschaft VG Media nahm durch das deutsche Leistungsschutzrecht im Jahr 2017 rund 30 000 Euro ein, musste dafür aber über zwei Millionen Euro für Rechtsverfahren investieren. Noch ist unklar, ob sich die Gegner, die in den vergangenen Wochen alle Europa-Abgeordneten angeschrieben haben, um sie zur Abwehr von Upload-Filtern zu bewegen, durchsetzen können. Im Kreis der Mitgliedstaaten hält sich der Widerstand jedenfalls in Grenzen. Außer Deutschland wollen fünf weitere Mitgliedstaaten das neue Leistungsschutzrecht in der heutigen Form mit Upload-Blockern ablehnen.

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