Ölhändler Avia Ein Geschäftsmodell mit Tücken

Berlin · Der Energiehändler Avia bietet vermeintlich „klimaneutrales“ Heizöl an. Er glaubt, dass Ölheizungen keine Zukunft haben. Damit wird er zum Vorreiter in der Mineralölwirtschaft.

 Eine Förderanlage holt Erdöl aus der Erde. Ölproduzenten und -händler spüren den Druck der Politik, ihre Geschäftsmodelle zu ändern.

Eine Förderanlage holt Erdöl aus der Erde. Ölproduzenten und -händler spüren den Druck der Politik, ihre Geschäftsmodelle zu ändern.

Foto: picture alliance / dpa

Fünf Millionen Hausbesitzer, die Ölheizungen betreiben, müssen sich in den kommenden Jahrzehnten überlegen, wie sie auf die Energiewende reagieren. Wie und wann sollen sie die fossile Wärmequelle in ihrem Ein- oder Mehrfamilienhaus durch eine ökologischere Variante ersetzen? Ab 2030 werde der Einbau neuer Heizkessel für Öl und Gas politisch wohl nicht mehr möglich sein, erklärte die Ölhandelsfirma Avia am Montag.

Auf dem Weg dorthin bietet das Unternehmen nun eine Übergangslösung: Als erste Firma bundesweit ermögliche man den Ölkunden, sogenanntes klimaneutrales Heizöl ohne Preisaufschlag zu kaufen. Der Ausstoß klimaschädlicher Gase wird dabei rechnerisch kompensiert, indem Avia Klimaschutz-Zertifikate erwirbt. Der Mineralölwirtschaftsverband bestätigte, dass das Unternehmen damit ein Vorreiter sei.

Das Unternehmen ist ein Zusammenschluss von 32 mittelständischen Öl- und Energiehändlern auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik und in Mecklenburg-Vorpommern. Diese verkaufen Heizöl, betreiben Tankstellen, bieten aber auch andere Energieträger wie Erdgas, Holzpellets und Strom.

Der Vertriebsverbund suche nach Möglichkeiten, auch dann im Geschäft zu bleiben, wenn die Energiewende auf dem Wärmemarkt ankommt, sagte Avia-Vorstand Holger Mark. Bisher ist dort nicht viel passiert. Während bereits ein Drittel des Stroms aus Öko-Kraftwerken stammt, werden die rund 21 Millionen Hausheizungen in Deutschland zu 90 Prozent mit Erdgas und Erdöl betrieben. Selbst bei Neubauten ist es die Hälfte. Allerdings geht die Bundesregierung davon aus, dass der Heizölabsatz langfristig sinkt. Wenn Avia nun mit klimaneutralem Öl wirbt, ist dies auch ein Versuch, in einem umkämpften, schrumpfenden Markt zu überleben.

22 der 32 Avia-Mitglieder bieten das klimaneutrale Heizöl an. Der Verbund kooperiert mit der Kompensationsfirma Firstclimate. Pro Tonne rechnerischen Kohlendioxid-Ausstoßes werden zwischen fünf und 30 Euro an Öko-Energie-Projekte überwiesen. Damit fördert Avia unter anderem energieeffiziente Kochherde in Uganda, den Bau eines Wasserkraftwerkes im Himalaya und die Umwandlung von Grubengas in Energie im Ruhrgebiet. Die dadurch vermiedene CO2-Emission soll die Klimawirkung des Heizöls ausgleichen.

Die Kosten dafür stellt Avia den Kunden nicht in Rechnung. Bei einem Einfamilienhaus, das pro Winter etwa 2000 Liter Heizöl für 1300 Euro verbraucht, beträgt die Einsparung rund 30 Euro. Kompensationsmodelle gibt es auch bei anderen Anbietern. Allerdings erlassen diese ihren Kunden nicht die Zusatzkosten. Wollen oder müssen Hausbesitzer ihre Ölheizungen austauschen, empfiehlt Avia sogenannte Brennwertkessel, die den Rohstoff effizienter nutzen.

Anders als Avia sieht der Mineralölwirtschaftsverband (MWV) auch Chancen für Heizöl als Wärmelieferant jenseits des Jahres 2050. „Flüssige Energieträger sind ideal speicher- und transportierbar“, sagt MWV-Sprecher Alexander von Gersdorff. „Sie werden auch langfristig als Ergänzung zu schwankenden erneuerbaren Energien benötigt.“

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