Fahrverbote drohen Die wichtigsten Fragen zur Diesel-Entscheidung am Donnerstag

Düsseldorf/Leipzig · Am Donnerstag entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über den Diesel. Was auf Autofahrer und Kommunen zukommt.

Ein für Donnerstag erwartetes Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichte in Leipzig könnte Schockwellen durch Deutschland jagen: Das Gericht wird überprüfen, ob zwei für Düsseldorf und Stuttgart gefällte Urteile rechtsgültig sind. Darin waren die zwei Kommunen von lokalen Verwaltungsgerichten dazu verdonnert worden, Fahrverbote für Teile der Autoflotte zu prüfen, um endlich die von der Europäischen Union (EU) vorgegebenen Schadstoff-Grenzwerte einzuhalten. Die Lobby-Organisation Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte die Urteile erwirkt – kommt es nun zur Freigabe für mögliche Fahrverbote, wären Dutzende Kommunen und wohl auch Millionen Autofahrer betroffen. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu dem Streit.

Worum geht es?

Seit Jahren werden in vielen Städten die Grenzwerte für Stickoxide (NO2) nicht eingehalten. Diese Belastung ist zwar etwas gesunken, doch noch immer werden die von der EU vorgegebenen Werte von maximal 40 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft in rund 70 Städten überschritten – in NRW beispielsweise im Jahresdurchschnitt 2017 in Köln, Düsseldorf, Dortmund, Oberhausen Wuppertal, Hagen und Aachen. In Bonn rechnet das Umweltbundesamt auch mit einem zu hohen Wert, ebenso in Bochum und Düren.

Was haben die Grenzwerte mit dem Diesel zu tun?

Weil der Verkehr zu rund 60 Prozent zur NO2-Belastung beiträgt und davon wiederum die Dieselautos 72,5 Prozent ausmachen, halten viele Experten ein konsequentes Reinhalten der Luft ohne radikale Maßnahmen beim Dieselverkehr für fast unmöglich. „Es sind entweder Fahrverbote für ältere Diesel notwendig, um die Gesundheitsvorgaben zu erfüllen oder wir brauchen eine Umrüstung von Millionen älterer Dieselautos“, sagt der Duisburger Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Dies bestätigt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages: „Ich würde mich wundern, wenn wir an Fahrverboten vorbeikommen würden.“

Wie schnell könnten Fahrverbote kommen?

Experten rechnen mit einigen Monaten Übergangszeit. Das Bundesverwaltungsgericht kann nicht selbst Fahrverbote verhängen, aber es würde die Vorgaben örtlicher Verwaltungsgerichte zu den Luftreinhalteplänen in Stuttgart und Düsseldorf abnicken. Das Stuttgarter Gericht hatte Fahrverbote dabei als „effektivste Maßnahme“ gewürdigt. In Düsseldorf hieß es, Fahrverbote sollten „ernstlich geprüft“ werden. Dies bedeutet, dass die Luftreinhaltepläne schnell überarbeitet werden müssen. Zuerst in Stuttgart und Düsseldorf, gleichzeitig wohl auch in vielen anderen betroffenen Kommunen.

Wie teuer wären Verstöße gegen Fahrverbote?

Aktuell kostet es 80 Euro (aber keinen Punkt in der Verkehrssünderkartei), wenn ein Autofahrer ohne Erlaubnis in eine Umweltzone hineinfährt. Es wäre schlüssig, einen Verstoß gegen ein Dieselfahrverbot so teuer zu bestrafen. Laut „Wirtschaftswoche“ wäre auch denkbar, dass das Bußgeld nur 15 Euro betragen könnte. Das Magazin erwähnt, dass im besonders betroffenen Stuttgart bei der Prüfung künftiger Maßnahmen „der Grad der Regelbefolgung“ ein wichtiges Kriterium sein soll. Im Klartext: Die Kommune fürchtet, dass sich Zehntausende Autofahrer an eine Sperre nicht halten. Am Wochenende warnte schon die Polizeigewerkschaft, sie könne Einfahrtverbote für alle oder fast alle Dieselautos sowieso nicht kontrollieren.

Welche Rolle könnte eine blaue Plakette spielen?

Ein sinnvolles Durchsetzen von Fahrverboten ist nur denkbar, wenn die Bundesregierung für besonders saubere Dieselwagen eine blaue Plakette vergeben würde – dann könnten Kommunen gezielt einzelne Straßen oder Stadtteile für die Durchfahrt problematischer Wagen sperren. Bisher sperrt sich die Bundesregierung zwar vehement gegen einen solchen Schritt. Gestern forderte aber ausgerechnet die IG Metall die Einführung der blauen Plakette. Auch Teile der Autoindustrie zeigen Sympathie.

Was macht die Politik?

Sie hofft noch immer, Fahrverbote verhindern zu können. Dafür will die geplante große Koalition Milliarden für saubere Luft in ausgeben. So soll beispielsweise die Elektromobilität massiv gefördert werden. Bei Dienstwagen wird es den Plänen zufolge eine steuerliche Förderung von Elektro- und Hybridfahrzeugen geben. Weitere Pläne sehen vor, den öffentlichen Personenverkehr attraktiver zu machen – bis hin zu einem vollständig kostenfreien Nahverkehr.

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