Anti-Tabak-Kampagne Die nächsten Ekelbilder sind schon fertig

Brüssel · 600.000 Euro fließen in die neue Serie der Anti-Tabak-Kampagne der EU. Sie zielt vor allem auf junge Menschen. Doch erzielen die Bildchen tatsächlich die erwünschte Wirkung?

 Bewirken solche Bilder den Rückgang der Zahl der Raucher oder gibt es andere Gründe?

Bewirken solche Bilder den Rückgang der Zahl der Raucher oder gibt es andere Gründe?

Foto: picture alliance / dpa

Die Schachtel mit den Erektionsstörungen und dem Aufdruck „Rauchen bedroht Ihre Potenz“ ist besonders beliebt. Das wird auch bei der neuen Serie so sein, die ab Frühjahr in die Läden kommt: rauchende Mama mit Kind im Arm, ein viel zu früh geborenes Baby, der Blick in einen verfaulten Unterkiefer.

Was schockierend wirken soll, findet bei manchen Jugendlichen allerdings reißenden Absatz: Die Schachteln gelten als Sammlerobjekte. Das hatte die EU-Kommission allerdings nicht gewollt.

Seit Mai 2016 müssen diese medizinisch korrekten Abbildungen auf Tabakprodukte gedruckt werden. 42 solcher Motive hat die Brüsseler EU-Kommission unter ärztlicher Beratung und mit dem Einverständnis der gezeigten Personen ausgewählt. Jeweils 16 Motive sind für ein Jahr vorgeschrieben, dann folgt die nächste Bilder-gruppe, um ein Abstumpfen zu verhindern. Im Mai stehen also neue Schockfotos an. 600 000 Euro kostet die Kampagne.

Dabei ist die Wirkung der drastischen Abbildungen durchaus umstritten. Experten gehen heute davon aus, dass die Zahl der Raucher auch ohne den Blick auf verstopfte Arterien zurückgeht. Laut Bundesgesundheitsministerium qualmten die Bundesbürger 1995 noch 16 Fluppen am Tag, inzwischen sind es neun bis zehn. Hinzu kommen die Einflüsse neuer Trends: E-Zigaretten erwecken zumindest den Anschein, gesünder zu sein. Und bei Jugendlichen sind Wasserpfeifen und Shishas weiterhin im Kommen. Die Gewohnheit verlagert sich nur, sie wurde nicht ausgerottet.

Laut Statistischem Bundesamt wurden 2016 deutlich weniger Zigaretten produziert als im Jahr davor: Für 75 Milliarden wurden Steuermarken bestellt – das waren 7,7 Prozent oder 6,3 Milliarden Stück weniger als noch 2015. 1991 waren es doppelt so viele. Doch die Statistik könnte täuschen. Die Hersteller hatten nämlich in Erwartung der europäischen Tabakrichtlinie große Mengen an Rauchwaren vorproduziert, die in neutralen Schachteln noch abverkauft werden durften.

Dass die neuen Warnhinweise wahrgenommen werden, zeigen Erfahrungen einer ganz anderen Stelle: Bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung explodierte die Zahl der monatlichen Anrufe von 1000 auf 5700. Sie suchen Hilfe bei der Entwöhnung. Die Rufnummer der Gesundheitsexperten findet sich auf den Zigarettenverpackungen.

„Die Schockbilder sind es mit Sicherheit nicht allein, aber sie können einen Baustein bilden“, betonte der Suchtexperte Rainer Thomasius vom Universitätskrankenhaus in Hamburg-Eppendorf. Demnach lassen sich vor allem Kinder und Jugendliche von den Ekelbildern abschrecken. Wäre dies der Fall, hätte die Kampagne der Europäischen Kommission ihr Ziel erreicht. Denn man war sich früh darüber im Klaren, dass erwachsene Raucher kaum zu beeinflussen sind. Aber man wollte die junge Generation vom Griff zur Zigarette abhalten.

Schließlich wissen die Mediziner: Wer bis zu seinem 24. Lebensjahr nicht vom blauen Dunst abhängig geworden ist, greift in der Regel später nicht mehr zum Tabak. Allerdings können die Experten auch belegen, dass „der Einfluss der Familie, des Freundeskreises und der Schule entscheidend ist“, wie Thomasius sagte. Möglicherweise sogar wichtiger als schockierende Fotos. Sollte die These stimmen, wäre eines der neuen Motive, das rauchende Mütter mit einem Kleinkind zeigt, mindestens so abstoßend wie das Foto zu den Potenzproblemen.

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