Geldanlagen Die größten Kapitalvernichter

FRANKFURT · Manche nennen sie „Todesliste“. Aber so martialisch meint die Aktionärsvereinigung DSW ihre „Watchlist“ gar nicht. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz listet nur jährlich auf, welches börsennotierte Unternehmen am meisten Aktionärsvermögen verbrannt hat.

 Air Berlin hat voriges Jahr 33,9 Prozent seines Kurswertes eingebüßt, binnen der vergangenen drei Jahre gar 63,4 Prozent.

Air Berlin hat voriges Jahr 33,9 Prozent seines Kurswertes eingebüßt, binnen der vergangenen drei Jahre gar 63,4 Prozent.

Foto: dpa

Wieder gehört Air Berlin dazu.

Die Gesellschaft hat sich gar von Rang 17 (2015) auf in diesem Jahr Rang fünf der größten Kapitalvernichter „vorgearbeitet“, also verschlechtert. Die „rote Laterne“ trägt der Maschinenbauer Singulus aus Kahl am Main.

Air Berlin hat voriges Jahr 33,9 Prozent seines Kurswertes eingebüßt, binnen der vergangenen drei Jahre gar 63,4 Prozent. Singulus hat die technische Entwicklung zugesetzt. Und auch die Bemühungen, auf einem neuen Betätigungsfeld aktiv zu werden, fruchten wenig. Jedenfalls hat die Börse die Aktie im vorigen Jahr mit einem Kursverlust von 90,2 Prozent und von 98,7 Prozent in den vergangenen drei Jahren abgestraft.

Singulus hatte zunächst Maschinen gebaut, auf denen DVDs und CDs hergestellt wurden. Diese Datenträger haben sich weitgehend überlebt. „Und jetzt ist man sehr stark im Solarbereich unterwegs“, erklärte Marc Tüngler, der Hauptgeschäftsführer der DSW. Dieser Sektor spüre aber starke Konkurrenz aus China. „Es krankt dort im Geschäftsmodell oder in den Absatzmärkten“, so Tüngler gestern in Frankfurt. Das wirke sich eben auf Geschäftszahlen und Kurse aus.

Die ganz jungen börsennotierten Unternehmen nimmt die DSW gar nicht in ihre Auswahlliste des Schreckens auf. Da liegt erstens ein Scheitern eher in der Luft. Und zweitens würden sie womöglich den Blick auf hohe Verluste großer börsennotierter Unternehmen statistisch verdecken. Denn auch etablierte Aktiengesellschaften zehren am Vermögen der Anleger. Voriges Jahr waren unter den DAX-Werten wieder RWE, Eon, Deutsche und Commerzbank bekannte Kapitalvernichter.

Bis zu einem knappen Viertel haben sie voriges Jahr an Börsenwert verloren, bis zu 62,5 Prozent seit 2014. Alle standen auch schon vor drei Jahren auf der Liste der 50 größten Kapitalvernichter. „Wer öfter, über viele Jahre in dieser Liste auftaucht, der hat wirklich ein massives Problem“, so Tüngler. Beispiel Banken: „Die Finanzdienstleister haben zu stöhnen unter der Regulierung. Und gleichzeitig haben wir keine Zinsen. Also, das Geschäftsmodell wackelt, muss man ganz klar sagen.“

Aufklärung wird gefordert

Wo nötig, will die DSW auf dieses Problem hinweisen, wenn sie in der laufenden Saison rund 650 Aktionärsversammlungen besucht. Ihre Redner wollen dabei noch mehr Themen vorbringen: Wie die Unternehmen von den Trump’schen Strafzöllen betroffen sein könnten, werden sie fragen. Und da, wo es nötig ist, die schärfste Waffe des Aktionärs zücken, also eine Sonderprüfung beantragen.

Bei der Deutschen Bank läuft sie schon, weil die DSW es leid war zuzusehen, wie Milliarde um Milliarde für Strafen abfloss statt als Ausschüttung zu den Aktionären. Bei VW ist sie beantragt. Und nachdem nun bekannt wurde, dass die Staatsanwaltschaft auch die Räume der amerikanischen Kanzlei hat durchsuchen lassen, die im Auftrag von VW den Dieselskandal untersucht, fühlt sich die DSW bestätigt. „Offensichtlich misstraut die Staatsanwaltschaft ja auch den eigenen Aufklärungsbemühungen von VW,“ sagte Klaus Nieding, der Vizepräsident der DSW.

„Insofern ist es sicherlich an der Zeit, dass unsere Sonderprüfung da durchkommt.“ Vorstand und Aufsichtsrat von Daimler sollen nächste Woche erklären, warum die Strafen für Preisabsprachen im aufgeflogenen Lkw-Kartell ohne große Diskussion vom Unternehmen, also von den Aktionären bezahlt werden sollen. Und warum niemand auf die Idee komme, den Vorstand in Haftung zu nehmen.

Auch die Managergehälter werden Thema sein, vor allem die Rückstellungen für Vorstandspensionen: „Bei den Pensionszusagen kann es zu existenzgefährdenden Situationen kommen. Da darf sich kein Fass ohne Boden öffnen“, sagte Nieding. Denn bei niedrigen Zinsen müssen die Unternehmen mehr zurücklegen, um fest zugesagte Pensionen auszahlen zu können. Anderswo, zuletzt bei den Lufthansapiloten, hat man eine andere Lösung gefunden: Es gibt nurmehr feste Beiträge, nicht mehr feste Pensionen. Das Zinsrisiko wandert also zum Pensionär.

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