Werbung im Internet Die digitale Verführung, Geld auszugeben

Berlin · König Kunde wird umworben wie nie zuvor, mit dem digitalen Fortschritt die Reklame neu erfunden. Problem: Das birgt Fallen. Morgens war der Flug noch günstiger im Netz? Mit der Digitalisierung ändert sich die Preisbildung.

 Im Internet gibt es inzwischen fast alles zu kaufen. Anbieter locken mit Werbung.

Im Internet gibt es inzwischen fast alles zu kaufen. Anbieter locken mit Werbung.

Foto: picture alliance / dpa

Miika Blinn, der die Entwicklung für den Verbraucherzentrale Bundesverband beobachtet, warnt: „Menschen können leichter in ihrer Kaufentscheidung beeinflusst werden.“ Wie wachsam sollten Kunden sein, besser: können sie überhaupt sein?

Betroffen ist fast jeder. Denn laut Statistischem Bundesamt surfen 63 Millionen Deutsche im Internet. Sie nutzen Smartphones und Computer, schreiben SMS und hören Musik im Netz. Und sie kaufen online ein. Das alles erzeugt Daten, die etwas über die Vorlieben der Verbraucher aussagen. Kaum hat man im Internet nach Reisezielen Ausschau gehalten, ploppen Angebote von Hotels auf. Das ist bekannt, aber nicht alles.

„Technisch ist viel mehr möglich“, erklärt Blinn. So könne ein Flug oder Hotel teurer werden, wenn es über das neueste Handymodell statt über einen alten PC gebucht wird. Die Unternehmen nähmen an, dass die Bereitschaft Geld auszugeben bei jenen größer ist, die ein neues Gerät in der Hand halten. Diese Preisunterschiede seien bislang allerdings nur in Einzelfällen nachgewiesen.

Das Ausmaß kennen wir nicht“, sagt Blinn. Machbar sei es, die Preise für Reisen, Versicherungen, Kredite auch nach anderen Charakteristika zu variieren: nach Alter, Wohnort, sonstigem Einkaufsverhalten. Der Grünen-Netzexperte Konstantin von Notz sagt es so: „Was technisch möglich und so profitabel ist, wird absehbar kommen.“ Dass bisher nur so wenig Fälle bekannt seien, liege „an der mangelnden Nachvollziehbarkeit“. Er fordert wie die Verbraucherschützer mehr Transparenz.

Blinns fiktiver Fall zeigt, dass es gut wäre, wüssten Kunden, wie ein Angebot zustande kommt: „Sie haben Rückenschmerzen, suchen im Internet nach einem Arzt, Medikamenten und einer neuen Matratze. Wenn der Matratzenhändler das alles weiß, weil Ihr Surfverhalten über die sogenannten Cookies beobachtet wurde, könnte er Ihnen die rückenschonende Matratze zu einem Preis mit sattem Aufschlag anbieten. Sie sind in einer Notlage. Er kann von einer hohen Zahlungsbereitschaft ausgehen.“ Unternehmen selbst redeten darüber aber nicht gern, sie beriefen sich auf das Geschäftsgeheimnis. So wie Marie-Teresa Weber vom Digitalverband Bitkom.

Das Besondere am Handel im Netz ist die rasante Geschwindigkeit

„Welchen Preis ein Unternehmen für seine Produkte nimmt, ist seine Sache, solange es sich im gesetzlichen Rahmen bewegt“, sagt sie. Ausschlaggebend seien Angebot und Nachfrage. Das sei heute nicht anders als früher. Auch habe schon immer ein Einwohner Münchens oder Hamburgs für lokale Produkte oder Dienstleistungen mehr zahlen müssen als jemand, der in einer weniger kaufkräftigen Region lebt. Dass der Wohnsitz eine Rolle spiele, sei also ebenfalls nicht neu. „Das Besondere beim Online-Handel ist, dass alles in rasender Schnelligkeit passiert“, meint sie. Die Preise könnten sich in Sekundenschnelle ändern. So könne ein Flug morgens, wenn noch viele Plätze frei seien, teurer sein als am Abend, wenn die meisten bereits belegt sind.

Das ist alles nicht illegal, für die Kunden aber oft ein Ärgernis, denn sie können das kaum durchschauen. Viele informieren sich zwar über Suchmaschinen und Vergleichsportale, bevor sie etwas online kaufen. Nur meint Blinn: Hotelbuchungsseiten beispielsweise platzierten Hotels „systematisch“ nach oben, wenn die Hoteliers dafür höhere Provisionen zahlen. Darum solle man sich nie nur die ersten Treffer anschauen und am besten die Sortierung selbst ändern, etwa nach Preis und Bewertungen.

Blinns Tipp zudem: Sich nicht kümmern, wenn da steht: „Drei andere Nutzer schauen sich dieses Hotelzimmer zeitgleich an.“ Kunden sollten damit vor allem unter Druck gesetzt werden.

Die Maschen der Verführung sind ausgeklügelt. Noch eher unbekannt: geofencing. Unternehmen stellen eine Art digitalen Gartenzaun um ihre Kunden auf. Sie können einen bestimmten Radius etwa um ein Fußballstadium ziehen. Kommen die Fans in diese Zone, erhalten sie über ihre Smartphones eine Werbung für Fernseher, einen Rabattgutschein für ein Bier im Lokal nebenan. Preise werden flexibler, Werbung wird persönlicher. Anders gesagt: Um König Kunde wird gefeilscht.

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