Krise verschärft sich Das müssen Kunden von Air Berlin jetzt wissen

Düsseldorf/Berlin · Air Berlin steckt tief in der Krise: Anfragen für Staatsbürgschaften wurden gestellt, ein Bündnis platzte. Wir erklären, was die schwierige Lage für Passagiere, Mitarbeiter und den Airport Düsseldorf bedeutet.

Wie stark Air Berlin in der Krise steckt, bestätigte sich in den vergangenen Tagen: Zuerst wurde bekannt, dass ein Joint Venture des Schwesterunternehmens Niki mit Tuifly für das reine Ferienfliegergeschäft nun doch nicht kommt - damit ist ein wichtiger Teil des Sanierungsplanes erst einmal gescheitert. Außerdem kam raus, dass das Unternehmen bei den Ländern NRW und Berlin Voranfragen für staatliche Bürgschaften gestellt hat. Wir beantworten, was die Krise für die Politik, Passagiere, den Flughafen Düsseldorf und die Jobs bedeutet.

Wie schlecht geht es Air Berlin wirklich?

Katastrophal. Die Schulden liegen bei mehr als eine Milliarde Euro, pro verbliebenem Mitarbeiter schrieb Air Berlin 2016 einen Verlust von rund 100 000 Euro.Das Platzen der Kooperation von Niki mit Tuifly schafft weitere Probleme. Der seit Februar amtierende neue Chef von Air Berlin, Thomas Winkelmann, erklärt darum auch, das Unternehmen müsse 2017 unbedingt einen neuen Partner finden - das wird höchstwahrscheinlich sein früherer Arbeitgeber Lufthansa sein.

Wird es Bürgschaften geben?

Dies ist unsicher. Der designierte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet erklärt auf Anfrage, ihm läge bisher keine Anfrage für eine Bürgschaft vor. Er sagt: "Weder ist eine neue Landesregierung im Amt, noch liegt ein fundierter, prüffähiger Antrag des Unternehmens vor. Mit Blick auf die betroffenen Menschen und die Bedeutung der Entscheidung verbieten sich jegliche Spekulationen." Sehr kritisch äußert sich MichaelFuchs, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion: "Die Politik kann das Unternehmen nicht mit staatlichen Mitteln am Laufen halten." Air Berlin müsse einen Neustart mit seinen Eigentümern und vielleicht doch noch mit neuen Partnern hinbekommen. "Ansonsten muss das Unternehmen aus dem Markt ausscheiden, so bedauerlich ich das fände", sagte Fuchs.

Was meint die Branche?

Die Wettbewerber Ryanair und Easyjet gelten als große Interessenten auf die Flugrechte von Air Berlin in Düsseldorf und Berlin - sie würden also ein Ausscheiden von Air Berlin begrüßen. Lufthansa versucht dagegen Air Berlin mit einer immer engeren Partnerschaft zu stabilisieren - vorrangig, damit die ausländischen Wettbewerber nicht zum Zuge kommen und um die Übernahme vorzubereiten. Der Allgemeine Deutsche Flughafenverband (ADF) erklärt, die Politik solle Air Berlin mit einer Bürgschaft stützen. ADF-Geschäftsführer Ralph Beisel sagt: "Eine zweite große deutsche Airline im Markt wäre wünschenswert - gerade aus Sicht der Reisenden."

Wie wichtig ist Air Berlin für Düsseldorf?

Sehr wichtig. 30,7 Prozent der Flüge in Düsseldorf wickelten im Mai Air Berlin und Niki ab. Die Lufthansa kommt inklusive Eurowings nur auf minimal mehr mit 31,6 Prozent. Dies berechnete das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Noch größer ist die Bedeutung von Air Berlin bei den Langstreckenflügen ab der NRW-Hauptstadt. Flughafenchef Thomas Schnalke und die NRW-Politik hoffen darum darauf, dass Lufthansa bei einer Übernahme von Air Berlin viele der Interkontinentalstrecken von Air Berlin fortführen würde.

Sind die Tickets sicher?

Air Berlin erklärt auf Anfrage ausdrücklich, bei dem Unternehmen gebuchte Tickets seien nicht bedroht. Laut Testat der Wirtschaftsprüfer im Geschäftsbericht für Ende 2016 seien genügend finanzielle Mittel vorhanden, um den Betrieb trotz Verlusten noch 18 Monate, also bis Mitte 2018 fortzuführen - damit sei also ein Konkurs ausgeschlossen.

Was meinen die Verbraucherschützer?

Klaus Müller, Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (vzbv), macht darauf aufmerksam, dass Flüge von Air Berlin und Niki aktuell sehr häufig storniert würden oder zu spät kommen. Dies würde insbesondere Urlauber treffen, die individuell gebuchte Hotels oder Mietwagen dann nicht nutzen können: "Sie bleiben auf den Kosten sitzen."

Welche Rechte habe ich als Kunde, wenn mein Flug gestrichen wird?

Streicht Air Berlin einen gebuchten Flug, steht Reisenden entweder der Ticketpreis zu oder sie können sich auf einen anderen Flug umbuchen lassen. Geschieht diese Flugstreichung sehr kurzfristig (weniger als 14 Tage vor dem Abflug), steht den Kunden möglicherweise sogar eine Entschädigung zwischen 125 und 600 Euro zu.

Können bei Air Berlin und Niki noch Flüge gebucht werden?

Ja, dies ist noch möglich. Beide Fluggesellschaften werben auf ihrer Homepage für Flüge jetzt im Sommer oder auch im Winter. Air Berlin versichert, dass bei dem Unternehmen gebuchte Tickets ihre Gültigkeit behalten. Gleiches gelte für Tickets bei Niki.

Bekomme ich im Fall einer Insolvenz Geld von Air Berlin zurück?

Nein. Eine gesetzlich Absicherung wie bei Pauschalreisen gibt es nicht. Doch eine Chance besteht dennoch: Zwar stünden Kunden in der Gläubigerkette weit hinten – weit etwa nach Banken oder Arbeitnehmern. Doch das Bestreben eines Insolvenzverwalters sei es ja, genügend Masse zu behalten oder diese zu mehren, sagt Reiserechtsexpertin Sabine Fischer-Volk von der Verbraucherzentrale. Deshalb dürfte er daran interessiert sein, möglichst lange den Flugbetrieb aufrechtzuerhalten und tatsächlich die Kunden an ihre Zielorte zu fliegen. Denkbar wäre auch, dass andere Fluggesellschaften einspringen und die Kunden befördern. Die Flüge zu stornieren, wäre jedoch im Fall der Insolvenz die ungünstigste Lösung – bereits gezahlte Flugpreise gehören zur Insolvenzmasse. Auch Ansprüche auf Entschädigung nach der EU-Fluggastrechte-Verordnung wegen Annullierung, Nichtbeförderung und Verspätung müssen beim Insolvenzverwalter angemeldet werden: „Ob diese allerdings zur Auszahlung kommen, ist ungewiss“, sagt Fischer-Volk.

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