Internetmultis Die Jagd nach Steuern im Internet

Berlin · Wie besteuert man Google, Facebook und Co.? Die Digital-Konzerne entrichten erstaunlich wenig Abgaben auf ihre Gewinne.

Die Mehrwertsteuer kennt man. Sie erhebt der Staat auf alle Waren und Dienstleistungen, sobald diese verkauft werden. So etwas Ähnliches will Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nun auch für das Internet einzuführen – und zwar zusätzlich zur bisherigen Steuer. Das ist eine erstaunliche Idee – nicht nur weil Schäuble normalerweise jegliche Steuererhöhung ablehnt.

Eine Ausgleichssteuer bringen Schäuble und seine Amtskollegen aus Frankreich, Italien und Spanien ins Gespräch. So steht es in dem Brief, den die vier Minister unlängst an die EU-Kommission schrieben. „Wir sollten nicht länger akzeptieren, dass Unternehmen der digitalen Ökonomie Geschäfte in Europa machen und dabei nur minimale Steuern zahlen“, heißt es. Christoph Spengel, Wirtschaftsprofessor an der Universität Mannheim, bringt die mit der Ausgleichsabgabe (englisch: Equalisation Tax) verbundene Absicht auf den Punkt: „Das wäre eine pauschale Steuer auf den Umsatz von Internet-Unternehmen, die einen Ausgleich für entgangene Gewinnsteuern darstellt.“

Der Initiative liegt eine Analyse der EU-Kommission zugrunde. Demnach beträgt die effektive Steuerbelastung von Internetfirmen wie Google oder Facebook in der Europäischen Union „nur neun Prozent“. Das ist weniger als die Hälfte dessen, was traditionelle Konzerne wie Siemens, Daimler oder Rewe im Verhältnis zu ihrem Profit entrichten. Hinzu kommt, dass die meisten EU-Staaten beispielsweise von Googles Gewinnsteuern fast nichts erhalten, weil der US-Konzern die Einnahmen in Irland versteuert, wo seine Europa-Zentrale residiert.

Die Frage ist nun, wie man es anstellen kann, den Umsatz von Internet-Unternehmen zu besteuern. Die Dienste, die die Digitalkonzerne den privaten Nutzern anbieten, sind ja kostenlos. Für Suchanfragen im Netz mittels Google oder Kontaktaufnahme mit Freunden via Facebook muss man nichts bezahlen. Die Firmen verdienen ihr Geld auf andere Art: Etwa verlangen sie Gebühren von Unternehmen dafür, dass sie deren Werbeanzeige zielgerichtet zu bestimmten Kundengruppen bringen. Und diese Milliarden-Umsätze mit Anzeigen kann man besteuern. Das Problem: Schon heute erheben die EU-Staaten ganz normal Mehrwertsteuer – anderer Begriff: Umsatzsteuer – auf solche Geschäfte. Wollten die vier Finanzminister ihr Vorhaben also verwirklichen, „handelte sich um eine zusätzliche Umsatzsteuer“, sagt Spengel – gewissermaßen um einen höheren Mehrwertsteuersatz speziell für Netz-Geschäfte.

Auch deutsche Konzerne versteuern Gewinne im Inland

Die Umsatzsteuer bezahlten dann zunächst die Unternehmen. Diese würden sie aber wohl in Gestalt etwas höherer Produktpreise an die privaten Verbraucher weiterreichen. Ökonom Spengel nennt eine zweiten Kritikpunkt: Die Zusatzsteuer „ist höchst problematisch, denn sie könnte sich zu einem Boomerang entwickeln. Auch deutsche Unternehmen, etwa VW und Mercedes, erzielen hohe Umsätze im Ausland. Die Gewinne versteuern sie jedoch überwiegend hier.“ Er meint, dass zum Beispiel China sich die Idee zum Vorbild nehmen könnte. Die EU würde dann vielleicht Steuereinnahmen im Internet gewinnen, in der traditionellen Ökonomie aber verlieren.

Auch die EU-Kommission ist von der Finanzminister-Initiative nicht überzeugt. Sie verfolgt einen anderen Ansatz. Er heißt „gemeinsame konsolidierte Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage“. Klingt kompliziert, das Prinzip ist jedoch einfach. Die Gewinne, die beispielsweise Google in verschiedenen europäischen Staaten realisiert, würden dabei addiert und anhand eines neuen Schlüssels auf die einzelnen Staaten verteilt. Kriterien für die Aufteilung wären das Vermögen, die Lohnsumme und die Umsätze des Internetkonzerns in den Regionen. Auf die so zugewiesenen Gewinnanteile erheben die einzelnen Staaten anschließend ihre Gewinnsteuern. Deutschland käme dabei besser weg als bisher, weil Google hierzulande hohe Umsätze erzielt. Irland hätte das Nachsehen, weil dort der Umsatz eher gering ist, die Regierung aber bisher beträchtliche Gewinnsteuer vereinnahmt.

Der Nachteil dieser Variante: Die Steuereinnahmen, die die Staaten den Internetfirmen abluchsen, werden nicht mehr, sie werden nur fairer zwischen den Regierungen verteilt. Nach wie vor bliebe es bei der geringen Gewinnbesteuerung von neun Prozent. Die vier Finanzminister geben dagegen immerhin eine Antwort, wie sich diesem Missstand abhelfen ließe.

Was daraus wird, steht jedoch in den Sternen. Wolfgang Schäuble ist nicht mehr lange Bundesfinanzminister. Ob ein Nachfolger, kommt er von der FDP oder den Grünen, das Projekt weiterverfolgt, ist unklar. Außerdem müssen sich die vier Finanzministerien darauf einrichten, dass kleine Staaten wie Irland und die Niederlande, die vom bisherigen Steuersystem profitieren, wenig Interesse an einer Änderung haben.

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