Vermögen und Erbvolumen Deutsche erben 400 Milliarden Euro pro Jahr

FRANKFURT · Über die exakte Höhe des in Deutschland an Erben weitergebenen Vermögens liegen nur Schätzungen vor. Ökonomen kommen nun auf deutlich höhere Zahlen.

 Immobilien in guter Lage gehören häufig zur Erbmasse: Feenteich an der Außenalster in Hamburg.

Immobilien in guter Lage gehören häufig zur Erbmasse: Feenteich an der Außenalster in Hamburg.

Foto: picture alliance / Daniel Bockwo

Erben in Deutschland können sich freuen. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat errechnet, dass sie gut ein Viertel mehr an Erbe zu erwarten haben als bisher gedacht. „Die Summen, die in den kommenden Jahren vererbt und verschenkt werden, dürften um einiges größer ausfallen, als bisher angenommen wurde“, sagt Markus Grabka, Autor der Studie. Grund der wundersamen Vermögensvermehrung ist eine andere Berechnungsgrundlage.

Grabka und seine Kollegen haben nämlich nicht nur den Vermögensbestand zu einem bestimmten Zeitpunkt als Ausgangspunkt genommen, so wie das in bisherigen Studien üblich war. Sie haben auch berücksichtigt, dass weiter regelmäßig gespart wird und das Vermögen wahrscheinlich auch noch an Wert gewinnt. So kommen sie zu dem Ergebnis, dass in einem Zeitraum von 15 Jahren, nämlich zwischen 2012 und 2027 bis zu 400 Milliarden Euro pro Jahr verschenkt oder vererbt werden könnten. Das sind 28 Prozent mehr als bisher angenommen.

400 Milliarden Euro pro Jahr

Das DIW hat in seiner Studie, die es im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung erarbeitet hat, als Basisszenario den Vermögensbestand der über 70-Jährigen im Jahr 2012 betrachtet. Für die folgenden 15 Jahre ergibt sich daraus ein potenzielles Erbvolumen von 1,31 Billionen Euro oder 87 Milliarden Euro pro Jahr.

Addiert man dann eben den Spareffekt hinzu als auch eine angenommene Wertsteigerung des Vermögens von jährlich zwei Prozent, erhöhe sich dieses Volumen um 28 Prozent auf 112 Milliarden Euro pro Jahr. Rechnet man das auf die 15 Jahre und die gesamte Bevölkerung hoch, weil ja schließlich nicht nur Menschen über 70 Jahre ihr Vermögen vererben, ergebe sich schließlich ein voraussichtliches Erbvolumen von bis zu 400 Milliarden pro Jahr.

Zinstief wirkt auf die Erbmasse

Natürlich gibt es da erhebliche Unterscheide je nach Einkommensgruppe. Fünf davon unterscheiden die Forscher, dabei liegt im unteren Fünftel der Mittelwert, der Median, bei 12.000 Euro, im oberen Fünftel jedoch können die Erben sich auf 248.330 Euro freuen. Denn der vermögendere Teil der Bevölkerung kann ja auch mehr sparen und anders sparen. Die Forscher vermuten deshalb, dass die Wertsteigerungen in der oberen Hälfte der Vermögensverteilung höher ausfallen werden als in der unteren Hälfte.

Denn im Zeitalter niedriger Zinsen werden Wertänderungen bei einfachen Geldvermögen wie Girokonten oder Sparkonten nicht anfallen. Wer jedoch in Aktien investieren kann, Betriebsvermögen, Sammlungen oder Immobilien zu vererben hat, der dürfte sich schon über einen Wertgewinn freuen – und entsprechend auch die Erben.

Datenlage sehr dürftig

Das sind nur Schätzungen, weil die Datenlage zum Erbvolumen ohnehin sehr dürftig ist. „Es ist erstaunlich, dass in einem auf individueller Leistung basierenden Wirtschaftssystem faktisch keine genauen Kenntnisse über das leistungslos übertragene Vermögen in Deutschland vorhanden sind“, kommentiert DIW-Forscher Grabka.

Aktuell kennt man zwar aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung des Statistischen Bundesamts das Nettovermögen der privaten Haushalte in Deutschland, das lag 2015 bei etwa 11,2 Billionen Euro. Davon wird jedes Jahr ein Teil vererbt oder verschenkt, wieviel genau, ist unklar, weil die Statistik nur die Fälle ausweist, die auch steuerlich veranlagt werden.

Hohe Freibeträge beim Fiskus

Doch für die meisten Erbfälle gelten hohe Freibeträge, sie sind also nicht erfasst. Da sollte die Politik die Vorgaben für die Statistiken ändern, fordert das DIW. Auch hohe Vermögen als Betriebsvermögen könnten weitgehend steuerfrei übertragen werden, heißt es in der Studie. Das könne unter dem Aspekt der Chancengleichheit Anlass zur Kritik sein.

„Diese neuen Zahlen sollten ein Anstoß sein, das aktuelle Regime der hohen Freibeträge in der Erbschaft- und Schenkungsteuer auf den Prüfstand zu stellen“ mahnt entsprechend Studienmitautorin Anita Tiefensee von der Hans-Böckler-Stiftung.

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