"Erfolgsstory geht weiter" Deutsche Wirtschaft unter Volldampf

Wiesbaden/Frankfurt · Europa größte Volkswirtschaft erhöht die Drehzahl. Doch wie groß ist das Risiko für die brummende Konjunktur durch das Polit-Chaos in Berlin?

 Neuwagen von Mercedes-Benz auf einem Autoterminal in Bremerhaven.

Neuwagen von Mercedes-Benz auf einem Autoterminal in Bremerhaven.

Foto: Ingo Wagner/Archiv

Die deutsche Wirtschaft geht mit Tempo in den Jahresendspurt. Nach einem starken dritten Quartal steuert Europas größte Volkswirtschaft 2017 auf das höchste Wachstum seit sechs Jahren zu - ungeachtet der politischen Turbulenzen in Berlin.

Angetrieben vom Exportboom und von steigenden Investitionen vieler Unternehmen stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im dritten Quartal um 0,8 Prozent gegenüber dem Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte.

Die Wiesbadener Behörde bestätigte damit eine erste Schätzung. Im zweiten Vierteljahr hatte es ein Plus von 0,6 Prozent gegeben. "Die wirtschaftliche Erfolgsstory Deutschlands setzt sich fort", sagte ING-Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski.

Die Erholung der Weltkonjunktur kurbelte die Geschäfte der deutschen Exportunternehmen an. Davon profitierten auch die Maschinenbauer. In den ersten neun Monaten stiegen die Ausfuhren von Maschinen und Anlagen "Made in Germany" nach Angaben des Branchenverbandes VDMA um 7,4 Prozent auf 124,4 Milliarden Euro. Die deutschen Ausfuhren insgesamt legten nach Angaben der Statistiker in den Sommermonaten Juli bis September stärker zu als die Importe. Das trieb die Konjunktur an.

Zugleich investierten viele Firmen im Vergleich zum zweiten Quartal deutlich mehr in Ausrüstungen wie Maschinen, Geräte und Fahrzeuge (plus 1,5 Prozent). Hohe Investitionen sowie Konzernumbau hinterließen allerdings Spuren in der Quartalsbilanz der 30 Dax-Konzerne.

Nach einer Analyse des Prüfungsunternehmens EY stieg der Umsatz der Börsenschwergewichte gegenüber dem Vorjahreszeitraum zwar zusammengerechnet um 4 Prozent auf den Rekordwert von 329 Milliarden Euro. Der operative Gewinn (Ebit) der Konzerne sank dagegen um 9 Prozent auf insgesamt 28,9 Milliarden Euro. Viele Großunternehmen bauten angesichts sich verändernder Märkte und des rasanten technologischen Wandels derzeit um und investierten Milliarden in die Digitalisierung. Das koste viel Geld, erläuterte Mathieu Meyer, Mitglied der EY-Geschäftsführung.

Der private Konsum, bisher Hauptstütze der Konjunktur, legte im dritten Quartal eine Verschnaufpause ein. Die Ausgaben der Verbraucher lagen den Angaben zufolge minimal um 0,1 Prozent unter dem Niveau des starken zweiten Vierteljahrs. Die Verbraucher sind angesichts der historisch günstigen Lage auf dem Arbeitsmarkt und der Zinsflaute zwar weiter in Kauflaune. Zuletzt hatte nach Angaben der GfK-Konsumforscher die Preisentwicklung die Stimmung allerdings etwas gedämpft. "Der positive Trend der Konsumausgaben dürfte aber nicht in Gefahr sein", beruhigte BayernLB-Volkswirt Stefan Kipar.

Auch vom Bau kamen keine Impulse. Die Investitionen in Bauten sanken leicht um 0,4 Prozent. "In Anbetracht der satten Zuwächse im ersten Halbjahr ist dies allerdings kein Beinbruch. Die Auftragsbücher der Bauwirtschaft sind gut gefüllt", argumentierte Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank in Liechtenstein.

Binnen Jahresfrist legte das BIP im dritten Quartal preisbereinigt um 2,3 Prozent zu. Ökonomen rechnen damit, dass sich der ungewöhnlich lange Aufschwung vorerst fortsetzt. Zahlreiche Volkswirte hatten zuletzt ihre Prognosen heraufgesetzt. Danach dürfte die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um mehr als zwei Prozent wachsen. Auch für 2018 trauen sie Europas größter Volkswirtschaft ein hohes Tempo zu. Im vergangenen Jahr war das BIP um 1,9 Prozent gestiegen.

Angefacht durch die lockere EZB-Geldpolitik besitze die deutsche Wirtschaft so viel Schwung, "dass sich die zahlreichen, politisch zu lösenden Probleme Deutschlands vorerst nicht bemerkbar machen werden", argumentierte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer jüngst.

Chefvolkswirt Brzeski verwies auf das günstige Umfeld unter anderem durch die niedrigen Zinsen im Euroraum. Das schirme die deutsche Wirtschaft aktuell gegen politische Unsicherheiten ab. Angesichts des dringenden Investitionsbedarfs in Bildung und Digitalisierung sowie fehlender Strukturreformen, sollte die Politik allerdings nicht zu viel Zeit verschwenden, um die wirtschaftliche Zukunft nicht zu gefährden. Auch Wirtschaftsvertreter hatten nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungsgespräche von Union, FDP und Grünen vor einer Hängepartie bei der Regierungsbildung gewarnt.

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