Kein Versteckspiel mehr Datenbank deckt getarnte Kohlekonzerne auf

Bonn/Berlin · Ziel ist das Ende der Kohleförderung, dafür sollen Investoren mehr Transparenz bekommen. Was macht man aber, wenn ein Player wie China nicht mitspielt?

 Wind oder Kohle: Einige Energiekonzerne verbergen sich hinter irreführenden Firmennamen.

Wind oder Kohle: Einige Energiekonzerne verbergen sich hinter irreführenden Firmennamen.

Foto: picture alliance / Julian Strate

„China Africa Sunlight Energy“ lautet der Name des Konzerns. Vor dem geistigen Auge erscheinen sogleich Solarzellen auf Häuserdächern; Elektrizität, allein erzeugt durch die Kraft der Natur. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Das chinesisch-afrikanische Gemeinschaftsunternehmen mit Sitz in Simbabwe ist zu mehr als 90 Prozent im Braunkohlegeschäft tätig. Selbst wenn die übrigen zehn Prozent in die Entwicklung von photovoltaischen Zellen fließen sollten, ist der Name doch zumindest irreführend. Um Unternehmen wie „China Africa Sunlight Energy“ zu enttarnen, hat der Umweltschutzverein Urgewald aus Sassenberg im Jahr 2017 eine Datenbank erstellt, die Informationen zu mehr als 770 Kohlekonzernen liefert: die Global Coal Exit List.

„Mit der Datenbank wollen wir erreichen, dass Staaten, Banken, Versicherungen und andere Investoren künftig kein Geld mehr in die Kohleförderung stecken“, erklärt Urgewald-Sprecher Moritz Schröder. Diese Strategie wird als Divestment bezeichnet. Seit 2012 hat sich daraus eine internationale Bewegung entwickelt, die einen Abzug von Investitionen aus den fossilen Brennstoffunternehmen fordert.

Axa, Allianz, DiCaprio haben sich angeschlossen

Bislang haben sich diverse Universitäten, Städte wie Berlin, Stuttgart und Münster, Versicherungen wie Axa oder Allianz und Prominente wie Schauspieler Leonardo DiCaprio angeschlossen.

Vor allem die jüngste Ankündigung der Allianz, sich aus sämtlichen Kohlegeschäften bis 2040 zurückzuziehen, begrüßt der Verein. „Die Allianz schickt damit ein starkes Signal, dass Firmen, die weitere Kohlekraftwerke planen, nicht länger investierbar sind“, sagt Regine Richter, die bei Urgewald für Kampagnen zuständig ist. Und dabei soll es nicht bleiben: „Wir haben viele Gespräche mit Banken und anderen Investoren geführt. Einige von ihnen wollen ihre Investments in die Kohleförderung reduzieren. Doch sie haben eine Wissenslücke“, erklärt Schröder. In der Regel agieren die Investoren mit Datenbanken, die gerade einmal um die hundert Kohlekonzerne umfassen. Häufig wüssten sie deshalb nicht, welche Unternehmen „sauber“ seien.

Das liege unter anderem daran, dass sich viele Konzerne nicht als Kohleförderer deklarieren. Ganz im Gegenteil: „Einige von ihnen geben sich Firmennamen, die komplett in die Irre führen“, erläutert Schröder. Neben Unternehmen wie „China Africa Sunlight Energy“ gibt es Mischkonzerne, die häufig nicht als Kohlefirmen wahrgenommen werden. Dazu zählt laut Schröder auch das japanische Handelshaus Marubeni, das zu den größten Entwicklern von Kohlekraftwerken auf der Welt gehört.

All diese Informationen werden in der neuen Kohledatenbank öffentlich gemacht. Neben den Namen der Firmen wird der Sitz der Hauptquartiere, die Länder, in denen die Konzerne agieren, die jährliche Produktion, der prozentuale Anteil der Kohleförderung sowie Expansionspläne ins Netz gestellt – sofern diese Details im Einzelfall bekannt sind.

Länder werden in die Abhängigkeit von Kohle gestoßen

Die „Global Coal Exit List“ liefert aber noch weitere Erkenntnisse. „Derzeit werden viele Länder in die Abhängigkeit von Kohle gestoßen, wo es bisher keine Kohlekraftwerke gab“, ärgert sich Schröder. Ihm zufolge gilt das vor allem für afrikanische Länder wie Ägypten, Nigeria, Malawi, Tansania und Mosambik. Die Firmen, die dafür verantwortlich seien, stammten in der Regel aus China. Im Reich der Mitte wird der Ausbau der Kohleförderung zwar mehr und mehr gestoppt. Dafür investieren chinesische Firmen nun massiv im Ausland in neue Kraftwerke. „Dem Klima bringt das natürlich nichts. Kohlendioxid kennt keine Grenzen“, konstatiert Schröder. Umso schwerer wiegt deshalb die Tatsache, dass weltweit derzeit etwa 1600 neue Kraftwerke geplant sind. Doch auch Deutschland – einst selbst deklarierter Vorreiter im Klimaschutz – bekleckert sich in dieser Hinsicht bekanntlich nicht mit Ruhm: Hier sitzt mit RWE der größte Braunkohleförderer weltweit.

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