Anhörung zur Pkw-Maut Das rätselhafte Fahrverhalten der Holländer

Berlin · Experten melden im Haushaltsausschuss Bedenken gegen die Pkw-Maut an. Die Prognose der Einnahmen entzweit die Gutachter.

 Einnahmen aus der Maut, wie es sie am Warnowtunnel schon gibt, können nur geschätzt werden. FOTO: DPA

Einnahmen aus der Maut, wie es sie am Warnowtunnel schon gibt, können nur geschätzt werden. FOTO: DPA

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Angenommen es fahren 1000 Autos von Holland aus über die Grenze nach Deutschland. Jedes Fahrzeug soll nach dem Willen der Bundesregierung dafür bald eine Maut in Form einer Vignette erwerben. Die große Frage ist, wie hoch sind nun die Einnahmen für den deutschen Staat?

Die Antwort ist nur auf den ersten Blick einfach. Denn das Ergebnis hängt von einigen unbekannten Faktoren ab. So erklärt es der Münchner Wissenschaftler Ralf Ratzenberger den Abgeordneten des Verkehrsausschusses im Bundestag bei einer Anhörung zum Mautgesetz. Fährt im Extremfall nur ein einziges Fahrzeug immer hin und her, würde es nur eine Jahresplakette benötigen. Die maximale Einnahme läge nur bei 130 Euro. Im anderen Extrem verteilen sich die Fahrten auf 1000 Autos. Da bräuchte jedes eine Plakette, die für eine Tagesreise 2,50 Euro kosten soll. Zusammen brächte dies 2500 Euro ein, fast das Zwanzigfache.

Irgendwo in der Mitte liegt die Wahrheit. Nur wo, weiß niemand genau. Deshalb weichen die Prognosen für die erhofften Mauteinnahmen weit voneinander ab. Das Bundesverkehrsministerium (BMVI) rechnet mit 155 Millionen Fahrten von Ausländern in Deutschland. Sie benötigen laut offizieller Schätzung knapp 30 Millionen Vignetten. Daraus ergeben sich zusätzliche Einnahmen in Höhe von gut 830 Millionen Euro. Abzüglich der Kosten erwartet Minister Alexander Dobrindt einen Überschuss von rund 500 Millionen Euro für den Bundeshaushalt.

Experte Ratzenberger rechnet dagegen mit einem Verlustgeschäft. „Mit höchster Wahrscheinlichkeit gibt es schon 2019 eine Unterdeckung“, erläutert der Gutachter den Abgeordneten. Er kommt durch andere Annahmen nur auf gut zehn Millionen verkaufte Plaketten für 202 Millionen Euro. Abzüglich der Kosten für das Mautsystem und die Entlastung der inländischen Autofahrer bleibt unter dem Strich von Anfang an ein Minus im laufenden Betrieb von 123 Millionen Euro. Das hat Ratzenberger im Auftrag des ADAC ausgerechnet.

Wirkung kann nicht abgeschätzt werden

Eine verlässliche Schätzung könnte nur durch eine groß angelegte Untersuchung des tatsächlichen Verkehrsgeschehens ermöglicht werden. Wenigstens drei Monate lang müssten die Fahrten nach Deutschland gezählt und qualifiziert werden, sagt der Forscher. Doch auf eine solche Studie verzichtet das Verkehrsministerium. So muss, wenn das Gesetz demnächst verabschiedet wird, die erste Abrechnung zeigen, welche Gutachter am besten liegen.

Uneins sind sich die Sachverständigen in der Anhörung auch in der Frage, ob das Mautgesetz Ausländer in Deutschland diskriminiert und mithin gegen das europäische Recht verstößt. Zwar hat Dobrindt im vergangenen Dezember einen Kompromiss mit der EU-Kommission erzielen können. Doch einige Nachbarländer erwägen dennoch eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen die Maut.

„Das ist eine aktive und politisch gewollte Diskriminierung“, sagt Gutachter Franz Mayer von der Uni Bielefeld. Dies sei den meisten Bürgern auch bewusst. In der Fachwelt herrsche ebenfalls fast durchgängig die Auffassung vor, dass die Abgabe europarechtswidrig sei. Mayer rechnet daher fest mit einem Verfahren vor dem EuGH. Der zwischen Deutschland und der EU-Kommission vereinbarte Weg sei für das Gericht nicht bindend.

Ganz anders argumentiert Gutachter Christian Hillgruber von der Uni Bonn. „Ich teile die Auffassung in keiner Weise“, stellt er fest. Der Jurist, der die Rechtslage für das Verkehrsministerium bewertet hat, sieht keine Probleme in der Kombination einer neuen Abgabe mit einer Steuerentlastung bei den Inländern. So bleibt am Ende der Anhörung die Erkenntnis, dass der Bundestag wohl demnächst ein Gesetz verabschiedet, dessen Wirkung nicht recht abgesehen werden kann.

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