Fluggesellschaft meldet Insolvenz an Das müssen Kunden von Air Berlin jetzt wissen

Berlin · Lange Zeit steckte Air Berlin in der Krise. Nun hat die Fluggesellschaft Insolvenz angemeldet. Was bedeutet dies für Reisende? Ein Überblick über die wichtigsten Fragen.

Die Fluggesellschaft Air Berlin hat Insolvenzantrag gestellt. Nachdem Hauptaktionär Etihad erklärt habe, keine weitere finanzielle Unterstützung zur Verfügung zu stellen, sei man „zu dem Ergebnis gekommen, dass für die Air Berlin PLC keine positive Fortbestehensprognose mehr besteht“, hieß es in einer Pflichtmitteilung an die Börse.

Sind die Ferienflüge von Air Berlin durch die Insolvenz gefährdet?

Die Passagiere sind von der Insolvenz nicht betroffen. „Alle Flüge von Air Berlin und Niki finden weiterhin statt“, teilt das Unternehmen mit. Kunden können zudem weiter Flüge bei Air Berlin buchen.

Ist es ein Risiko, jetzt noch Flüge bei Air Berlin zu buchen?

Das muss jeder Urlauber selbst entscheiden. Der Betrieb ist durch die Hilfe des Bundes zumindest für die nächste Zeit gesichert. Nach Einschätzung von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) reichen die finanziellen Mittel des Unternehmens zusammen mit dem Kredit der bundeseigenen Bank KfW bis Ende November. Was danach geschieht, ist offen, solange keine Investoren für Teile von Air Berlin gefunden worden sind.

Warum rettet der Bund das Unternehmen vorläufig?

Mit Air Berlin fliegen täglich rund 80.000 Passagiere. Durch den Insolvenzantrag wären sie in den Feriengebieten hängen geblieben oder gar nicht erst hingekommen. „Wir verhindern eine Einstellung des Flugbetriebs“, erläutert Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries den einstimmigen Hilfsbeschluss der Bundesregierung. Ohne den Überbrückungskredit hätte das Unternehmen seine Maschinen sofort am Boden lassen müssen. „Kurzfristige Alternativen für einen Rückflug der Reisenden nach Deutschland waren nicht zu gewährleisten“, sagt die Ministerin.

Muss der Steuerzahler nun für die laufenden Verluste des Unternehmens aufkommen?

Nach Angaben der beteiligten Ministerien kann der Kredit wieder zurückgezahlt werden. Denn Air Berlin verfügt noch über ein wertvolles Vermögen. Das sind die sogenannten Slots, also Start- und Landerechte an den Flughäfen zu einer bestimmten Zeit. Für die Slots muss derjenige, der Air Berlin übernimmt, dann viele Millionen bezahlen. Laut Bundesregierung landet das Vermögen nicht in der Insolvenzmasse, aus der die Schulden des Unternehmens so gut wie möglich bedient werden. „Der Bund ist ein vorrangiger Gläubiger“, versichert Verkehrsminister Alexander Dobrindt.

Wie kam es zur Pleite?

Die Fluggesellschaft fliegt seit Jahren hohe Verluste ein. Allein 2016 stand ein Minus von 782 Millionen Euro unter der Bilanz. Der Schuldenberg beläuft sich mittlerweile auf weit mehr als eine Milliarde Euro. Es lag an der arabischen Fluggesellschaft Etihad, dass Air Berlin nicht viel früher pleitegegangen ist. Immer wieder half die Airline aus Abu Dhabi mit Millionenspritzen aus. Das sagte Etihad auch im Frühsommer weiter zu. Freitagnacht kündigte der Großaktionär die Finanzierungszusagen auf. Dadurch wurde der Insolvenzantrag unausweichlich.

Verschwindet die zweitgrößte deutsche Fluggesellschaft nun ganz vom Markt?

Es ist offen, wie es mit Air Berlin weitergeht. Immerhin ist das Unternehmen die zweitgrößte Fluggesellschaft des Landes. Nur die Lufthansa ist noch größer. Schon länger werden neue Partner für die Berliner gesucht. Im Frühsommer sollte schon eine Kooperation unter Dach und Fach gebracht werden. Mit dem Reisekonzern Tui wurde über die Gründung einer gemeinsamen Ferienfluggesellschaft verhandelt. Doch die Gespräche platzten überraschend. Derzeit laufen nach Angaben von Verkehrsminister Alexander Dobrindt Gespräche zwischen Air Berlin und mehreren Fluggesellschaften. Das deutet auf eine Zerschlagung des Unternehmens hin. Damit ist offen, ob der Markenname zukünftig an den Maschinen prangen wird.

Wer kommt als Käufer infrage?

Immer wieder wird die Lufthansa genannt. Ein Stolperstein verhinderte eine Einigung bisher: Das ist der Schuldenberg von Air Berlin, den die Lufthansa nicht übernehmen mag. Anscheinend sind sich die Unternehmen in dieser Frage mittlerweile näher gekommen. „Die Verhandlungen von Air Berlin mit Lufthansa und einer weiteren Airline zur Veräußerung von Unternehmensteilen sind sehr weit fortgeschritten“, sagt Zypries. Wer der zweite Käufer sein könnte, ist nicht bekannt.

Kostet die Insolvenz viele Beschäftigte den Job?

Air Berlin beschäftigt rund 8500 Mitarbeiter, davon 7200 in Deutschland. „Wir haben große Sorge um die Arbeitsplätze der Beschäftigten“, sagt Verdi-Vorstandsmitglied Christine Behle. Die Gewerkschaft wurde vom Rückzug Etihads ebenso überrascht wie die Bundesregierung. Verkehrsminister Dobrindt geht davon aus, dass viele Jobs erhalten werden können, da der Flugbetrieb weitergeht und dafür auch Personal benötigt wird.

War Air Berlin nicht einmal ein echter Senkrechtstarter?

Jochen Hunold, der die Gesellschaft groß machte, begab sich 1991 mit seinem Ferienflügen in eine Lücke im Fluggeschäft. Schnell wuchs Air Berlin mit günstigen Preisen bei gutem Service zu einem echten Konkurrenten der Lufthansa heran. Ein echter Billigflieger wie Easyjet oder Ryanair war das Unternehmen aber nie. Hunold expandierte, schaffte neues Fluggerät an, wollte auch ins Segment der Geschäftsreisen und Langstreckenflüge einsteigen. Doch die Rechnung ging nicht auf. Die Kosten liefen Air Berlin davon. Mit dem Aufkommen der Billigflieger musste Air Berlin bei den Ticketpreisen nachlassen. 2011 verließ Hunold Air Berlin. Danach sollte Hartmut Mehdorn das Unternehmen auf Kurs bringen. Mehdorn gelang es zwar, mit Etihad einen Financier als Großaktionär zu gewinnen. Doch die strukturellen Schwächen des Unternehmens bekam auch der frühere Bahnchef nicht in den Griff. So stiegen trotz aller Sanierungsprogramme die Verluste. Dem Senkrechtstart ist am Ende der Absturz gefolgt.

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