Fastpleite der Hypo Real Estate Das Gesicht der Finanzkrise vor Gericht

München · Vor achteinhalb Jahren war die Hypo Real Estate fast pleite. Wer dafür die Schuld trägt, wird ab Montag vor Gericht verhandelt. Der ehemalige Chef Georg Funke kommt womöglich mit einer Geldstrafe davon.

 Ex-HRE-Chef Georg Funke im Mai 2008: Nach der Finanzkrise zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück.

Ex-HRE-Chef Georg Funke im Mai 2008: Nach der Finanzkrise zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück.

Foto: picture-alliance/ dpa

Falls ein Banker hierzulande das Gesicht der Finanzkrise trägt, dann ist er es. Aber öffentlich zeigt sich Georg Funke längst nicht mehr. Der Ex-Chef der Münchner Skandalbank Hypo Real Estate (HRE) war abgetaucht, erst auf der Ferieninsel Mallorca als Immobilienmakler, dann an unbekannten Orten. Nun, achteinhalb Jahre nach der Beinahe-Pleite seiner Bank, holt die Vergangenheit den 61-jährigen Westfalen ein. Als einer von zwei Angeklagten in einem Strafprozess vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts München wird er ab kommendem Montag zwangsweise wieder zur öffentlichen Person. Nun endlich arbeitet die Justiz den größten Bankenrettungsfall der Republik auf. Viel zu befürchten hat Funke aber kaum und als Täter oder gar schuldig sieht er sich ohnehin nicht.

„Der Prozess ist eigentlich schon gewonnen“, sagt Verteidiger Wolfgang Kreuzer. Der Jurist meint damit die mindere Schwere der nach jahrelangen Ermittlungen übrig gebliebenen Tatvorwürfe. Sein Mandant muss sich vor Gericht nicht wegen des Debakels um die zwangsverstaatlichte HRE verantworten. Das hatte den Steuerzahler zehn Milliarden Euro gekostet und in der Spitze Staatsgarantien von 124 Milliarden Euro nötig gemacht. Im Sitzungssaal 173 des Landgerichts München geht es auch nicht um Untreue. Dafür haben die Ermittler keine hinreichenden Verdachtsmomente gefunden.

In ihrer Klageschrift wird in weiten Teilen allerdings das Bild dilettantisch handelnder Banker gezeichnet, die Managementfehler in Serie begehen und entscheidungsschwach sind. Bewahrheitet sich das, wäre es ein Offenbarungseid, aber nicht strafbar. Verhandelt wird unter Vorsitz von Richterin Petra Wittmann vielmehr wegen Verstößen gegen Rechnungslegungspflichten, was unspektakulär klingt. Dabei sollen Funke und sein mitangeklagter Vorstandkollege Markus Fell dafür zur Rechenschaft gezogen werden, dass die Lage der Bank in ihrer Bilanz 2007 und einem Halbjahresbericht 2008 zu positiv dargestellt wurde und Risiken aus der damals tobenden Finanzkrise verschwiegen wurden. An Hinweisen zum mangelhaftem HRE-Risikomangement und der Notwendigkeit von Notfallplänen hat es damals laut Anklage nicht gemangelt. Wirtschaftsprüfer, die Bundesbank und auch die eigene Innenrevision hätten den Finger in die Wunde gelegt, seien vom Management aber ignoriert worden. Dass die Alarmglocken bei der HRE schrillen, haben Funke und Fell demnach gewusst, das aber öffentlich verschwiegen und die Öffentlichkeit bis zuletzt getäuscht.

Speziell Fell soll Investoren noch am 25. September 2008 versichert haben, dass die HRE keine Liquiditätsrisiken plagen, obwohl ein Kniefall zum Erbetteln von Finanzhilfen intern schon beschlossen war. Zwei Tage später wurde die HRE mit Staatsgarantien von ersten 35 Milliarden Euro gerettet, um einen um sich greifenden Finanz-Tsunami zu verhindern. Weitere Rettungsrunden folgten.

Fell könnte sich damit Marktmanipulation schuldig gemacht haben, worauf bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe stehen. Funke drohen bei einer Verurteilung maximal drei Jahre Gefängnis. Aber in Verteidigerkreisen glaubt niemand an eine Haftstrafe. Darauf deutet auch der Umstand, dass für sechs ehemalige Vorstandskollegen Funkes schon alles vorbei ist. Gegen sie wurde das Verfahren gegen Zahlungen von Geldsummen zwischen 30 000 und 80 000 Euro jüngst eingestellt.

Schwergewichtig ist die Anklageschrift vor allem durch ihren Umfang mit fast 500 Seiten. Funkes Replik darauf, die er am zweiten Prozesstag vor Gericht ausbreiten wird, umfasst dem Vernehmen nach rund 200 Seiten. Darin will er sich von jeder Schuld reinwaschen und auch die gegen ihn verbliebenen Restvorwürfe zu Fall bringen.

Mit in den Abgrund gerissen hat die HRE nach seiner Version der Realität die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers Mitte September 2008. Und wenn damals jemand das Schicksal der HRE noch verschlimmert habe, dann nicht er, sondern der damalige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) mit seinem Gerede von einer „geordneten Abwicklung“ des Münchner Instituts. Die Staatsanwaltschaft wird in den bis Ende September angesetzten 18 Prozesstagen rund 30 Zeugen und die Expertise eines Gutachters ins Feld führen, um ihre Sicht der Dinge zu belegen. Auch über Vorstandsprotokolle und interne Dokumente will die Anklage beweisen, dass Funke und Fell die Lage der HRE bewusst falsch gezeichnet und ihre wahren Liquiditätsrisiken verheimlicht haben. Den Schwelbrand in der HRE-Bilanz, der dann fast alles vernichtend aufflammen sollte, hätten die Banker wider besseren Wissens verheimlicht, um die Refinanzierung ihrer Bank nicht zu gefährden, was letztlich spektakulär gescheitert ist.

Für Funke ist der Strafprozess auch wichtig, weil gegen ihn Schadenersatzklagen laufen und er selbst juristisch seinen Rauswurf als HRE-Vorstandschef anficht. Bei Letzterem geht es um 47.000 Euro Monatsrente und dreieinhalb Millionen Euro potenzielle Gehaltsnachzahlung.

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